Noch hat sich Cyberspace als Jobboerse nicht etabliert Elektronische Stellenvermittlung: Personaler sind skeptisch

03.02.1995

In den USA sind Online-Dienste bereits zu einer wichtigen Jobboerse geworden. Spaetestens in zwei Jahren, so meinen Kenner, muessen sich die Personalchefs auch hierzulande mit den neuen Realitaeten auseinandersetzen. Auf jeden Fall vermitteln Firmen, die heute schon ueber das Internet Personal suchen, den Eindruck, innovativ und fortschrittlich zu sein, und sammeln dadurch zusaetzliche Pluspunkte bei Bewerbern. Von grosser Begeisterung bis Ignoranz reichte die Bandbreite der Reaktionen auf die Frage der CW nach Nutzungsmoeglichkeiten von elektronischen Stellenangeboten.

Personalchefs standen nie im Ruf, besonders innovationsfreudig zu sein. Ihr Image als Aktenverwalter sind sie bis heute nicht losgeworden. Immerhin, so scheint es, haben sie die Notwendigkeit erkannt, im eigenen Ressort verstaerkt auf Computertechnik zu setzen. Laut einer Studie der BSU Unternehmensberatung, Hamburg, wollen mehr als ein Drittel von 400 befragten Unternehmen ihre Investitionen in DV-Systeme fuer die Personalwirtschaft um zehn Prozent erhoehen.

Zurueckhaltend sind die Personal-Manager allerdings noch, wenn es darum geht, bei der Suche nach Mitarbeitern neue Medien zu nutzen. Man setzt auf Bewaehrtes, also auf Stellenanzeigen in den Wochenendausgaben der Tageszeitungen. Vor allem grosse Unternehmen argumentieren damit, dass sie kaum in der Lage sind, den Berg von Initiativbewerbungen zu bewaeltigen, geschweige denn, sich noch um die Pflege eines zusaetzlichen elektronischen Systems zur Jobvergabe zu kuemmern.

Auch Personalberater Wolfgang Tautz gibt zu, dass fuer ihn das Thema neu ist. Der ehemalige Kienbaum-Berater und seit kurzem Partner bei Pro Search in Muenchen: "Bisher hat kein Kunde danach gefragt, selbst Unternehmen aus der DV-Branche nicht." Auch fuer so renommierte und weltweit agierende Personalberatungsunternehmen wie Heidrick & Struggles ist elektronische Jobsuche kein Thema, wie eine Beraterin einraeumte.

Elmar Reindl vom mittelstaendischen Softwarehaus Infora bevorzugt klassische Personal-Marketing-Instrumente, etwa die Teilnahme an Hochschulkontaktmessen oder die Anzeige in einer renommierten Tageszeitung.

"Das ist eine Frage des Images", die nicht zu unterschaetzen sei, bekennt der Software-Manager.

Dass es auch anders geht, zeigt der Fall des Beratungshauses Andersen Consulting. Das Unternehmen ist eigenem Bekunden nach immer an guten Mitarbeitern interessiert und engagiert sich schon seit Jahren im Universitaetsumfeld, da es bevorzugt Absolventen einstellt.

Seit drei Monaten nun sucht die Sulzbacher Consulting-Firma Berufseinsteiger auch ueber das Internet. Sigrid McGoldrick ist mit dem bisherigen Ergebnis zufrieden: 40 bis 50 Anfragen und drei Einstellungen. "Die Qualitaet der Bewerber, die sich auf ein Inserat in der Tageszeitung hin melden, ist oft besser" raesoniert Frau McGoldrick, allerdings muesse man beim Internet in Betracht ziehen, dass so gut wie keine Kosten entstuenden. Andersen stellt naemlich seine Angebote in ein Diskussionsforum, eine sogenannte Newsgroup, fuer deren Nutzung keine Gebuehren anfallen (siehe Kasten).

Der Berliner Unternehmensberater Horst Riese rekrutiert bereits seit zwei Jahren Personal ueber das Internet. Fuer ihn sind der geringe Aufwand sowie die schnelle und unkomplizierte Form der Kommunikation wichtige Argumente: "Bis ich die Annonce in der Tageszeitung unterbringe, bis die Bewerber antworten, das geht mir alles viel zu langsam." Er sagt aber auch: "Es hat keinen Sinn, auf diese Weise nach einem Buchhalter Ausschau zu halten." Geeignet sei das Medium vor allem, wenn man Projektmitarbeiter benoetige.

Genau diese Zielgruppe, aber auch Freiberufler hat die hollaendische Personalberatung JCC BV aus Rotterdam im Visier, die eigenen Angaben zufolge Fachleute fuer europaweite Projekte vermittelt. Berater Michel Vestdyk hat bisher via Internet einer Handvoll DV-Profis zu einem Engagement verholfen, ist aber mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden.

Er wuenscht sich mehr Aufmerksamkeit von seiten der europaeischen Bewerber: "Auf unsere Offerten melden sich noch zu viele Amerikaner." Vestdyk will aber dranbleiben, denn er glaubt, dass die Kombination von E-Mail, wofuer er das Internet intensiv nutzt, und Jobboerse den Unternehmen entgegenkommt, die den Faktor Geschwindigkeit zu ihrem Vorteil verwerten koennen.

Weil Wilhelm Buehler zu den Arbeitnehmern gehoert, die den Jobwechsel zu Beginn dieses Jahres mit Hilfe des Internet taetigten, ist er vom "Cyberspace" als Umschlagplatz fuer Jobs begeistert. Auf das Stellengesuch des Softwarespezialisten haben sich zehn Unternehmen per E-Mail und fuenf telefonisch gemeldet. Er sagt aber auch: "Die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen." Seiner Erfahrung nach sind es vor allem kleine Softwarehaeuser, die sich der Online-Dienste bedienen. Er glaubt, dass in erster Linie Geschaeftsfuehrer, die gleichzeitig auch Entwicklungschefs sind, das Internet als Jobboerse in Anspruch nehmen.

Die Bundesanstalt fuer Arbeit will sich nicht nachsagen lassen, den Zug der Zeit zu verpassen, und probt mit ihrem Projekt "Eures" ebenfalls Wege der elektronischen Arbeitsvermittlung. Der europaweite Dienst ist kostenlos. Im Rahmen von Eures nehmen sogenannte Euroberater in den Bueros der regionalen Fachvermittlungsdienste die Daten von Bewerbern und Unternehmen auf, die sich fuer eine Arbeit im Ausland interessieren beziehungsweise freie Stellen offerieren. Die Angebote werden dann in Nuernberg gesammelt und nach Bruessel in eine Datenbank weitergeleitet, auf die alle EU-Staaten Zugriff haben.

Eine zweite Datenbank "Info 92", die in Luxemburg aufgebaut wird, enthaelt detaillierte Informationen ueber die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Muenchner Euroberater Eike Lenz freut sich ueber die gute Resonanz auf dieses Programm, meint aber, dass das Angebot eher fuer hochqualifizierte Bewerber in Frage komme: "Ich glaube nicht, dass eine Firma aus Dublin unbedingt einen Sachbearbeiter aus Deutschland einstellen wird."

Eher ein Schattendasein in Sachen elektronische Jobvermittlung - und das, obwohl es ueber 750 000 Teilnehmer vorweisen kann - fuehrt Datex-J. Die Telekom-Tochter Detecon veroeffentlicht seit acht Monaten alle Stellenangebote auch elektronisch, parallel zu den Inseraten in Tageszeitungen. Susanne Herchenbachs Begeisterung haelt sich dabei in Grenzen. Der Kommentar der Personalfrau: "Wir hoffen, dass die Akzeptanz steigen wird", zeigt, dass man sich von diesem Service mehr versprochen hatte. Bisher koenne man im Durchschnitt etwa fuenfzehn Anfragen taeglich registrieren. Auf Interesse stiessen in erster Linie Angebote fuer das Ausland und fuer hochqualifizierte Stellen. Seit einigen Wochen stellt auch die COMPUTERWOCHE ihre Anzeigen, die in der jeweiligen Freitagsausgabe erscheinen, den Datex-J-Interessenten zur Verfuegung.

Wenig positiv faellt das Urteil ueber den elektronischen Dienst Compuserve aus. Meinrad Mueller, Geschaeftsfuehrer der "Alpenland Arbeitsvermittlung" aus Grafrath, raeumt diesem Service deshalb keine grossen Chancen ein, weil er in Deutschland zuwenig genutzt werde - nicht einmal 100 000 Teilnehmer sind es zur Zeit. So koenne man die Angebote im Forum "Job & Business" an einer Hand abzaehlen.

Mueller nutzt Datex-J und Compuserve dafuer, um seinen Karteikasten zu fuellen. Wenn dann ein Personalchef zum Beispiel einen Software- Entwickler sucht, beglueckt er ihn mit einer Diskette, die ein Paket von Lebenslaeufen enthaelt - datenschutzgerecht aufbereitet. Diese Art von Arbeitsvermittlung stoesst bei Personalchefs auf wenig Gegenliebe, auch wenn Mueller provozierend sagt: "Im High-Tech- Zeitalter kann man eine Bewerbung doch nicht mehr mit Folien bestuecken und per Boten schicken."

Jobs im Internet

Etwa 150 Datenbanken informieren ueber Stellengesuche und -angebote im Internet. Ausfuehrliche Auskuenfte erteilt Margaret F. Riley, Circulation Librarian, Worcester Polytechnic Institute, 100 Institute Road, Worcester, MA 01609, Telefax 001-508-831-58 29, mfrileye wpi.edu.

Deutsche Jobangebote gibt es in den Newsgroups "bln.jobs" fuer Berlin und Umgebung und fuer Deutschland allgemein in "de.markt.jobs" beziehungsweise "de.markt.jobs.d".

Wer es professioneller mag, kann sich von Service-Providern eine richtige Anzeigenseite inklusive Unternehmensprofil, auch mit grafischen Elementen, erstellen lassen. "Venturenet", Dortmund, verlangt zum Beispiel fuer 50 KB 150 Mark im Monat. Die "weltweit erste Mailbox fuer Stellenanzeigen" mit der Bezeichnung "Chiffre- Net-Online" haben Bratislav und Milan Andrejic aus Frankfurt am Main zur CeBIT angekuendigt. Bei ihnen kostet eine Bildschirmseite fuer eine gewerbliche Stellenanzeige 3200 Mark, das private Gesuch dagegen 150 Mark.