Ausbildungskooperation mit eigenem Institut

Norddeutscher Mittelstand verbündet sich gegen Fachkräftemangel

12.11.2015
Von Angela Sauerland
Der norddeutsche Nachwuchs plant seine Karriere lieber bei Konzernen wie Airbus, Google oder Otto. Um angehende Wirtschaftsinformatik-Studenten auf sich aufmerksam zu machen, haben sich daher vor zwei Jahren mehrere norddeutsche Unternehmen zu einer Ausbildungskooperation zusammengeschlossen. Initiiert und geplant wurde das Modell durch die Akquinet AG aus Hamburg und die Fachhochschule Wedel.

"Wir haben das duale Studium aufgebrochen und um eine dritte Lehrsäule erweiter", erklärt Olaf Zöftig, Geschäftsführer des Instituts für Softwaretechnik und Outsourcing in Norderstedt, die Grundidee. Dort erhalten die Studenten, ergänzend zu den Inhalten an der FH Wedel und der Einbildung in die Ausbildungsunternehmen, zusätzliche praxisbezogene Seminare. Akquinet hat die Einrichtung 2013 eigesn für das neue Studienmodell gegründet. Denn im dualen Sudium "klafft oft eine Lücke zwischen der Theorie an der Uni und der praktischen Arbeit im Unternehmen", weiß Zöftig aus eigener Erfahrung mit jungen Studenten. Gerade am Anfang würden sie in mittelständischen Unternehmen oft nicht sinnvoll eingesetzt, wertvolle Zeit ginge verloren. Die Studenten seien teilweise desorientiert und frustriert.

Olaf Zöftig ist Geschäftsführer des Instituts für Softwaretechnik und Outsourcing in Norderstedt.
Olaf Zöftig ist Geschäftsführer des Instituts für Softwaretechnik und Outsourcing in Norderstedt.
Foto: Akquinet AG

Diese Ausbildungslücke wollten die Unternehmen über die dritte Ausbildungssäule "Institut" schließen. Zu den Partnern des Ausbildungsmodells zählen neben Akquinet die Stadtwerke Norderstedt, der Kfz-Dienstleister Chistoph Kroschke und seit 2015 auch die Signal Iduna. "Wir sind überzeugte Kooperationspartner des Instituts für Softwaretechnik und Outsourcing. Unsere dualen Studenten erhalten eine sehr gute theoretische Ausbildung an der FH Wedel und werden durch das Institut gleichzeitig an die betriebliche Praxis herangeführt. Das ist Nachwuchsförderung auf höchstem Niveau", ist sich Prof. Dr. Markus Warg, Vorstandmitglied der Signal Iduna Versicherungsgruppe, sicher.

Schwerpunkt "Rechenzentren" oder "Software Entwicklung"

Grundlage des Studienmodells ist ein Ausbildungsvertrag zwischen dem Studenten und dem Unternehmen. Das Vollzeitstudium ist auf sieben Semester ausgelegt. Während in den ersten Semestern überwiegend Kurse der FH Wedel auf dem Lehrplan stehen, nehmen die Präsenzzeiten im Unternehmen zum Ende hin zu. Innerhalb des Unternehmens lernt der Student zunächst die vielfältigen Bereiche kennen. Während des Grundstudiums spezialisiert er sich dann auf einen der Schwerpunkte "Rechenzentren" oder "Software Entwicklung".

In jedem Semester stehen zusätzlich zehn Blocktage im Institut auf dem Lehrplan. Die Inhalte der Institutsseminare geben die Unternehmen gemeinsam vor und passen sie ihren aktuellen Bedürfnissen an. Auch die Dozenten kommen vornehmlich aus den Unternehmen. Auf dem Lehrplan stehen Seminare zu IPMA-Projektmanagement, ITIL-Prozessmanagement und -modellierung, zu Softwareentwicklung, IT-Security und Rechenzentrumsbetrieb. Durch die Blockphasen entsteht unter den Teilnehmern des Drei-Säulen-Modells schnell eine enge studentische Gemeinschaft. Oft bilden sie für die gesamte Studienzeit untereinander Lerngruppen und tauschen ihre Erfahrungen aus den Unternehmen miteinander aus.

Ausbildungsleiterin Anja Schatka, Geschäftsführer Olaf Zöftig, Student Timo Blank und Personalleiterin Irene Achmerow (von links) freuen sich, dass das Ausbildungsangebot gut angenommen wird.
Ausbildungsleiterin Anja Schatka, Geschäftsführer Olaf Zöftig, Student Timo Blank und Personalleiterin Irene Achmerow (von links) freuen sich, dass das Ausbildungsangebot gut angenommen wird.
Foto: Akquinet AG

Einer von ihnen ist der 21-jährige Timo Blank. "Am Institut habe ich zusätzliche fachliche Ansprechpartner außerhalb der Fachhochschule. An sie kann ich mich wenden, wenn ich im Studium mal etwas nicht verstanden habe", betont er.

Erste Abschlüsse 2016

Dass das Konzept für alle Seiten aufgeht, belegen die steigenden Studentenzahlen und auch das vermehrte Interesse von Unternehmen an dem Modell. Mittlerweile befinden sich 31 Wirtschaftsinformatik-Studenten in der neuen Studienform. Die beteiligten Unternehmen haben einen Weg gefunden, um junge Mitarbeiter für sich zu gewinnen und von Anfang an für die eigenen Bedürfnisse zu qualifizieren. So sieht es auch Akquinet. Das IT-Beratungshaus, Initiator und Nutznießer zugleich, hat mittlerweile zwölf Studenten in dem Studienmodell. Die ersten sechs machen 2016 ihren Abschluss. Bis zum Bachelor-Abschluss kalkuliert Akquinet für jeden Studenten Ausgaben in fünfstelliger Höhe. Enthalten sind darin neben den Studiengebühren der FH Wedel unter anderem eine Leistungsvergütung, ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und ein Rechner. Irene Achmerow, Personalleiterin bei Akquinet, sagt: "Das Investment ist wirtschaftlich sinnvoll, weil wir die jungen Mitarbeiter durch die frühe, eigene Qualifizierung schnell in anspruchsvolle Projekte einbinden können. Dort spüren sie, wie spannend der Mittelstand eigentlich ist und dass sie hier viel bewegen können."

Um künftige Studenten zu erreichen, spricht das Unternehmen Schüler und Schulabgänger auf Messen und in den Schulen an. Sie sind meist überzeugt von dem besonderen Studienmodell, in dem sie aktuelles und praxisnahes Wissen erhalten, wie es eine Universität nicht bieten kann. Und sie können Zertifikate abschließen, die auch im Lebenslauf gut aussehen. Dennoch sind sie nicht an das Ausbildungsunternehmen gebunden. Damit keiner der eigenen Absolventen ins Grübeln kommt, bietet Akquinet seinen Studenten nach dem Bachelor-Abschluss auch das Master-Studium in dualer Studienform an, inklusive Auslandssemester. So kann eine steile Karriereleiter im Mittelstand anfangen.