Erfahrungsbericht "Modellversuch Versichertenausweis":

Noch drei Jahre bis Buffalo

05.05.1978

HANNOVER (uk) - Noch mindestens zwei bis drei Jahre wird es nach Ansicht von Projektleiter Hans-Jürgen Weimann von der Mannesmann Datenverarbeitung dauern, bis der Ende 1977 abgeschlossene Modellversuch "Versichertenausweis" zum, Krankenschein auf Plastikkarten" führt. Weimann informierte anläßlich einer Pressekonferenz der Adressograph-Multigraph über den Stand der Auswertungen des Modellversuchs, der vom 1. April bis 31. Dezember 1977 durchgeführt wurde. "Vorteile haben sich", so Weimann, "nicht nur für die Krankenkassen ergeben, die Patienten brauchen auch keinen Krankenschein mehr ausfüllen und in der Behandlungspraxis ergeben sich Zeitgewinne". Weimanns Zusammenfassung:

Im Kreis Rendsburg-Eckernförde wurde vom 1. Apr. bis 31. Dez. 1977 der Modellversuch "Versichertenausweis" durchgeführt. Nach mehrjährigen Vorarbeiten ist damit die erste Bewährungsprobe für ein Projekt zu Ende gegangen, das nach seinem Abschluß in der gesetzlichen Krankenversicherung und bei deren Partnern weitreichende Fortschritte einleiten dürfte. In diesem Test wurden erstmals im großen Stil praktische Erfahrungen darüber gewonnen, ob sich mit Versichertenausweisen langfristig Verwaltungsarbeiten, Zeit und Kosten einsparen lassen. Nun schließt sich die Frage an; ob die Versichertenausweise bundesweit eingeführt werden sollen.

Das Gesamtprojekt nahm bereits 1974 mit der Aufgabenstellung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung seinen Anfang. Sie sah die "Entwicklung eines Datenträgers für Versicherten- und Leistungsdaten" vor, der die Legitimations-Funktion des Krankenscheins erfüllt, zugleich aber auch ein vielseitiger Informationsträger für die rationelle Datenerfassung und Datenverarbeitung bei den gesetzlichen Krankenkassen ist. Hiermit zeichnete sich von vornherein die Entwicklung einer EDV-Gesamtlösung ab, die den Kommunikations- und Organisationsbedingungen aller Beteiligten entspricht - der Krankenkassen, Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, Ärzte, Zahnärzte, Apotheken, Krankenhäuser und anderer Leistungsträger. Den Forschungs- und Entwicklungsauftrag erhielt 1974 die Mannesmann Datenverarbeitungs GmbH.

Die Schlüsselrolle hatte der Versicherte

Das Projektteam hat eine neuartige Konzeption entwickelt, deren Kernstück ein bislang beispielloser Datenträger ist, eine Plastikausweiskarte mit negativer Zeichenprägung. Die geprägten Daten sind visuell und zu- Modellversuch alle Komponenten herangereift, die das System verlangt: die Plastikausweiskarte selbst, Präge- und Codierterminals, stationäre und mobile Umdruckgeräte sowie die Datenerfassungsgeräte.

Für den Modellversuch ist eine "Arbeitsgemeinschaft Versichertenausweis-Test" (Vers. A.T.) gebildet worden, zu der insgesamt neun im Raum Rendsburg-Eckernförde aktive Krankenkassen gehören. Weitere Mitglieder sind die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein, die im Kreis ansässigen Ärzte und der Apotheker-Verein Schleswig-Holstein. Den wohl wichtigsten Mitwirkenden zuletzt: Die Schlüsselrolle kam zweifellos den Versicherten zu.

Der Kreis Rendsburg-Eckernförde ist für den Modellversuch ausgewählt worden, weil er besonders gute Parameter für eine bundesweite Anwendung bietet. In diesem Gebiet gibt es in einer vielschichtigen Bevölkerungsstruktur rund 160 000 Versicherte, die neun Krankenkassen repräsentieren, praktisch sämtliche auch sonst typischen Versicherungsträgerarten, hinzu kommen rund 130 Ärzte und etwa 30 Apotheken.

Umfassende Vorinformation

Die Versicherten sind über den Modellversuch umfassend vorinformiert worden. In einer Druckschrift für sie wurde vor allem betont, daß "der Versichertenausweis den Krankenschein ersetzt" und worin das Hauptziel der Aktion liegt: "Mehr Fortschritt in der Organisation der Krankenversicherung". Sämtliche Versicherte, aber auch die mitversicherten Familienangehörigen, erhielten eigene Versicherungsausweise. Im Falle von Namens-, Adreß- und anderen Änderungen persönlicher Daten waren sie gehalten, die Krankenkasse sofort zu informieren. Bei Änderungen wurde kurzfristig ein neuer Ausweis ausgestellt.

Alle Arztpraxen, die am Test teilnahmen, wiesen hierauf durch ein Schild hin. Die Ärzte benutzten zum Umdrucken der Prägezeichen in Formulare zweierlei Gerätearten: kompakte Tischumdrucker für die Praxis und leichte, tragbare Geräte für Hausbesuche. Die Geräte sind einfach und schnell zu handhaben. Zusammen mit einem Versichertenausweis wird das erforderliche Formular eingelegt. Bei Druckauslösung übertragen sich die Ausweisdaten ins Krankenblatt, Rezept, auf Überweisungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Abrechnungsvordrucke usw.

Die Versichertenausweise haben das gleiche Format wie Scheckkarten. Sie enthalten neben den persönlichen Kenndaten der Versicherten auch Angaben der Krankenkasse in negativ geprägter Schrift. Die mit ihnen gedruckten Zeichen lassen sich optischmaschinell, also umweglos für die EDV erfassen. Vorteile genießen jedoch nicht allein die Krankenkassen. Die Patienten brauchen keinen Krankenschein mehr auszufüllen und mit- zunehmen, wenn sie einen Arzt aufsuchen. Und in der Behandlungspraxis können sich - durch den Fortfall handschriftlicher Aufzeichnungen und den damit verbundenen Fehlerrisiken - Zeitgewinne ergeben.

Die Auswertung des Modellversuchs durch die Arbeitsgemeinschaft Versichertenausweis-Test (Vers. A.T.), Mannesmann Datenverarbeitung GmbH und den neutralen Gutachter, Prof. Dr. Sieben, wird Ende 1978 fertiggestellt sein. Erst dann kann umfassend darüber diskutiert werden, ob die Zielsetzung aller Beteiligten erreicht wurde.

* Projektleiter "Versichertenausweis" bei der Mannesmann Datenverarbeitung GmbH