Technologie, die aus dem hohen Norden kommt:

Norweger drängen in deutschen DV-Markt

05.06.1981

OSLO - Die Bundesrepublik Deutschland ist für die norwegische DV- und Kommunikationsindustrie der Schlüsselmarkt zur Erschließung der übrigen europäischen Märkte. Die traditionell stark exportorientierte Gesamtwirtschaft des

mit Öl und high-sophisticated Know-how gesegneten Landes am Polarkreis muß zur Zeit mit der Sogwirkung der Ölindustrie fertig werden, die das ohnehin knappe Arbeitskräftereservoir des Landes an sich zu binden droht - außerdem mit starken amerikanischen Konkurrenten, insbesondere im Minicomputer-Sektor.

Dieses Bild konnten sich kürzlich Fachjournalisten machen, die auf Einladung des Königlich Norwegischen Exportrates durch die norwegische DV- beziehungsweise Kommunikationslandschaft reisten. Ob es norwegische Höflichkeit war, daß von deutschen Konkurrenten nicht die Rede war, sei dahingestellt. Der Minicomputerhersteller Norsk Data in Oslo, Stentofon in Trondheim, ein Hersteller von In-house-Kommunikationssystemen (Gegensprechanlagen), die Kongsberg Vapenfabrikk in Kongsheim (CAD-Systeme) und die Tandberg Data in Oslo zeigten ihre Fertigungen, berichteten über Geschäftserfolge, visierten ihre Ziele an und präsentierten ihre Produkte. Eine viel zu kurze Stippvisite bei der "Sintef" in Trondheim, einer Großforschungseinrichtung, die sehr stark projektgebunden und in Zusammenarbeit mit der Industrie forscht, machte deutlich, welche Anstrengungen in Norwegen unternommen werden, trotz der begrenzten personellen Möglichkeiten einen obersten Standard in den zukunftsentscheidenden Technologien und hier wiederum in exakt angepeilten Marktsegmenten noch zu erhöhen.

North Data (ND) empfing seine Gäste in den noch leeren Hallen einer neu angekauften Fertigungsanlage und machte damit seine Wachstumserwartungen sinnfällig. Die Zahlen aus den Bilanzen der letzten Jahre erscheinen den Optimismus zu rechtfertigen.

Der Minicomputerhersteller ist kürzlich mit seinen Aktien auf den Börsenplatz London gegangen, ein Schritt, der nach einer jährlichen Wachstumsrate von durchschnittlich 45 Prozent in den vergangenen acht Jahren nicht übereilt erscheint. Ziel der Gesellschaft ist es einer der fünf stärksten Mini-Hersteller im europäischen Markt zu werden, in Norwegen selbst steht ND an zweiter Stelle nach IBM und vor HB.

Das Unternehmen Stentofon in Trondheim überraschte mit "Pamex", einem In-house-Sprach-Kommunikationssystem in günstigem Preis-/Leistungsverhältnis und mit zahlreichen Funktionen. Wesentlicher Vorteil gegenüber einer klassischen Nebenstellenanlage: Postgebühren fallen am Standort nicht an, dennoch kann über Standleitung mit entfernten Unternehmensteilen vom Sprechgerät aus kommuniziert werden. Pamex ist in der Bundesrepublik bereits mehrfach installiert, zum Beispiel bei der Lufthansa, bei Daimler Benz, in Bundes-und Landesministerien etc. Stentofon fühlt sich in seiner Marktnische sehr wohl und sieht vorläufig keinen Grund sein schmales Produktspektrum zu erweitern, wohl aber zu modifizieren. Sie verfügen über eine eigene LSI-Entwicklung.

Das Computer Center der Universität Trondheim stellte den Besuchern aus Deutschland in den Räumen der Sintet-Forschung unter anderem die dort entwickelte Programmiersprache "Chill" vor. Chill heißt: CCITT high level programming language. Nach Schätzungen der Sintef wird die Entwicklung von Chill Kosten von "zig"-Millionen Dollar verursachen, was aber in ähnlich gelagerten Entwicklungen von wichtigen Programmiersprachen ähnlich gewesen sei.

Noch befinde sich Chill in seinem ersten Entwicklungsstadium. Es sei jedoch bereits technisch erprobt und werde mit der ganzen Unterstützung der internationalen Postverwaltungen weiterhin "wachsen und gedeihen".

Das Norwegische Nationale Paketvermittelte Netz (Uninett), auch eine Entwicklung aus dem Sintef-lnstitut, steht klar zum Start in den allmählich europaweit anlaufenden Paket-vermittelten Datentransport.

Die Produkte der Data Division der Kongsberg Vapenfabrikk, in erster Linie CAD-Systeme und Werkzeugmaschinen-Steuerungen, sind auf dem deutschen Markt bestens eingeführt und auch durch Zusammenarbeit zum Beispiel mit Messerschmitt Bölkow Blohm etabliert. Als Besonderheit ihres CAD-Systems CDM300 priesen die Kongsberger die Software-Unterstützung der DIN- und ISA-Normen. Hauptmärkte der Kongsberg Data Division sind die Bundesrepublik und Frankreich. Einen japanischen Mitbewerber wollen die Norweger in ihren Stammärkten bisher nicht ausgemacht haben. Im wachsenden Markt für Kartographie kann sich Kongsberg ebenfalls recht stark vorkommen. Das Informationssystem SysScan digitalisiert analoge graphische Information und wandelt interaktiv in geeignete Form um. Das System ist ausgelegt für topographische, hydrologische, thematische, großmaßstäbliche und versorgungstechnische Karten. 65 Mitarbeiter arbeiten an SysScan, 20 davon allein in der Entwicklung.

Auch Tandberg Data in Oslo ist auf dem deutschen Markt bestens etabliert. Die 51prozentige Siemenstochter modifiziert ihren Hit, sogenannte Ergonomie-Bildschirme (TDV 2200) kontinuierlich und hat mit einem Gesamtabsatzmarkt von etwa 30 000 Terminals pro Jahr in der Bundesrepublik bereits einen Platz im Bereich anspruchsvoller Bildschirmgeräte an der Spitze. Einen neuen Bedarf an Back-up-Speichern glaubt Tandberg entdeckt zu haben. Vorläufig mit nur wenigen Prozent ihrer Produktivität fertigt das Unternehmen in "Serpentine-Technik" eine 32-MB-Kassette mit hoher Bandgeschwindigkeit. Die Speichereinheit TDC 3200 benutzt 1/4-Zoll-Bänder, sie arbeitet in 8 Spuren und in einer Aufzeichnungsdichte von 7000 bpi. Die Übertragungszeit für ein Band beträgt etwa 8 Minuten.

Tandberg hat ähnlich wie Stentofon in einer Marktnische erfolgreich Produktpolitik gemacht und ist damit ein Beispiel für die drei großen Plus der "kleinen" norwegischen DV- beziehungsweise Kommunikationsindustrie: Flexibilität, Schnelligkeit und Qualität.