Kooperation mit Kunden soll Know-how-Zuwachs schaffen:

Nixdorf rechnet sich Chancen in der KI aus

22.01.1988

BERLIN (qua) - Bei der Suche nach einer Marktnische, die von Big Blue noch unbehelligt bleibt, ist die Nixdorf AG erneut fündig geworden. Die Paderborner haben sich bereits ein eigenes Revier auf dem erfolgversprechenden Marktsegment "Künstliche Intelligenz" abgesteckt. Ein Expertensystem-Projekt mit der Berliner Hahn-Meitner-Institut GmbH soll letzt diese Ansprüche untermauern.

"In den Markt für Expertensysteme wird die IBM nicht einsteigen, denn diese Programme laufen in den meisten Fällen unter Unix. Und damit tut sich die IBM verständlicherweise schwer." So begründet Heinz Juniel, zuständiger Vertriebsleiter bei Nixdorf, seine optimistische Einschätzung der eigenen Marktchancen im Bereich der "Künstlichen Intelligenz".

Juniel rechnet damit, daß die wissensbasierten Systeme bereits im übernächsten Jahr einen Anteil von rund zehn Prozent am DV-Gesamtmarkt haben werden. Schon für 1988 sei einer Studie des Münchener Beratungsunternehmens Roland Berger & Partner zufolge mit fünf Prozent Marktanteil zu rechnen. Das relative Marktvolumen werde sich also innerhalb der nächsten zwei Jahre verdoppeln. Für die IBM sei der KI-Zug bereits abgefahren.

Bei ihren Expertensystem-Aktivitäten setzen die Paderborner verstärkt auf Kooperationen mit ihren potentiellen Kunden. Ein entsprechendes Abkommen mit der Fachhochschule Hagen hat bereits zur Entwicklung eines regelbasierten Systems zur Früherkennung von Korrosionsschäden geführt. "Koros" wird nach Nixdorf-Angaben inzwischen im industriellen Einsatz getestet und soll demnächst auf Targon-Rechnern am Markt verfügbar sein.

Ziel der Zusammenarbeit mit dem Hahn-Meitner-Institut (HMI) ist ein Expertensystem mit der Bezeichnung "Soleil", das für Fertigungssteuerung und Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Solarzellen aus amorphem Silizium ausgelegt ist. Das in diesem Projekt gewonnene Know-how ist laut Nixdorf jedoch auch für andere Gebiete der industriellen Produktion relevant.

Von seiten des Herstellers werden für das gemeinschaftliche Unternehmen ein Unix-Rechner vom Typ "Targon /35", die Expertensystem-Shell "Twaice" sowie insgesamt zwei Mannjahre an Knowledge-Engineer-Arbeitszeit bereitgestellt. Das HMI hingegen steuert das Expertenwissen bei. Sollte das Projekt erfolgreich verlaufen, will das Institut den Rechner, die Software und die Dienstleistungen für insgesamt 400 000 Mark kaufen. Der normale Preis dafür, so Juniel, beträgt etwa das Doppelte.

Die Pflichtenheftphase haben die beiden Partner bereits hinter sich gebracht. Bis Mitte dieses Jahres werden sie voraussichtlich auch die Erstellung eines Prototyps abgeschlossen haben. In den folgenden zwei bis drei Jahren soll das Produkt dann bis zur Marktreife weiterentwickelt werden. Die Beteiligten behalten sich zunächst das ausschließliche Nutzungsrecht vor. Zwei ähnliche Projekte mit der Beteiligung privatwirtschaftlicher Firmen sind zur Zeit in Planung.