Trotz erster Erfolge tun sich Paderborner im britischen Markt schwer:

Nixdorf hat im UK das Wachstum noch vor sich

11.09.1987

LONDON (bk) - Noch viel zu tun gibt es für die Nixdorf Computer Ltd. im britischen Computermarkt: Gerade sieben Prozent Gesamtmarktanteil kann die Dependance auf der Insel für sich in Anspruch nehmen. Dennoch gibt sich das britische Nixdorf-Team optimistisch, die Position des Unternehmens in den einzelnen Branchen während der nächsten Jahre mit gezielten Strategien ausbauen zu können.

Die Nixdorf Computer Ltd. wurde 1970 in London gegründet. Heute ist die britische Niederlassung nach denen in Spanien, Frankreich und der Schweiz die viertgrößte Tochtergesellschaft des Paderborner Computerbauers. 1986 trug das Unternehmen zum Nixdorf-Gesamtumsatz von rund 4,5 Milliarden Mark etwa 180 Millionen Mark bei. Kein Ergebnis allerdings, mit dem die Briten Bäume ausreißen könnten, auch wenn zu berücksichtigen ist, daß es durch die ungünstige Währungssituation im vergangenen Jahr beeinträchtigt wurde: Das Pfund erfuhr 1986 eine 17prozentige Abwertung gegenüber der Mark. Zum Gewinn meint Richard Bearpark, verantwortlich für den Einzelhandel, in typisch britischer Zurückhaltung: "Wir sind zwar keine Tochter, in die man nur investieren muß, doch allzu große Gewinne haben wir zum Geschäftsergebnis 1986 sicherlich nicht beisteuern können."

Im Behördengeschäft noch kaum vertreten

Die Bescheidenheit der Nixdorf Computer Ltd. ist in der Tat angebracht. Denn mit einem Marktanteil von gerade sieben Prozent spielt die Insel-Tochter des erfolgsgewöhnten Paderborner Computerherstellers in der britischen Computerszene eine eher untergeordnete Rolle. Laut Bearpark sind sich die UK-Nixdorfer ihrer relativ schwachen Position zwar bewußt, aber die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in Großbritannien erleichtere den Computerverkauf auch nicht gerade. So wirke sich zum einen der ständige politische Wandel in den einzelnen Regionen des Landes negativ auf die Geschäftstätigkeiten aus. Zum anderen sei der Konkurrenzkampf in Großbritannien sehr viel härter als in anderen Ländern, da vor allem US-Firmen das Vereinigte Königreich als Sprungbrett für Zentraleuropa sähen. Nicht leicht gestalte sich auch die Zusammenarbeit mit den vielen Einzelaktionären, derzeit an die neun Millionen, auf der Insel. Bearpark: "Anders als in der Bundesrepublik Deutschland, wo die Aktionäre mit ihren Beteiligungen überwiegend Geld verdienen wollen, sind die britischen Aktionäre sehr engagiert, fühlen sich verantwortlich für die Unternehmen und üben demzufolge großen Einfluß auf die Geschäftspolitik aus." Last but not least kämen die Schwierigkeiten mit den Gewerkschaften hinzu. In einigen Bereichen würde der Computereinsatz auch heute noch als Bedrohung des Arbeitsplatzes, ja des gesamten Lebensraumes gesehen.

Die Vertriebsaktivitäten der britischen Nixdorf-Tochter, die von der Bundesrepublik und Irland beliefert wird, gliedern sich derzeit in vier Sparten: Banken und Sparkassen, Einzelhandel, kleine und mittlere Unternehmen sowie Staat/Verwaltung und Großunternehmen. Allein das Bankgeschäft macht 45 Prozent der Nixdorf-Aktivitäten in Großbritannien aus, gefolgt von dem Einzelhandel und dem Bereich "Kleincomputer für kleine und mittlere Unternehmen" mit jeweils 25 Prozent. Nur fünf Prozent entfallen auf das Geschäft mit Staat/Verwaltung und Großunternehmen. Bearpark zufolge strebt die britische Niederlassung bis 1988 an, die schwächeren Bereiche weiter zu fördern, um ein ausgewogeneres Verhältnis (30/30/30/10 Prozent) zu erreichen. Die Nixdorf-Marktanteile in den einzelnen Branchen beziffert Bearpark mit sieben Prozent im Einzelhandel/Kassensysteme, 10 bis 15 Prozent im Bankwesen und weniger als ein Prozent bei Staat/Verwaltung und Großunternehmen.

Diese Zahlen seien zwar ebenfalls eher bescheiden, gibt der englische Nixdorf-Manager zu, doch eröffneten sie für die nächsten Jahre auch ein großes Expansionspotential. Um diese Wachstumschancen nutzen zu können, haben die Briten inzwischen gezielte Strategien entwickelt. Diese sehen vor, künftig die Zielmärkte konsequent voneinander abzugrenzen und sich auf die wichtigsten Kunden zu konzentrieren. Ganz erheblich gesteigert werden muß vor allem das Geschäft mit den Großunternehmen. "Nur die Großkunden", so Bearpark, "machen ein Unternehmen bekannt. Sie sind die Meinungsbildner; ihren Entscheidungen schließen sich die kleineren Betriebe an."

Unix soll Softwarehäuser ködern

Auch softwaremäßig will sich die britische Nixdorf-Niederlassung auf die Hinterbeine stellen. Bislang entwickelte das Unternehmen die Software selbst, weil man "noch zu unbekannt ist, als daß sich die inländischen Softwarehäuser für eine Zusammenarbeit interessierten". Aus diesem Grund hätten die Softwareentwickler auch die bisherigen Nixdorf-Betriebssysteme nicht als Standard anerkannt. Künftig wolle man nun weg von der Individualsoftware und hin zu Standardprogrammen. Eine wichtige Rolle spielt für die Briten dabei die neue Targon-Familie, die unter Unix läuft. Dieses Standardbetriebssystem soll nun die Softwarehäuser ködern.

Um ein entsprechendes Software-Potential aufbauen zu können, benötigen die Briten in erster Linie qualifizierte Mitarbeiter. Diese sind nach Bearparks Erfahrungen jedoch gerade in Großbritannien äußerst rar; die Insel hänge im bildungspolitischen Bereich weit nach. Gebe es in der Bundesrepublik Deutschland gezielte Lehrlingsausbildungsprojekte als Alternative zu den Universitäten, so fänden hier erst jetzt Gespräche mit der Regierung über ein professionelles Lehrlingswesen statt. Derzeit beschäftigt Nixdorf Computer Ltd. 715 Mitarbeiter. Für das nächste Jahr sind 400 Neueinstellungen geplant. Umsatzmäßig soll die britische Dependance innerhalb der kommenden zwei Jahre um das Doppelte wachsen.

Nixdorf Deutschland: Mit UK-Tochter zufrieden

Große Pläne also bei der britischen Nixdorf-Niederlassung, die dabei nach eigenem Bekunden stark auf den Erfolg und die Erfahrung der Paderborner Muttergesellschaft baut. Diese wiederum ist nach Auskunft von Albert Holler, Vertriebschef Europa, mit den Aktivitäten der Insel-Tochter "sehr zufrieden". O-Ton Holler, der selbst jahrelang in Großbritannien tätig war: "Gerade in den vergangenen Jahren hat sich unsere britische Niederlassung erfreulich entwickelt. Seit 1980 konnten wir uns speziell in den Bereichen Banken und Handel verstärkt etablieren. Die Marktanteile in diesen Branchen werden wir in den kommenden Jahren konsequent erweitern und darüber hinaus auch unsere Bemühungen im Behördenbereich intensivieren." Gedacht ist auch an eine Ausweitung der regionalen Präsenz. Mittelfristig erwartet der Vertriebschef in Großbritannien ein Umsatzwachstum von 35 bis 40 Prozent pro Jahr und eine jährliche Steigerungsrate beim Mitarbeiterstab von 25 bis 30 Prozent. "Sicherlich ehrgeizige Ziele", so Holler abschließend, "doch keineswegs unerreichbar."