Nokia hilft Siemens aus TK-Bredouille

20.06.2006
Jahrelang hat es Siemens nicht geschafft, sein TK-Geschäft zu sanieren. Das soll nun dem Joint-Venture Nokia Siemens Networks gelingen.

Obwohl Siemens und Nokia zu gleichen Teilen an dem Gemeinschaftsunternehmen beteiligt sind, haben die Münchner nach Einschätzung von Experten den Schwarzen Peter an die Finnen weitergegeben. Sie sollen das schwierige TK-Ausrüstungsgeschäft von Siemens - zusammengelegt mit dem eigenen - wieder in Fahrt bringen. Nokia-Manager Simon Beresford-Wylie übernimmt die Führung des künftigen TK-Riesen, ein Zeichen dafür, wer in dieser Ehe die Hosen anhat. Siemens stellt lediglich den Finanzchef Peter Schönhöfer. Zudem wird die künftige Nummer drei unter den Netzausrüstern vom finnischen Hauptquartier in Espoo aus dirigiert. Seine Einnahmen sollen bei Nokia konsolidiert werden. Siemens führt das Joint-Venture dagegen nur als Beteiligung. Analysten sprechen von einem Abschied auf Raten.

Führende TK-Ausrüster

Alcatel/Lucent:

Jahresumsatz: 21 Milliarden Euro

Mitarbeiter: 88 000

À Ericsson/Marconi:

Jahresumsatz: 17,5 Milliarden Euro

Mitarbeiter: 63 000

à Nokia/Siemens:

Jahresumsatz: 15,8 Milliarden Euro

Mitarbeiter: 60 000

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www.computerwoche.de/go/

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Für Kleinfeld zählt nur die Marge

Mit der Zerschlagung der Communications-Sparte bleibt Siemens-Vorstand Klaus Kleinfeld seiner Linie treu. Der seit Anfang vergangenen Jahres amtierende Konzernchef hatte allen Bereichen des Münchner Traditionsunternehmens klare Margenziele vorgegeben. Bis 2007 sollte das Geschäft mit Netzausrüstung eine Gewinnspanne von acht bis elf Prozent vorweisen. Nachdem die Spartenverantwortlichen in der Vergangenheit bereits mehrfach die rote Karte von ihrem Chef präsentiert bekamen, war der Bereich zuletzt trotz zahlreicher Restrukturierungsbemühungen weit von diesem Ziel entfernt. Zum Halbzeit des Geschäftsjahres im März stand gerade einmal eine Rendite von 0,8 Prozent zu Buche.

Als Konsequenz hatte Kleinfeld wiederholt angedroht, sich von Bereichen zu trennen, die die Margen-Vorgaben nicht erfüllten. Nachdem aber noch Anfang Juni Stimmen aus den Reihen des Siemens-Vorstands laut geworden waren, Com nicht aufzuspalten, kam die Gründung des Joint-Ventures mit Nokia überraschend. Siemens wird sein Geschäft für Mobilfunk- und Festnetz-Equipment in das Gemeinschaftsunternehmen einbringen. Für den Bereich Unternehmensnetze, in dem die Münchner unter anderen mit Cisco konkurrieren, soll eine andere Lösung gefunden werden. Ein Verkauf der Com-Reste sei nicht ausgeschlossen, hieß es. Die Finnen bringen ihr Geschäft mit Telekommmunikationsausrüstung für Mobilfunkanbieter in das Joint-Venture ein. Hochgerechnet kommt Nokia Siemens Networks auf einen Pro-Forma-Jahresumsatz von 15,8 Milliarden Euro. Davon stammen 9,2 Milliarden Euro von Siemens, der Anteil der Finnen liegt bei 6,6 Milliarden Euro.

Start mit ehrgeizigen Vorgaben

Die Verantwortlichen haben hohe Erwartungen an den neuen TK-Riesen. Bereits im ersten Jahr soll Nokia Siemens Networks eine zweistellige operative Marge erreichen, sagte Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo. In der Folge werde das Unternehmen schneller wachsen als der Markt. Um diese Ziele zu erreichen soll zunächst auf die Kostenbremse gedrückt werden. Fortsetzung auf Seite 4

Bis 2010 sollen rund 1,5 Milliarden Euro an Synergieeffekten realisiert werden. Nach zusätzlichen Sparpotenzialen werde gesucht, sagte CEO Beresford- Wylie. Der Aufwand für Restrukturierungsmaßnahmen wird ebenfalls auf etwa 1,5 Milliarden Euro geschätzt.

Tausende werden Job verlieren

Das geht in erster Linie auf Kosten der Mitarbeiter. Zwischen 6000 und 9000 Stellen könnten in den kommenden Jahren wegfallen, hieß es. Das entspricht zehn bis 15 Prozent der rund 60000 Köpfe zählenden Belegschaft des Joint Ventures. Insider sprechen sogar von bis zu 20 000 Jobs, die gestrichen werden müssten, um die Vorgaben einzuhalten. Wie viel der rund 32000 Mitarbeiter, die Siemens beisteuert, davon betroffen sind, ist noch unklar. Arbeitnehmervertreter machten bereits deutlich, dies nicht kampflos hinnehmen zu wollen. Sie forderten die Konzernführung auf, alle Standorte zu erhalten und von Entlassungen Abstand zu nehmen. Die Abspaltung der Com-Sparte sei ein schwerer Fehler, warnten sie.

Ob Nokia die Probleme von Siemens’ Com-Sparte lösen kann, ist unter Analysten umstritten. Bislang hätten die Finnen keinerlei Erfahrung mit Fusionen dieser Größenordnung, meinen die Kritiker. Zudem fehle dem Handy-Spezialisten das Know-how im Festnetzgeschäft. Gerade in diesem Segment sei der Druck aber am größten, wie die Probleme der Münchner in der Vergangenheit gezeigt hätten. (ba)