IDG-Studie Arbeitsplatz der Zukunft

Noch genug Luft nach oben

12.09.2017
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Mit einer Studie zum „Arbeitsplatz der Zukunft“ hat IDG die Anforderungen von Unternehmen und Mitarbeitern analysiert. Das Thema umfasst technologische, organisatorische und kulturelle Veränderungen. Zudem gibt es keinen Schlusspunkt in der Entwicklung: Der Weg ist das Ziel.

In Zukunft lassen sich Beruf und Leben einfach miteinander vereinbaren, das Ambiente im Büro ist angenehm, Arbeitszeiten sind flexibel, und jeder kann immer von überall auf sämtliche Informationen zugreifen, wobei ihn intelligente Applikationen bestmöglich unterstützen. Das Problem: Von dieser Traumwelt sind wir heute weit entfernt - wie weit, hat IDG mit einer aktuellen Studie zum "Arbeitsplatz der Zukunft" (AdZ) analysiert. Ergebnisse der Untersuchung werden auf der "Zukunft Personal" am 20. September 2017 in Köln sowie auf dem IBM Watson Summit am 10. Oktober in Frankfurt präsentiert.

Den einen Arbeitsplatz der Zukunft gibt es nicht. Für jede Position und Rolle muss eine individuelle Lösung gefunden werden.
Den einen Arbeitsplatz der Zukunft gibt es nicht. Für jede Position und Rolle muss eine individuelle Lösung gefunden werden.
Foto: sdecoret - shutterstock.com

Vor den Unternehmen liegt eine echte Herausforderung: Rund 18 Millionen Büroarbeitsplätze stehen in Deutschland, 16 Prozent mehr als noch 2007. Zudem gibt es nicht den einen Arbeitsplatz der Zukunft - für jede Position und Rolle wird eine individuelle Lösung gesucht, die sich effizient bereitstellen und steuern lässt. Mal reicht eine Software, mal braucht es eine umfassende Vision. Auch wenn die anstehenden Veränderungen in Organisation, Technologie und Kultur gewaltig sind, müssen sich Unternehmen wohl oder übel auf den Weg machen, um die Dynamik der digitalen Transformation aufzugreifen und Mitarbeiter an sich zu binden.

Die Notwendigkeit ist den Unternehmen bewusst

In der vorliegenden IDG-Studie zeigt sich, dass diese Notwendigkeit vielen Unternehmen durchaus bewusst ist: Knapp zwei Drittel der Firmen haben sich bereits auf den Weg gemacht, zumindest nach Einschätzung ihrer Mitarbeiter. Aufseiten der Unternehmen, die sich mit dem Arbeitsplatz der Zukunft beschäftigen, wird das Thema als eine der wichtigsten Herausforderungen wahrgenommen. Sie rangiert gleich hinter dem Dauerbrenner IT-Sicherheit und vor den klassischen Aufgaben Personal, Produktion und Vertrieb. Der Abstand zu aktuellen Hypes wie Analytics, Internet of Things und Industrie 4.0 fällt überraschend groß aus. Bei den Argumenten der Unternehmen, die sich vorerst gegen die Reise zum Arbeitsplatz der Zukunft entschieden haben, dominieren übergreifende Faktoren: keine Strategie, keine passende Organisation und vor allem keine Priorität. Erst dahinter folgen konkrete Gründe wie Skill-Mangel, Kosten sowie unklare Sicherheit und Compliance.

Das Thema "Arbeitsplatz der Zukunft" wird von den Unternehmen als eine der wichtigsten Herausforderungen betrachtet.
Das Thema "Arbeitsplatz der Zukunft" wird von den Unternehmen als eine der wichtigsten Herausforderungen betrachtet.

Unternehmensweite Strategien zum Arbeitsplatz der Zukunft

Mehr als ein Drittel aller befragten Organisationen hat eine unternehmensweite Strategie zum Arbeitsplatz der Zukunft entwickelt, hinzu kommen noch einmal 27 Prozent, bei denen die Umsetzung neuer Arbeitsplatz- und Mobilitätskonzepte abteilungsweise strategisch angegangen wird. Nur jedes siebte Unternehmen hat bislang auf eine Strategie verzichtet. An den Zielen einer AdZ-Initiative zeigt sich die ganze Komplexität des Vorhabens: Hier liegen die Schlagworte Flexibilität, Agilität und Produktivität weit vorne. Mit geringem Abstand folgt die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit, um diese an das Unternehmen zu binden. Die höhere Attraktivität als Arbeitgeber und die moderne Unternehmenskultur landen knapp dahinter. Es dominieren die "soften" Themen wie Freundlichkeit gegenüber Kunden, Betriebsklima, Innovation und Kreativität. Weiter hinten landen Aspekte wie Regulierung, Fehlzeiten und Geschäftsmodelle. So ist der Arbeitsplatz der Zukunft tendenziell das, was jeder Einzelne darunter versteht.

Bei den AdZ-Merkmalen gehen die Einschätzungen auseinander. Aus Unternehmenssicht zählen in erster Linie Mobilität und Technologie, gefolgt vom Überdenken von Arbeitszeitmodellen und / oder Home-beziehungsweise Remote-Arbeit. Getrieben wird dies einerseits durch den Wunsch vieler Mitarbeiter nach Flexibilität, andererseits aber auch durch die Notwendigkeit zur Integration räumlich getrennter und nach Bedarf zusammengestellter Teams. Trendbegriffe wie Automatisierung, Robotics und KI sind auf dem Radar, jedoch spielen sie in dieser Phase noch keine gewichtige Rolle.

Wo werden Mitarbeiter in Zukunft arbeiten?

Aus Sicht der Mitarbeiter wird der Themenkomplex in erster Linie durch die Frage eingegrenzt, wo sie in Zukunft arbeiten. So liegen die Begriffe Home, Remote und Mobilität in den Nennungen weit vorne. Auf der zweiten Position landet die Technologie beziehungsweise die verstärkte Nutzung technischer Möglichkeiten. Dieser Punkt ist Grundvoraussetzung für das Aufbrechen des traditionellen Arbeitsmodells - bezüglich der Konnektivität, der Zusammenarbeit und der Sicherheit. Einzelne technische Aspekte wie Devices und Cloud-Nutzung finden sich weiter hinten in der Rangfolge. Darunter rangiert aus Sicht der Mitarbeiter bereits die "Veränderung der Unternehmenskultur". Hier müssen das Management sowie die Angestellten dicke Bretter bohren und viel Zeit einkalkulieren. Mit knapp 62 Prozent ist der Wert jedoch so hoch, dass der kulturelle Wandel nicht als "nice to have" abgetan werden kann.

Der Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft beginnt vielerorts nicht bei null. Ein Großteil der Firmen, die Mobilität und Flexibilität fördern wollen, hat bereits notwendige Tools im Einsatz. Die Telefonkonferenz ist der Spitzenreiter bei den Werkzeugen zur Zusammenarbeit, und auch Workgroup-Lösungen sind etabliert. Video- und Web-Konferenzen bekommen ebenfalls hohe Werte beim Einsatz. Den größten Bedarf gibt es aus der Unternehmensperspektive bei den Punkten "Self Help" und "Collaborative Reviewing". Einmal sollen die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, den grundlegenden Support selbst zu leisten - etwa abends oder unterwegs. Zum anderen geht es um die gemeinsame, gegebenenfalls auch zeitgleiche Arbeit an Business-Dokumenten, was über das reguläre Filesharing hinausgeht.

Unterschiede in der Bewertung der Relevanz der Tools

Bei den Mitarbeitern fallen die Abweichungen zwischen "Bedarf" und "Bereits verwendet" der Tools im Durchschnitt höher als bei den Unternehmen. Auch finden sich große Unterschiede in der Bewertung der Relevanz zwischen beiden Gruppen. So kommt beispielsweise Social Media in Summe (Bedarf + Bereits verwendet) bei Organisationen auf rund 64 Prozent, während die Mitarbeiter Bedarf und Einsatz sozialer Medien nur auf 40 Prozent addieren. Klarer Sieger beim Bedarf in der Belegschaft ist das Online-Projektmanagement. Mit steigender Mitarbeiterzahl und IT-Budget der Organisation wächst zudem die Nachfrage nach derartigen Tools. Self Help ist ebenfalls gefragt, um im ersten Schritt eine Lösung ohne den offiziellen Support zu finden.

Dass sich Aufwand und Investitionen indirekt auszahlen, liegt nahe. Schließlich sehen Mitarbeiter viele Vorteile, die sich aus dem Arbeitsplatz der Zukunft ergeben können. Für über 60 Prozent überwiegen die Chancen der Entwicklung gegenüber den Risiken. Im Mittelpunkt stehen hier Begriffe wie Freiheit, Selbstbestimmung und Ungebundenheit. Unternehmen sind gut beraten, den großen Vertrauensvorschuss nicht zu verspielen. Sie müssen die Arbeitnehmer in die Entwicklung mit einbinden und ihre persönlichen wie beruflichen Anforderungen in Erfahrung bringen.

Mitarbeiter involvieren

Hier offenbart sich eine große Lücke: Nur gut ein Drittel der Unternehmen hat seine Mitarbeiter auf dem Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft befragt, knapp ein Drittel informiert seine Belegschaft regelmäßig über den Prozess. Ähnlich viele Organisationen haben den Bedarf analysiert, und nur jede vierte Firma hat Arbeitsgruppen eingesetzt beziehungsweise Nutzerprofile erstellt. Die Antworten der Mitarbeiter liegen insgesamt auf einem ähnlichen Niveau - mit Unterschieden in der Reihenfolge. So geben deutlich mehr Mitarbeiter an, dass Arbeitsgruppen eingesetzt wurden - vielleicht eine Folge der Selbstorganisation, deren Maßnahmen auf den höheren Ebenen nicht aufgefallen sind.

Nur gut ein Drittel der Unternehmen hat seine Mitarbeiter auf dem Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft befragt.
Nur gut ein Drittel der Unternehmen hat seine Mitarbeiter auf dem Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft befragt.

Die Analyse des IT-Bedarfs ist ein entscheidender Punkt: Über 80 Prozent der Mitarbeiter sehen Raum zur Verbesserung ihrer technischen Ausstattung am Arbeitsplatz, nur jeder Achte ist rundum zufrieden. Und fast jeder Vierte ist der Meinung, dass sein Arbeitsplatz noch weit von einem AdZ entfernt ist. Wer remote arbeitet, kennt das Phänomen: Es gibt einen Unterschied zwischen den Einschätzungen der IT und den eigenen Erfahrungen, was Stabilität und Performance der Netzwerkverbindung betrifft. Gut 66 Prozent der Mitarbeiter wünschen sich flexiblere Arbeitszeitmodelle sowie einen standortunabhängigen Zugriff auf alle Daten. Knapp dahinter liegen eine schnelle Netzwerkanbindung und papierlose Prozesse. Bring Your Own Device (BYOD) und Social-Media-Kommunikation - Hypes aus den vergangenen Jahren - haben für Mitarbeiter heutzutage nur eine relativ geringe Bedeutung.

Risiken des Konzepts

Das Konzept vom Arbeitsplatz der Zukunft birgt nicht nur Chancen, sondern auch viele Risiken für Unternehmen wie für Mitarbeiter. An den deckungsgleichen Top-Bewertungen zeigt sich, wie ambivalent der Wandel zu modernen Arbeitsmodellen erlebt wird. An erster Stelle liegt die Angst, phasenweise nicht mehr über das Internet arbeiten zu können, also offline und damit unproduktiv zu sein. Gleichzeitig wird jedoch auf das Risiko der permanenten Verfügbarkeit als Erwartungshaltung der "Kunden" verwiesen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Mitarbeiter nur dann den Arbeitsplatz der Zukunft als positiv empfinden, wenn sie sich zu 99,9 Prozent auf die Connectivity verlassen können - ein Tag pro Jahr kann immer mal ausfallen. Weniger Freizeit für den Einzelnen (mehr "Selbstausbeutung") und weniger Festanstellungen, wodurch das unternehmerische Risiko verlagert wird, zählen ebenfalls zu den großen Sorgen. Hinzu kommt die Transparenz der eigenen Leistung durch neue Technologien - was allerdings auch in klassischen IT-Umgebungen möglich wäre.

Für Unternehmen wird der Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft darüber entscheiden, wie wirtschaftlich die eigenen Office-Prozesse ablaufen und wie zufrieden die Mitarbeiter mit ihrem Umfeld sind. Dabei schwingt die Frage mit, welcher Trend sich im Verhältnis von Firmen und Mitarbeitern langfristig durchsetzt: Die engere Bindung der beiden Partner über Arbeitszeit und Freizeit hinweg - oder der Drang nach Freiheit, der mehr On-Off-Beziehungen zur Folge haben kann. Momentan sieht es so aus, als sitzen die Mitarbeiter am längeren - demografischen - Hebel, und ihr Interesse am Arbeitsplatz der Zukunft ist groß. Unternehmen haben in den nächsten Jahren die Chance, in ihrem Sinne gegenzusteuern.

AdZ-Studie 2017

Die Studie zum Arbeitsplatz der Zukunft (AdZ) basiert auf einer Online-Befragung in der DACH-Region, in deren Rahmen im Zeitraum vom 2. bis 29. Juni 2017 insgesamt 1.519 abgeschlossene und qualifizierte Interviews durchgeführt wurden. Davon zeigen 1.075 Interviews die Unternehmenssicht und 444 Interviews die Perspektive der Arbeitnehmer. Grundgesamtheit sind strategische (IT-)Entscheider der obersten Führungsebene und der Fachbereiche, Entscheider und Spezialisten aus der IT-Organisation sowie Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen.

Partner der AdZ-Studie waren die UnternehmenBroadSoft, Workday,Avaya Deutschland, Kronos Systems BVBA, United Planet, ASG Technologies, Freudenberg IT, Swyx Solutions, KYOCERA Document Solutions Deutschland, Ivanti Deutschland, IBM Deutschland sowie sipgate.

Ergebnisse der Untersuchung werden präsentiert auf der "Zukunft Personal" am 20. September 2017 in Köln um 16.30 in Halle 3.2 sowie auf dem IBM Watson Summit am 10. Oktober in Frankfurt.

Sie finden die Studie auch im IDG-Studienshop hier.