Vor allem US-Anbieter profitieren vom hohen Wachstum bei PC-Software:

Noch ersetzt der Mikro die Schreibmaschine

08.11.1985

PARIS (pi) - In erster Linie auf sprachliche Barrieren sei es zurückzuführen, daß in Europa noch kein einheitlicher PC-Softwaremarkt entstanden sei. Auch in Zukunft werde dies eine retardierende Rolle spielen, vor allem hinsichtlich der Verbreitung von Textverarbeitungsprogrammen, die für PCs immer noch wichtigste Anwendung. Zu diesem Schluß kommt eine 650seitige Studie des Marktforschungsinstituts Intelligent Electronics Europe in Paris.

Gemessen an der Zahl der verkauften Pakete von 818 000 Stück im Jahr 1984 sei der europäische Markt immer noch klein. Für 1985 rechnen die Autoren jedoch mit einem Absatz von fast 1,6 Millionen Stück, was in etwa einer Verdoppelung gleichkäme.

Praktisch alle international renommierten Anbieter seien auf dem europäischen Markt präsent. Die meisten erzielten jedoch nicht genügend Umsatz, um eigene Vertriebsorganisationen zu begründen. Statt dessen arbeite man mit internationalen Software-Verkaufsorganisationen zusammen. Der wachsende europäische Markt würde jedoch für US-Anbieter zunehmend interessanter.

In diesem Zusammenhang betont die Studie, daß die späte Entwicklung von Vertriebs-Netzwerken ebenso wie die sprachlichen Probleme das Wachstum beeinträchtige. Die Übersetzung von Programmen in die jeweilige Landessprache sei mittlerweile zu einer vitalen Notwendigkeit geworden. Selbst in Ländern, in denen die Anwender die englische Sprache weitgehend beherrschen, sei eine ausgeprägte Ablehnung nicht übersetzter Programmpakete festzustellen. Aus diesem Grunde sei mit einer Wiederholung des Lotus-Erfolges in Zukunft nicht zu rechnen.

US-Anbieter dominieren der Studie zufolge alle Applikationen mit Ausnahme der Verwaltungen. Der Grund hierfür sei in den vielfältigen Besonderheiten der einzelnen Länder zu sehen sowie darin, daß in diesem Markt lokale Anbieter bevorzugt würden.

Software-Trends

Obgleich integrierte Pakete 1984 einen geringeren Umsatz erreichten als Textverarbeitung und Programme für die Administration, konnten sie doch das größte Interesse auf sich ziehen. Dies sei vor allem dem Bestseller Lotus 1-2-3 zuzuschreiben. Auch 1985 sei dieses Programm die Nummer eins, wenn auch mit sinkendem Marktanteil. Framework liegt nach der Studie vor Symphony.

Open Access soll auch in seinen besten Ländern an Boden verloren haben.

Insgesamt sagt Intelligent Electronics den integrierten Paketen trotz weiter steigendem Absatz einen künftig geringeren Marktanteil voraus. Es existieren mittlerweile bessere Lösungen, wie IBMs Assistant Series oder die Kombination von Multiplan, Chart und Word. Unter den Spreadsheets erreichte Multiplan einen Marktanteil von 60 Prozent,

wird jedoch in Zukunft die Konkurrenz von Lotus stärker zu spüren bekommen. Pakete wie Visicalc und Supercalc seien nicht länger wettbewerbsfähig, heißt es in der Studie.

In der Textverarbeitung, nach wie vor dem Hauptanwendungsgebiet für PCs, verkaufte sich 1984 Wordstar am besten. Diese Tendenz soll sich auch in diesem Jahr fortsetzen, wobei Marktanteile vor allem an Multimate verloren gehen werden. Auf diesem Sektor konnten sich lokale Anbieter relativ gut behaupten. Die Autoren sagen der Textverarbeitung für das laufende Jahr auch noch eine Steigerung der Anteile in der gesamten PC-Software voraus. Auch Datenbanken zeigten starkes Wachstum, wobei Ashton Tates Dbase II und III eine beherrschende Position innehaben, gefolgt von dem durch IBM vertriebenen PFS. Unter der Grafiksoftware wird Chart von Microsoft als Renner bezeichnet. Mit der zunehmenden Verbreitung lokaler Netze wächst die Nachfrage nach Kommunikationssoftware sprunghaft an.

Bei den Betriebssystemen für 16Bit-PCs liegt MS-DOS um Längen vor CP/M-86, das von den europawe operierenden Anbietern lediglich von Apricot und Victor angeboten wird.