Generalunternehmer hat versagt

Norisbank macht SBS für DV-Chaos verantwortlich

31.07.1998

Am Dienstag morgen dieser Woche ging bundesweit gar nichts mehr bei der Norisbank: keine Kontoabfrage, keine Geldausgabe. Die Angestellten der Münchner Filialen speisten die Kunden mit der Bemerkung "Ladefehler" ab.

Die Norisbank AG, Nürnberg, kämpft jedoch schon seit Wochen gegen Systemausfälle und Unregelmäßigkeiten: Der Bankautomat frißt die Scheckkarte, Freistellungsaufträge und Überweisungen bleiben unbearbeitet, Kunden können ihre Konten nicht anzapfen.

Die Schwierigkeiten resultieren aus einer DV-Umstellung zum 22. Juni. Am Wochenende davor hatte die Bank ihre alte DV gegen neue Software und Hardware ausgetauscht, am Montag sollten die Bankangestellten damit arbeiten. Die SNI-Tochter SBS Siemens Business Services GmbH & Co OHG (SBS), die als Generalunternehmer für die Umstellung verantwortlich war, hatte eine Eigenentwicklung der Bank durch die Standardsoftware Kordoba ersetzt sowie neue Rechenzentrums-Hardware, 220 Selbstbedienungsterminals und 150 Kontoauszugsdrucker in Betrieb genommen.

Integrationstests wurden versäumt

Dieter Thormählen, Vorstandsmitglied der Norisbank AG, Nürnberg, räumt ein, daß Betriebssysteme, Hardware und Software nach der Inbetriebnahme zirka 14 Tage nicht "synchron" gelaufen seien. SBS habe es seiner Meinung nach schlichtweg versäumt, Integrationstests vorzunehmen. Der Anbieter habe vielmehr lediglich Einzelkomponenten der neuen DV geprüft, die sich im Zusammenspiel und im Echteinsatz anders verhielten als vorausgesagt. Er bezeichnet die Leistung seines Generalunternehmers als ein "Trauerspiel".

Thormählen bestreitet jedoch, daß die DV-Umstellung die Bankgeschäfte jemals wesentlich beeinträchtigt habe. Abgebrochene Transaktionen an Geldautomaten und das daraus resultierende Einbehalten der Scheckkarten hätten die größten Unannehmlichkeiten verursacht.

Schulungszeit war viel zu kurz

Das ist jedoch kaum der Fall. Die "Berliner Morgenpost" beispielsweise berichtete noch am 18. Juli über "Chaoswochen" bei der Bank. Kunden, die 100000 Mark auf ihrem Konto hatten, bekamen mitgeteilt, daß sie gar kein Konto bei der Bank führten. Die Zustellung von Scheckkarten und Geheimnummern verspätete sich. Übersandte Nummern ließen sich nicht verwenden.

An den Selbstbedienungsterminals der Münchner Filialen hängen außerdem Zettel, die darauf aufmerksam machen, daß die Automaten täglich zwischen 21 und 22 Uhr nicht zu benutzen sind.

Thormählen entschuldigt den abendlichen Stillstand mit dem Umschalten vom Tages- auf den Nachtbetrieb - ein Problem, das alle Banken gleichermaßen hätten. Im übrigen werde derzeit daran gearbeitet, die Zeitspanne zu verkürzen.

Die Schwierigkeiten, die die Bankangestellten mit solchen fehlerhaften Vorgängen hatten, führt Thormählen auf den unsachgemäßen Gebrauch der neuen Systeme zurück. Und das sei eher ein schulungs- als ein applikationsspezifisches Problem.

Norisbank-Mitarbeiter sehen das ähnlich. Lediglich drei Tage seien rund 480 Vertriebsmitarbeiter auf die neue Anwendung geschult worden. Zehn Tage wären allerdings für das Kennenlernen der Applikationen Voraussetzung gewesen, zumal während der Schulungszeit die Programme noch weiterentwickelt worden seien. Offenbar konnte der Generalunternehmer SBS seine Terminzusagen nicht halten.

Die SNI-Software Kordoba läuft in anderen Geldinstituten problemlos und ist auch seit einigen Jahren bei der Franken WKV Bank in Einsatz. Als die Bayerische Vereinsbank im Juli des vergangenen Jahres die Noris Verbraucherbank von Quelle übernahm, verschmolz sie den Neuerwerb mit der Franken WKV Bank zur Norisbank AG. Die Fusion zieht nun auch die Vereinheitlichung der DV-Systeme nach sich. Von SNI war bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme zu bekommen.