Nobelpreisträger John Nash über die Glaubensfrage "PC oder Buch?"

03.06.2009
Als Kind las der Mathematiker ausgiebig in der Compton`s Pictured Encyclopedia und konsumierte eifrig Bücher. Trotzdem hat er nichts gegen das Internet.

CW: Heutzutage scheinen Kinder nur noch im Internet zu surfen und wenig zu lesen. Ist das nicht ein schlechtes Zeichen?

NASH: So einfach ist es nicht. Ja, natürlich habe ich mich mit Büchern ausgebildet. Und ich habe auch heute noch eine Enzyklopädie bei mir zu Hause. Aber heutzutage ist der PC Ihre Enzyklopädie. Es ist natürlich eine schöne Alternative, wenn Sie es sich leisten können, auch so etwas wie gedruckte Bücher in Ihrem Haushalt zu besitzen.

CW: Als Sie noch auf die Highschool gingen, haben Sie im jugendlichen Alter für sich die Richtigkeit des Fermatschen Theorems nachgewiesen. Ich schätze, dass 99 Prozent der Bevölkerung nicht einmal wissen, was das ist, geschweige denn, dass sie den kleinen oder den großen Fermatschen Satz nachvollziehen könnten. Was für ein Gefühl ist das, wenn man merkt, dass man über so herausragende geistige Fähigkeiten verfügt?

NASH: Das wurde mir bewusst, als ich mich in meiner Heimatstadt auf mein Studium vorbereitete. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich nicht die beste soziale Integration hatte in Bezug auf Freundschaften und im weiteren Sinn menschliche Beziehungen. Ich sehe es so, dass ich da Ausprägungen des Asperger-Syndroms entwickelte (eine Form des Autismus, Anm.d.Red.).

CW: Sie haben 1994 mit Reinhard Selten und John Harsanyi den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften erhalten für die Entwicklung der Spieltheorie. Kann man Erkenntnisse hieraus auf die heutige Wirtschaftskrise anwenden?

NASH: Es ist nicht so einfach, die Theorie auf die heutige Wirtschaftssituation anzuwenden. Die Spieltheorie bietet keine einfach handhabbaren Tools.

CW: Liegt das an ihren mathematischen Herleitungen?

NASH: Die Wirtschaftswissenschaften haben den Vorteil, dass man hier auch ohne mathematische Gleichungen Gedanken entwickeln kann. Solche Schriften sehen dann vielleicht eingängiger aus, und es gibt mehr Menschen, die sie zu verstehen scheinen. Insofern sperren sich intellektuelle Entwicklungen auf Basis mathematischer Herleitungen dem Verständnis vielleicht mehr, als es Schriften von Adam Smith oder Karl Marx tun.