Nach Unisys-Rückzieher an der Bundeswehr-Universität Hamburg:

Nixdorf wagt sich aufs Integrationsparkett

15.09.1989

HAMBURG (CW) - Was Unisys nicht kann, traut sich Nixdorf zu: Die Ablösung der Mainframe-Architektur durch eine integrierte Gesamtlösung unter Unix im Rechenzentrum der Hamburger Universität der Bundeswehr. Über das Sieben-Millionen-Projekt in der Elbestadt wollen die Paderborner zur Nummer Eins unter den Systemintegratoren avancieren.

Bis zur Generalumstellung, die innerhalb von vierzehn Tagen, von Mitte bis Ende Juli 1989, über die Bühne ging, hatten die Hamburger in ihrem Rechenzentrum einen 1100/ 82-Rechner von Unisys in Betrieb. Danach nahmen drei Targon-Systeme von Nixdorf seinen Platz ein. "Die Zentralrechnerarchitektur und die Applikationen erfüllten langfristig nicht mehr unsere Bedürfnisse. Das betraf vor allem den Bereich der wissenschaftlichen Anwendungen", erläutert Gert Malinka, RZ-Leiter bei der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Außerdem seien die Systeme nach nunmehr acht Jahren Einsatz auch veraltet und die Nutzungsverträge mit Unisys abgelaufen gewesen.

Bei der ohnehin überfälligen Erneuerung des Rechenzentrumssystems überdachten die DV-Planer auch ihr bisheriges Zentralrechner-Konzept: "Schließlich haben wir uns für eine offene Systemumgebung und eine Server-Architektur entschieden, bei der die Rechner innerhalb des Netzbetriebs jeweils bestimmte Aufgabenbereiche übernehmen", resümiert der RZ-Leiter. Allerdings befinden sich die Server - vergleichbar zum Mainframe-Konzept - alle in einem Raum. Malinka: "Diese lokale Zentralisierung halte ich für sinnvoll, weil Service und Operating dann nicht weit verstreut in den Fachabteilungen abgewickelt werden müssen.

Die Vernetzung auf der Basis mehrerer Server erhöhe dagegen die Ausfallsicherheit und helfe, Kosten einzusparen. "Spezialaufgaben laufen nämlich nicht mehr über einen einzigen Zentralrechner, der dafür im Zweifelsfall gar nicht ausgerüstet ist, sondern werden von speziellen Systemen übernommen", erläutert der Hamburger die Vorzüge der Dezentralisierung. Diese Systeme könnten dann wiederum beliebig ergänzt oder bei Bedarf auch ausgetauscht werden. "Eine Umstellung erfolgt dann nicht mehr von einem Tag auf den anderen."

Im Uni-Rechenzentrum stand der Betrieb in den zwei Wochen während der Generalumstellung völlig still. Mittlerweile sind wichtige Bereiche wie das Katalog- und Ausleihwesen, der Universitätsbibliothek wieder von funktionsfähig. "Bis das gesamte System reibungslos funktioniert und die alte Betriebssicherheit wiederhergestellt ist, vergeht sicher noch ein Jahr", prognostiziert Malinka. Das gesamte Umstellungsprojekt ist jedoch auf drei Jahre veranschlagt: Mit dem Installationsauftrag haben die Hamburger nämlich ein Kooperationsabkommen mit Nixdorf geschlossen. Zwei Mitarbeiter des Paderborner Konzerns werden mit einem DV-Spezialisten-Duo der Uni an der Entwicklung von Tools für das Rechenzentrum an der Elbe basteln.

"Die sechs Mannjahre, die wir von unserer Seite in das Projekt stecken, betrachten wir als Investition. Wir wollen zum meistgefragten Spezialisten auf den Sektoren Systemintegration und standardbasiertes Rechenzentrum werden", erläutert Bernd Kosch, seit Ende letzten Jahres Leiter des Vertriebsbereichs Forschung und Lehre bei dem Paderborner Familienkonzern. Für den Ex-IBMer sind Uni-Rechenzentren nicht zuletzt wegen ihrer Innovationsbereitschaft - ein geeignetes Terrain, um Erfahrung zu sammeln: "Diese Umstellung ist für uns ein Pilotprojekt. Die Umstellung in einem kommerziellen Unternehmen an einem Tag X zu realisieren, ist viel schwieriger.

Unisys: "Da wollten wir nicht mitziehen"

Für Unix-Anbieter Unisys waren die Konditionen bei der öffentlichen Ausschreibung des Projekts ein zu schwerer Brocken: "Wir konnten und wollten den gestellten Anforderungen nicht entsprechen", so Jochen Rössner, Fachpresse-Referent bei der Unisys Deutschland GmbH in Sulzbach/Taunus. "Unsere Vorstellung war, allmählich von der 1100er in die Unix-Welt umzusteigen. Das jetzige Konzept ist zwar rein technisch machbar, aber mit einem wahnsinnigen Aufwand verbunden." Insbesondere die Integration der zahlreichen Fremdsysteme unterschiedlicher Hersteller, darunter ein Vektorrechner und technisch-wissenschaftliche Systeme, sei "mit einem vertretbaren Aufwand nicht zu realisieren".

Im Rechenzentrum der Bundeswehrhochschule in München, wo noch ein Unisys-Rechner aus der Burroughs-Linie in Betrieb ist, kann man sich mit der Planung eines Zukunftskonzepts noch Zeit lassen: "Die Mietverträge laufen noch bis Mitte April 1992", winkt RZ-Leiter Walter Kirsch gelassen ab. "Wir diskutieren zwar schon ein Umstellungskonzept, aber wir haben noch viel Zeit zum Nachdenken."