Zachmanns 13 Thesen: Acht Richtige, vier unentschieden, einmal daneben

Noch kein Nachfolger für 370-Architektur in Sieht

10.05.1985

ESCHBORN (CW) - 13 Thesen wagte William Zachmann vor rund einem Jahr auf der IDC-Briefing-Session 1984. Was von seinen Vorhersagen eingetroffen ist und was nicht, bewertete die IDC-Deutschland GmbH, Eschborn, jetzt in ihrem Jüngsten Newsletter "Markt-Info-Service".

Danach sind acht der Zachmann-Prognosen eingetroffen, vier lassen sich nicht bewerten und mit einer Vorhersage lag der Technik-Guru daneben (siehe Kasten). Hier einige ausgewählte Thesen von 1984 und die IDC-Wertung heute:

These 6: Neue bedeutsame Entwicklungen von optischen Speichern sind zu erwarten

Eine Vorhersage, die mit wenig Risiko verbunden war. Es lag fast auf der Hand, daß 1984 neue Produkte im Bereich der Optischen Platten auf den Markt kommen würden. Filenet, Pioneer, Optical Storage International, Alcatel Thompson, Hitachi und Denon waren unter den Anbietern. Die Aktivitäten spielten sich jedoch hauptsächlich im OEM-Bereich ab. Von besonderer Bedeutung sind die Bemühungen der Forschungsabteilungen der Hauptanbieter im Bereich der kompakten Optischen Platten (CD-ROMs). Diese Anstrengungen dürften in nicht allzu ferner Zukunft auch zu Produkten für den Endanwender führen.

These 7: Das Ende der 360/370-Architektur zeichnet sich ab

Dies war die risikoreichste Vorhersage, und es kann nicht eindeutig entschieden werden, ob sie sich nun erfüllt hat oder nicht.

Die neuen Flaggschiffe der Sierra-Familie, IBM 3090/200 und 3090/ 400, bedeuten sicherlich keinen radikalen Bruch mit der alten Architektur, welche 20 Jahre lang die Branche geprägt hat. Doch sie stellen einen weiteren Schritt auf dieses Ende hin dar. Bedeutsamer in diesem Zusammenhang sind die wachsenden Anzeichen, daß sich IBM von dieser Architektur weg bewegt hin zu kleinen und mittleren Anlagen. IBMs "heißestes Eisen" unter den neuen Produkten ist das System /36. Und diese kann sicher nicht als Fortsetzung der bisherigen Hauptlinie der Architektur eingestuft werden. Ein "Volltreffer" war Zachmanns diesbezügliche Vorhersage sicher nicht, vor allem nicht, wenn man einbezieht, daß er das Ende der überholten 360/370-Architektur für die nächsten 12 bis 18 Monate prognostizierte. Damit müßte die 370 gegen Jahresende 1985 "out" sein, dies wird jedoch wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen.

These 8: Multi-Mikroprozessorsysteme gewinnen bedeutsam an Boden

Diese Vorhersage ist voll und ganz eingetroffen. Obwohl Synapse einige Probleme zu haben scheint, geht es den anderen Anbietern gut. Einige neue Hersteller sind in den Wettstreit eingetreten, insbesondere Stratus scheint sich zu etablieren und kündigte einige neue Modelle an. Auch das neue fehlertolerante System von IBM, das System 88, basiert auf einer Entwicklung von Stratus. Encore Systems, ein Newcomer kann zu ihren Gründungsmitgliedern Ken Fisher (Gründer von Prime) und Gordon Bell (ehemaliger Vicepräsident der technischen Abteilung von DEC) zählen. Encore beabsichtigt, Multi-Mikroprozessorsysteme mit einer Leistung bis maximal 100 Mips zu bauen. Auragen und Sequent sind weitere Beispiele für Anbieter dieser Systeme.

These 10: ADA wird 1984 in den Vordergrund treten

Dies ist die einzige Prognose, von der man mit Bestimmtheit sagen kann, daß sie falsch war. Immer neue Verzögerungen in der Fertigstellung von ADA-Compilern für IBM- und DEC-Architekturen trugen zu fortgesetzten Unklarheiten hinsichtlich der Programmiersprache ADA bei. Sicherlich hat ADA von der Struktur und Funktionalität her die Kraft, sich sowohl für kommerzielle Benutzer als auch für militärische Anwendungen als bedeutsame Sprache zu erweisen. Dies war jedoch im letzen Jahr mit Sicherheit nicht der Fall. Und wenn sich die Verzögerungen in der Compiler-Entwicklung weiter fortsetzen, werden die Aussichten für ADA immer schlechter werden.

These 12: Es wird keine breite Hinwendung zu "Unix" geben

Wer die zurückliegende Ankündigungswelle von Hardwareherstellern von Unix-Versionen vor Augen hat, mag sich nur schwerlich dieser Prognose von Will Zachmann anschließen. Selbst unter IDC-Kollegen gibt es hier stark zu Zachmanns These abweichende Ansichten, insbesondere seit IOC die in den USA als Unix-Experten bekannte Marktforschungsgruppe Yates-Ventures übernommen hat. Andererseits muß man Zachmann zugute halten, daß 1984 kaum einer der Unix-Anbieter nennenswerte Stückzahlen verkauft hat. Selbst AT&T mußte sich mit schleppendem Absatz für ihr Unix-System 3B-Serie abfinden.

Hauptursache für die noch nicht auf Volldampf laufende Verbreitung von Unix-basierten Systemen scheint in der mangelnden Verfügbarkeit von kommerzieller Anwendungssoftware zu liegen.

Aber selbst wenn man unterstellt, daß mehr verfügbare Applikationen Unix zur schnelleren Verbreitung verhelfen würden, ist der von AT&T werbestark verbreitete Slogan "Unix - die Bewegung der Zukunft" in mancher Hinsicht anzuzweifeln. Unix ist für den kommerziellen Benutzer nach wie vor nicht sehr effizient, es sei denn, dieser ist ein wirklicher Könner. Die vielgerühmte Benutzerfreundlichkeit wird vermißt. Die als Stärke von Unix herausgestellte Portabilität wird schon allein dadurch eingeschränkt, daß es inzwischen bereits 27 verschiedene Versionen hiervon gibt, die mehr oder weniger inkompatibel untereinander sind. Im Markt der Büroautomation ist Unix unbedeutend, für Einplatzsysteme bedeutet seine Komplexität den sicheren Tod.

Ob sich dies durch die zunehmende Zahl von Befürwortern (inzwischen gibt es sogar schon einen europäischen Unix-Club) aufwiegen läßt scheint zumindest für absehbare Zeit doch zweifelhaft. Für Will Zachmann bleibt Unix nicht mehr als "Eines unter vielen" Betriebssystemen.