8870-Kunden kritisieren Supportprobleme bei ihrem DV-Lieferanten

Nixdorf-Anwender sehen sich als Verlierer im SNI-Dilemma

04.10.1991

MÜNCHEN (hv) - Turbulent ging es auf dem ersten unabhängigen Nixdorf-Anwender-Kongreß zu, der von der Münchner IDG-Tochtergesellschaft CSE veranstaltet wurde. Lautstarke Klagen über Lieferengpässe, Schwächen im Support und überhöhte Wartungskosten ließen den anwesenden Mitarbeitern der Münchner Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) die Ohren klingen.

"Wir haben im Moment Schwierigkeiten, auf Anforderungen mittelständischer Kunden zu reagieren", mußte SNI-Marketing-Manager Rudolf Gröger einräumen. Vor allem im Vertrieb habe es organisatorische Probleme gegeben: "Die Informationssysteme waren keine mehr", so die lakonische Bemerkung Grögers.

SNI arbeite gegenwärtig daran, die Lieferzeiten im 8870-Quattro-Umfeld wieder auf einen akzeptablen Stand zu bringen.

Die Nixdorf-Anwender waren durch diese Worte kaum zu besänftigen: "Vor einem Jahr auf der Nibeg-Veranstaltung wurde auch schon gesagt, die Support-Problematik werde beseitigt", kritisierte Wolfgang Grom, Abteilungsleiter EDV/Org. bei der Automatik Apparate Maschinenbau GmbH in Großostheim. Bis heute sei jedoch nichts geschehen.

Einen Lieferverzug von durchschnittlich neun Monaten rechnete gar der Leverkusener Unternehmensberater Dieter Konertz vor, der nach eigener Angaben 600 Kunden aus den Quattro-Umfeld betreut.

Heftig beklagten sich auch die etwa 60 anwesenden Nixdorf-Anwender - weitere 40 Kongreßteilnehmer kamen aus dem Anbieterumfeld - über den Support: Die Stundensätze seien zu hoch und der Support längst nicht immer das Geld wert, das verlangt werde, so der Tenor der Wortbeiträge. Ein Anwender ließ sich gar zu der Bemerkung hinreißen: "Wenn die Support-Kosten im gleichen Maße steigen wie die Verluste von Siemens-Nixdorf, dann drängt sich der Verdacht auf, daß da ein Zusammenhang besteht."

Anwender der Nixdorf-Systeme, so zeigte der Kongreß, sind mit ihrer Hard- und Software-Umgebung nicht unzufrieden. Allerdings wächst offensichtlich die Befürchtung, von der SNI-Geschäftsleitung nicht ernstgenommen zu werden. So wurde dem Vorstand mit deutlichen

Worten angekreidet, daß auf Veranstaltungen der Nixdorf-Anwender kaum Mitglieder aus der SNI-Chefetage anzutreffen seien. Dagegen fänden die in Anwenderverein. Save e.V. Organisierten User aus dem BS2000-Umfeld stets ein offenes Ohr beim Siemens-Nixdorf-Vorstand.

Befürchtungen, mit der weiteren Nutzung der Comet-Software und der Quattro-Systeme auf einem toten Gleis zu landen, konnte die anwesende SNI-Delegation mit definitiven Produktaussagen zumindest zum Teil entschärfen. Als strategische Produktlinie, die in Zukunft weiterentwickelt werde, bezeichnete Gröger die Quattro-Modelle /16, /40 und /80. In der Öffentlichkeit sei fälschlicherweise der Eindruck entstanden, daß die Quattro bei SNI ein "nicht geliebtes Kind" sei.

Der Rechner, so Gröger, entspreche modernsten Hardwaremaßstäben und habe mit den 8870-Modellen nichts mehr gemein - außer, daß die Standardsoftware Comet darauf laufe. Auch Comet, so beteuerte SNI-Hauptabteilungsleiter Klaus Adena, wird weiter verbessert. Nur die älteren Comet-Versionen Master 5 und Top 1 sollen in Zukunft nicht mehr optimiert, wohl aber gewartet werden. Laufend weiterentwikkelt, so die definitive Aussage von Adena, werden die aktuelle Comet-Version Top 2 und die Unix-Variante Comet Pro, die dem Leistungsumfang von Top 2 entspricht. Alle Comet-Systeme sollen auch künftig auf der Interpreter-Sprache Basic beruhen.

Allerdings sahen nicht alle Anwender, die an der Veranstaltung teilnahmen, dieses Commitment positiv. So waren auch Statements zu hören wie: "Mich irritiert, daß SNI heute proprietäre Nachfolgeprodukte anbietet, die den künftigen Anforderungen nicht entsprechen." Um die finanzielle Gesundung des deutschen Konzerns machen sich offensichtlich inzwischen auch die Anwender Sorgen.

Den künftigen Anforderungen soll in einigen Jahren das in der Entwicklung befindliche Softwareprodukt ALX genügen - das zumindest war, entgegen hartnäckiger Gerüchte um die Einstellung des ALX-Projektes, auf der CSE-Veranstaltung von leitenden SNI-Mitarbeitern zu hören. Die Software wird nach Angaben von Adena transaktionsorientiert auf der Basis relationaler Datenbanken aufgebaut sein und Client-Server-Architekturen in offenen Systemwelten unterstützen.