Jobofferten im Internet bergen Überraschungen

Noch wenig Akzeptanz für Online-Bewerbungen

25.09.1998

Axis befragte 500 Großunternehmen und zusätzlich 192 IT-Firmen. Der überwiegende Teil stellt zwar Stellenangebote (211 von 394 Unternehmen) ins Netz, doch nur ein Bruchteil, und zwar 19, bietet auch die Möglichkeit, sich per E-Mail direkt zu bewerben. Zwar dienen die Jobofferten als Lockmittel für wechselwillige Internet-Surfer.

Wem es jedoch ernst ist mit der Bewerbung, sollte vorsichtig sein. Nicht selten, fand Axis heraus, landen die Unterlagen nämlich bei Systemadministratoren oder Öffentlichkeitsarbeitern. "Für ein sensibles Gut wie eine persönliche Bewerbung eine höchst denkwürdige Praxis", kommentiert Axis-Geschäftsführer Dieter Möllhoff.

Richtig spannend wurde es bei der Probe aufs Exempel. Eine Testbewerbung, in der sich ein junger BWL-Absolvent mit schnellem Studium, Auslands- und ersten Berufserfahrungen beworben hatte, förderte folgende Ergebnisse zutage: Mal war die E-Mail-Funktion inaktiv, mal erhielt er eine Eingangsbestätigung per gelber Post. In den meisten Fällen aber bekamen die Tester innerhalb der ersten zwei Wochen überhaupt keine Antwort - weder elektronisch noch per Post. Und das trotz erfolgversprechenden Profils.

Daß man Unternehmen wegen ihrer Defizite nicht an den Pranger stellen soll, dafür plädiert Walter Leberl, der sich als Personalberater in München seit Jahren auf den Online-Stellenmarkt spezialisiert hat. "Haben Sie schon einmal 20 bis 30 E-Mail-Bewerbungen mit unterschiedlichen Anhängen geöffnet?" Mit den unterschiedlichsten Text- und Grafikprogrammen, Internet-Browsern, ja sogar Präsentationspaketen müsse der entsprechende Sachbearbeiter der Personalabteilung ausgestattet sein. Allein der Ladevorgang pro Bewerbung nehme mindestens 15 Minuten in Anspruch - vom anschließenden Ausdruck einmal abgesehen. "Hier wird die Aufbereitung der Bewerbungsunterlagen auf den Empfänger abgewälzt", redet hier einer Klartext.

Nachdenklich gibt sich auch Manfred Ohl, Leiter der Personalentwicklung der Software AG. "Online-Bewerbungen sind mit Tücken versehen. Kinderkrankheiten haben wir aber inzwischen überwunden."

Direktbewerbungen landeten ausschließlich in den Eingangskörben der Personalreferenten. Spätestens nach zwei Tagen wurde jeder Eingang via E-Mail bestätigt. Einladungen zu den Vorstellungsgesprächen erhielten die Bewerber jedoch nach wie vor auf herkömmlichem Wege.

Für Gabriele Schmitz, Personalleiterin bei Ericsson in Düsseldorf, steckt die Online-Bewerbung noch in den Kinderschuhen. Interne Abläufe der meisten Firmen seien darauf noch nicht eingestellt. "Wenn wir ganz ehrlich sind, ist auch ein bißchen Bequemlichkeit dabei." Wer sich bei Ericsson bewirbt, könne sicher gehen, daß seine Daten grundsätzlich in der Personalabteilung oder bei der Geschäftsleitung landen. Ob das weitere Verfahren dann mit gelber Post oder komplett über das Internet abgewickelt wird, "sollte man nicht auf die Goldwaage legen". Auf jeden Fall müsse eine prompte Reaktion erfolgen. "Dies erwarte ich übrigens auch von Interessenten, die wir anschreiben", sagt die Ericsson-Managerin unverblümt.

Bewerber sollten sich also genau überlegen, wie sie sich auf dem Personalmarkt präsentieren. Wer sich für ein Online-Angebot interessiert, sollte zunächst überprüfen, ob die Stelle überhaupt noch zu vergeben ist. Ein Telefonanruf müßte Klarheit schaffen. Nach wie vor dominieren Stellenangebote für IT-Spezialisten, die oft als freie Mitarbeiter in Projekten zum Einsatz kommen. Hier reicht ein kurzes Anschreiben und die Zusammenfassung von jüngsten Tätigkeiten vollkommen aus. Wer sich jedoch für ein Angestelltenverhältnis interessiert, sollte nach dem Stand der Dinge den traditionellen Weg favorisieren. Damit ist er auf der sicheren Seite.

Etwas mehr Begeisterung zeigen die IT-Firmen. Andreas Benkowitz von Microsoft in München: "Bei uns sind E-Mail-Bewerbungen willkommen. Die Post geht direkt an die Personalabteilung, wo sie auch bearbeitet und den Fachabteilungen zur Verfügung gestellt wird." Microsoft beruft sich auf eine angemessene IT-Struktur, die das Problem heterogener Datenformate lösen könne. Dies steigere die Ablaufgeschwindigkeit, Eingangsbestätigungen oder Absagen könnten schneller erfolgen. "Der Trend geht eindeutig zu elektronischen Bewerbungsformen", so Benkowitz.

Auch Hartmut Hillebrand, Personalleiter von SAP, kann nur Positives berichten. Alle offenen Stellen stünden auf der Home- page, und jeder Interessent könne sich über ein spezielles Online-Formular direkt bewerben. Bis zu 100 Bewerbungen pro Tag registriert SAP auf diesem Weg. Sofort nach Eintreffen der Nachricht erhalte der Bewerber eine E-Mail-Bestätigung. "Die Unterlagen werden automatisch in unser Bewerberverwaltungssystem weitergeleitet. Online-Bewerbungen werden intern genauso wie andere Bewerbungen behandelt - nur schneller." In Walldorf ist man zuversichtlich, daß sich die neue Bewerbungsform in der IT-Branche weiter etablieren wird.

Die Erfahrungen von Microsoft und SAP werden durch die Axis-Untersuchung nicht bestätigt. Zwar zeigen sich die befragten Unternehmen aufgeschlossen für die neuen Spielarten des Personal-Marketings. Allerdings versäumen die meisten Firmen, ihre internen Büroabläufe mit dem Online-Prozeß zu koordinieren. Ergebnis: E-Mails bleiben liegen, herkömmliche Bewerbungen werden bevorzugt behandelt. Im Debis-Systemhaus ist das Problem bekannt. Personalleiter Karl-Heinz Stroh: "Die Prozesse innerhalb des Personalbereichs müssen durch die Nutzung des Internet konsequent reorganisiert werden." Noch in diesem Jahr soll ein neues Intranet-basiertes Bewerbungssystem eingeführt werden, das auch die ehrgeizigen Personalentwicklungsziele des Konzerns maßgeblich unterstützen soll.

Winfried Gertz ist freier Journalist in München.