Kürzere Entscheidungswege in der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) durch Einsatz eines lokalen Netzes

Nixdorf bringt in BfA LAN-Pilotprojekt über erste Runde

07.10.1983

Der Fachausschuß für Büroinformations- und -kommunikationssysteme (BIKOS) bat am 20. September 1983 zu seiner ersten Sitzung. Namhafte Referenten legten für den Veranstalter, den Fachbereich Informatik der TU Berlin, erste praktische Erfahrungen über und mit Inhouse-Netzen dar. Schwerpunkt der Sitzung war der Bericht eines Anwenders in der Pilotphase, nämlich der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Verwaltungsrat Berthold Mitrenga berichtete über den gegenwärtigen Status im Hause sechs Monate nach Beginn der Erprobung.

Mitrenga ging einleitend kurz auf den Aufbau der BfA ein, die mit zirka 60 000 Mitarbeitern eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen hat; gerade diese Vielzahl und die unterschiedliche Struktur der Aufgaben führt in der Anfangsphase, als man nach EDV-Unternehmen suchte, die ein Inhouse-Netz aufzubauen in der Lage sein sollten, mehrfach dazu, daß Herstellern die Anforderungen der BfA unlösbar schienen. Arbeitsvermittlung und Berufsberatungen, Sicherstellung der Lohnersatzleistungen und Arbeitsmarktforschung schienen auf Anhieb nicht miteinander zu vereinbaren - technologisch zumindest nicht.

Die BA sieht sich als Service-Unternehmen. 60 000 Mitarbeiter erbringen Dienstleistungen für derzeit etwa 2,3 Millionen Arbeitslose, und die Nürnberger Zentrale wird dabei von neun Landesarbeitsämtern, 146 Arbeitsämtern und weiteren 500 Nebenstellen unterstützt.

Anlaß für die Suche nach verbesserter Kommunikation war eine Nachfrage der Abteilung, die für die Aufbringung der jährlichen Mittel in Höhe von immerhin zirka 35 Milliarden Mark zuständig ist. Im Rahmen der ständig hektischeren Vorgänge auf dem Geldmarkt sah man die Notwendigkeit, auch in einer Behörde kurze Entscheidungswege zu schaffen. Die Referate "Haushalt" und "Gelddisposition" waren die Bereiche, die solchermaßen verkürzte Informations- und Entscheidungswege brauchten.

In den beiden Referaten laufen alle Arbeiten von Informationen zusammen: solche über den Geldmarkt im allgemeinen ebenso wie solche über den aktuellen Status der Selbstfinanzierung oder solche, aus denen einmal jährlich der Haushalt erstellt wird. Bisher wurden alle diese Informationen auf den üblichen Wegen, das heißt mit Schreibmaschine, Kugelschreiber, Bleistift, Papier, Kopierer erstellt, bearbeitet und vervielfältigt. Anschließend wurden sie an die beteiligten Personen verteilt. Dieser Weg hat zwar in der Vergangenheit funktioniert, wurde jedoch beeinträchtigt durch die Tatsache, daß die BA gesetzlichen Vorschriften unterworfen ist, die sehr häufig spontane Änderungen von Vorgehensweisen nötig machten und machen. Wenn dann solche Änderungen, die manchmal nur winzig waren, Elaborate von Hunderten von Seiten hinfällig machen, weil die eine oder andere Zahl oder Einzelheit nicht mehr stimmt, dann war das für die jeweiligen Mitarbeiter frustrierend.

Natürlich war dieses Problem, das auch mit Hilfe der Textverarbeitung hätte gelöst werden können, nur eines von vielen. Leider ist einzig die Zentrale in Nürnberg in der Lage, überhaupt Testprojekte, von denen einmal alle Arbeitsämter profitieren sollen, durchzuführen; alle anderen Dienststellen müssen rund um die Uhr laufen und funktionieren. Technologische Neuerungen sind in der Zentrale zu erproben und zu konzeptionieren, bevor sie an die lokalen Ämter, die im Streß ihres täglichen Einsatzes stehen, weitergegeben werden können.

Mit existierenden Methoden arbeiten

Mitrenga betonte in seinem Vortrag, daß, als man sich 1982 erstmals konkret mit der Vorbereitung eines Inhouse-Netzes beschäftigte, im Gegensatz zu allem, was man im Laufe der Zeit gelesen hatte, kaum ein fertiges Produkt am Markt war, daß einsatzfähig und für diverse Anwendungen ablauffähig war. Die Suche, die dann nach einem möglichen Produkt gestartet wurde, führte auch zu Nixdorf; auf der letzten Hannover-Messe hatte man von einem geplanten Pilotprojekt Nixdorfs gehört.

Die Anforderungen der BfA waren längst definiert und lagen im Klartext vor. Daher entschloß man sich, den Versuch mit dem Bürosystem 88BK von Nixdorf zu wagen.

Das System besteht hardwaremäßig aus einem zentralen Bürocontroller für bis zu 24 Arbeitsplatzcomputer, zum anderen aus eben diesen Bildschirm-Arbeitsplätzen mit integrierter Spracheingabe sowie aus Druckausgabegeräten. Die Anforderungen, die Nixdorf mit dem System erfüllen mußte, gingen dahin, daß für einen solchen Versuch möglichst wenige organisatorische Änderungen vorgenommen würden. Da das Versuchsergebnis nicht absehbar war, sollten keine Vorgehensmethoden geändert, sondern mit den existierenden gearbeitet werden. Darüber hinaus bestand die Absicht, ein breites vorhandenes, sehr komfortables Archivierungssystem durch die neue Anlage auszubauen, aber strukturell nicht zu ändern.

Der doppelte Ansatz ergibt sich aus der jetzigen Situation: Der Sachbearbeiter im Arbeitsamt hat einen Einzelfall zu bearbeiten, der aus der Vielzahl von Informationen auf Papier in einer Akte besteht; er muß zur Bearbeitung Informationen von zahlreichen Kollegen im Hause einholen. Diese wiederum brauchen den Kenntnisstand, den der Sachbearbeiter selbst vorliegen hat. Normalerweise geschieht das dadurch, daß Akten hin und her wandern. Solche Wanderakten werden übrigens von zirka 300 Aktensuchern der BA ständig gesucht. Alleine aus dieser Zahl läßt sich schon die Bedeutung ersehen, die ein gut funktionierendes Archivierungssystem für die BA hat.

Interesse an Sprachintegration

Auf großes Interesse stieß die Möglichkeit, bei diesem System von der Sprachintegration Gebrauch zu machen. Damit können schriftliche Bearbeitungsvermerke äußerst komfortabel ersetzt werden.

Unterstützung erhielt die BfA, da gleichzeitig mit ihr neun weitere Pilotanwendungen das System auf die Probe stellten. Auf der positiven wie auf der negativen Seite erreichten die meisten gleichlautenden Kommentierungen, die an den Hersteller zurückflossen, daß durch sie ein ziemlich geballter Einfluß ausgeübt wurde. Ausgeglichen werden sollte damit der Mangel, daß nur je fünf Bildschirmarbeitsplätze bei den Pilotkunden zur Anwendung kommen konnten.

Diese fünf Bildschirme mit Tastatur und Spracheingabe wurden bei der BfA ergänzt durch vier Arbeitsplatzdrucker und durch den zentralen Bürocontroller. Da von den 24 unterstützungsfähigen Arbeitsplätzen nur fünf angeschlossen waren, hatte man auch den lokalen Online-Speicher von 640 MB auf 160 MB reduziert. Die Arbeitsplatzdrucker sind herkömmliche Typenraddrucker mit einer Leistung von 40 Zeichen pro Sekunde.

Der Bildschirm enthält 3000 Zeichen, ist halbseitig und hat eine alphanumerische Tastatur mit verschiedenen Blöcken: Benutzerfunktionen, Textverarbeitung, Formatierung, Sprache, Seiten- und Cursorsteuerung, Rechenfeld, Archiv und Ablage. Die Verkabelung der Installation ist sternförmig auf den Controller ausgerichtet.

Wenn in der zukünftigen Planung weitere Referate an den Controller dazugeschaltet und damit 24 Anschlüsse nicht mehr reichen würden, dann müßte ein zweiter Controller installiert werden, wobei der Anwender an einen beliebigen der beiden Controller angeschlossen ist. Auch bei größeren Entfernungen müßte ein weiterer Controller Verwendung finden.

Die BfA hat diese Netzwerk-Konzeption als vorteilhaft betrachtet, weil sie einerseits kostengünstig ist und andererseits sachlich zusammenhängenden Aufgabengebieten einen Großspeicher zur Verfügung stellt. Gleichwohl sieht man die Möglichkeit, auch größere Inhouse-Netzsysteme mit dieser sternförmigen Verkabelung herstellen zu können. Beim gegenwärtigen Versuch hatte und hat im Vordergrund gestanden, die Akzeptanz und die Lösbarkeit der Probleme zu testen.

Vierteljährliche Software-Lieferung

Der Software-Umfang des Bürosystems war ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium. Nixdorf lieferte nicht von Anfang die gesamte Software; vielmehr sollte vierteljährlich in vier Schritten über das gesamte Pilotprojekt hinweg Software nachgeliefert werden.

Man wollte für die Einführung des Systems keinerlei EDV-Unterstützung in Anspruch nehmen. Nur aus der Anwenderebene und der Sachbearbeitererfahrung heraus sollte es für den Echteinsatz zum Laufen gebracht werden. Kernaussage von Herrn Mitrenga: "Gegenüber diesen Forderungen hat sich das System grundsätzlich als geeignet erwiesen." Dies wohl primär dadurch, daß die Archivierungsansprüche fast zu hundert Prozent erfüllt wurden. Auch den hohen Datenschutzanforderungen der BfA konnte auf einfachste Weise Genüge getan werden. Und schließlich, die gewohnten Ordnungsstrukturen der Mitarbeiter kannten eins zu eins erhalten werden. Ohne ins Detail zu gehen: Ein sogenanntes sprechendes Aktenzeichensystem konnte ideal durch die integrierte Spracheingabe ergänzt werden. An diesem Punkt sagte die BfA zu, daß sie bei dem Pilotprojekt mitmachen würde.

Terminal-Emulation geplant

Als weitere Funktionen gibt es neben der Archivierung Electronic Mail, Kommunikation auf der Basis der gespeicherten Informationen, Textverarbeitung in komfortabler Form. Für die Zukunft ist die Terminal-Emulation geplant, wobei sich die BfA als Siemens-Anwender schwertut, weil Nixdorf eine 3270-Emulation plant.

Um so leichter waren andere Dinge. Die auf zwei Wochen angesetzte Einführung war nach drei Tagen abgeschlossen; ganze eineinhalb Tage dauerte die Kabelverlegung. Die auf einen Monat terminierte Eingewöhnungszeit der Mitarbeiter entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zum aktiven Einsatz der Beteiligten. Auf dem ergonomischen Sektor konnten die zehn Pilotanwender auch Forderungen durchsetzen, die denen des Herstellers nicht von Anfang an entsprachen.

Das Zwischenergebnis nach knapp sechs Monaten sieht unter dem Strich positiv aus:

Einer hundertprozentigen Verfügbarkeit des Controllers (kein Ausfall!) stehen der Austausch beziehungsweise die mehrfache Reparatur von drei der fünf Bildschirmarbeitsplätze gegenüber sowie erhebliche Probleme mit der Druckerperipherie. Sehr positive Bewertung erfährt die Sprachintegration. Die Software hat, ohne je Schäden an Dokumenten zu verursachen, in der Anfangsphase zahlreiche Zusammenbrüche provoziert; dafür war andereseits die Betreuung durch Nixdorf okay. Bei der BfA geht man also erwartungsvoll in die zweite Phase des Projekts.

*Kurt Emonts ist freier EDV-Fachjournalist in Frankfurt .