Symbian und Series 60: Bollwerk gegen Microsoft

Nokia sichert mobile Anwendungen

15.11.2002
MÜNCHEN (pg) - Nokia hat auf der "Mobile Internet Conference" in München einen Ausblick auf seine Strategie und kommende Produkte gegeben. Mit "Mobile VPN", dem "Security Service Manager" sowie den beiden Business-Handys "6800" und "8910i" stehen im ersten Quartal 2003 vier Produkte für den professionellen Einsatz ins Haus.

Die Botschaft, die Nokia auf der Konferenz in München vermitteln wollte, war eindeutig: "Offenheit ist der einzige Weg vorwärts." Mit diesen Worten brachte Niklas Savander, Vice President Mobile Software, die Message der Finnen auf den Punkt und wollte damit sagen: Nokia bekennt sich zur Produktentwicklung auf Basis offener Standards.

Doch ganz so offen, wie es Nokia gerne glauben machen möchte, ist die Politik des Konzerns aus dem finnischen Espoo nicht. Sie ist vielmehr stark an dem Betriebssystem "Symbian" sowie "Series 60", einer Nokia-eigenen Weiterentwicklung davon, ausgerichtet. Bei Symbian handelt es sich in der Tat um ein Smartphone-OS, das den Status eines Industriestandards hat und derzeit hauptsächlich von den Herstellern Ericsson, Fujitsu, Motorola, Nokia, Panasonic, Psion, Samsung, Siemens, Sony-Ericsson getragen wird. Series 60 wiederum stellt eine Nokia-eigene Terminal-Softwareplattform dar, die das Unternehmen als Quellcodeprodukt an Hersteller von Mobiltelefonen lizenziert. Die Plattform kann dann in die eigenen, auf dem Betriebssystem Symbian basierenden Gerätedesigns integriert werden. Zu den Lizenznehmern zählen Siemens, Samsung, Matsushita (Panasonic) und ganz aktuell auch Sendo (siehe Kasten "Sendo bricht mit Microsoft").

Mit der Fokussierung auf das "offene" Symbian und die Plattform Series 60, für die bereits Entwickungs-Tools und Anwendungen existieren, will Nokia möglichst viele Drittanbieter an sich und das Symbian-Lager binden. Das Ziel: Es soll ein mächtiger Gegenpol zu Microsoft geschaffen werden, das mit dem Betriebssystem "Smartphone 2002" in den Markt drängt. Für Nokia ist es jedenfalls undenkbar, dass die Microsoft-Software auf den Endgeräten der Finnen läuft. Eine entsprechende Frage beantwortete Savander mit einem kategorischen "Nein". Insofern findet die Offenheit Nokias ihre Grenzen.

Management für mobile Sicherheit

Die Ausrichtung des Unternehmens spiegelt sich auch in den Produkten wider, die in München angekündigt wurden. So ist die Client-Software Mobile VPN ausschließlich für Endgeräte konzipiert, die auf dem Betriebssystem Symbian basieren. Kernbestandteil der mobilen VPN-Lösung ist der Industriestandard Ipsec, der den Datenaustausch zwischen VPN-Client und Gateway absichern soll. Den Finnen zufolge erlaubt er mobilen Anwendern die Authentisierung mittels Nutzername und Passwort, Security Tokens oder digitalen X.509-Zertifikaten. Der VPN-Client unterstützt dabei die Verschlüsselung nach DES mit 56 Bit und 3DES mit 168 Bit sowie die SHA-1- und MD5-Verfahren zur Gewährleistung der Datenintegrität.

Der VPN-Lösung übergeordnet ist der "Security Service Manager", der Administratoren bei der Verwaltung mobiler Endgeräte unter die Arme greifen soll. Er dient in erster Linie dazu, Sicherheitsapplikationen für Symbian-basierende Mobilfunkgeräte von zentraler Stelle aus bereitzustellen und zu koordinieren. Zu den Funktionen zählt zum Beispiel die Einrichtung eines VPN-Client, die automatische Bereitstellung von Konfigurations-Updates und die Definition von Sicherheitsregeln.

Das Management-Tool birgt außerdem PKI-Dienste (PKI = Public Key Infrastructure), die Unternehmen den Schritt von herkömmlichen Authentifizierungsverfahren zur auf Zertifikaten basierenden Anmeldungsprüfung im mobilen Umfeld ermöglichen. Sowohl der Security Service Manager als auch Mobile VPN sollen im ersten Quartal 2003 erhältlich sein.

Für den gleichen Zeitraum hat der Mobilfunkspezialist auch mehrere Handys angekündigt, darunter mit den Modellen "6800" und "8910i" zwei Highend-Produkte, die sich hauptsächlich an professionelle Nutzer richten. Dabei verkörpert das 6800 das erste Messaging-Telefon der Finnen, das sich durch Aufklappen vom herkömmlichen Handy in einen Mini-Organizer mit vollständiger Tastatur zur bequemeren Texteingabe verwandelt. Im geöffneten Zustand wechselt die Darstellung auf dem Display entsprechend der Tastaturanordnung automatisch vom vertikalen in den horizontalen Modus.

Neben einem E-Mail-Client verfügt das 6800 über Organizer-Merkmale für persönliche Kalender- und Kontakteinträge. Diese Daten können mit Hilfe des Verfahrens Sync ML über das Internet oder Intranet synchronisiert werden. Außerdem unterstützt das Gerät den Multimedia Messaging Standard (MMS), WAP 1.2.1 sowie die schnellen Datentransferverfahren High Speed Circuit Switched Data (HSCSD) und General Packet Radio Service (GPRS). Zusätzliche Ausstattungsmerkmale sind ein integriertes Radio, eine Schnittstelle zum Anschluss des Kamera-Headset "HS-1C" sowie ein Farb-Display.

Farbig wird es im Frühjahr 2003 auch auf dem Bildschirm des Nokia 8910i. Das für das Premium-Segment bestimmte Handy mit Titan-Hülle löst den bereits am Markt befindlichen Vorgänger "8910" mit Schwarzweiß-Display ab. Neu ist ferner die MMS-Funktionalität.

Nokia rechnet im kommenden Jahr laut CEO Jorma Ollila mit einem Absatz von 50 bis 100 Millionen Endgeräten, die bereits Farb-Displays haben. Mittelfristig werden den Finnen zufolge alle Geräte einen farbigen Bildschirm sowie standardmäßig MMS und Bluetooth aufweisen.

Sendo bricht mit Microsoft

Microsoft hat bei seinen Plänen, im Mobilfunk- beziehungsweise Smartphone-Bereich Fuß zu fassen, einen herben Rückschlag erlitten. Der britische Endgerätehersteller Sendo, an dem das Unternehmen mit zehn Prozent beteiligt ist, stellte überraschend das Entwicklungsprogramm für seine Smartphones auf Basis von Microsofts Software "Windows for Smartphone 2002" ein. Infolgedessen wird das seit langem angekündigte Smartphone "Z100", das unmittelbar vor der Auslieferung stand, nicht auf den Markt kommen. Das Gerät galt immer als potenzielles Vorzeigeobjekt bezüglich der Praxistauglichkeit von Smartphone 2002. Der offizielle Launch wurde allerdings mehrfach verschoben. Stattdessen ist Sendo jetzt ins andere Lager gewechselt und hat die Plattform "Series 60" von Nokia in Lizenz genommen, die auf dem Betriebssystem "Symbian" beruht.

In einer offiziellen Erklärung von Sendo wurden keine konkreten Gründe für die Entscheidung genannt. Branchenintern werden jedoch mehrere Motive für die Maßnahme ausgemacht. Ein Knackpunkt war, dass Microsoft Sendo den Zugriff auf den Sourcecode von Smartphone 2002 verweigert hat und die Briten Eigenentwicklungen somit nur mühsam und aufwändig betreiben konnten. Als weitere Ursache gilt die fehlende Unterstützung von MMS und Java im Betriebssystem von Microsoft. Gegenüber den Netzbetreibern ist das ein erheblicher Minuspunkt, weil sie sich von Java und MMS-Diensten mehr Datenverkehr auf ihren Netzen und damit eine Umsatzsteigerung pro Teilnehmer versprechen. Von Java, weil es sich als mobile Spieleplattform etabliert hat, und von MMS-Diensten, weil sie umfangreicher als SMS sind und als Vorstufe zu UMTS gelten. Als drittes wesentliches Kriterium wird in der Branche schließlich die mangelhafte Bluetooth-Integration in Smartphone 2002 genannt.