Standard-Streit spaltet japanisches Herstellerlager:

Nippons DV-lndustrie zwischen Unix-Fronten

04.11.1988

TOKIO (IDG) - Auch im Lande Nippon sorgt die Spaltung des Unix-Lagers für interne Verwirrung: Während sich eine Gruppe japanischer Hersteller auf die OSF-Seite stellt, unterstützt ein anderer Teil AT&T. Um Neutralität bemüht ist das AT&T-nahe Projekt Sigma der Regierung.

Auf der Grundlage von Unix-System V begann das japanische Wirtschaftsministerium unter dem Projektnamen Sigma vor zwei Jahren mit der Finanzierung einer Standard-Weiterentwicklung. Im nächsten Jahr will die Gruppe mit 195 Mitgliedsunternehmen den Schnittstellenstandard bekanntgeben.

Während nun einige Mitglieder ängstlich auf den Ausgang des Debakels zwischen der OSF und AT&T warten, gibt sich Sigma-Supervisor und MITI-Ministerchef Akio Ohnishi gelassen: "Zwischen unserem Projekt und AT&T besteht eine enge Verbindung. Aber wir versuchen, die Leistung von System V zu erweitern und entwickeln so ein neues Betriebssystem." Sigma werde die Verhandlungen eng verfolgen und sich dem jeweiligen Standard anschließen.

Befremdet zeigen sich die Japaner über die Größe und Macht der Unix-Lager. Während die OSF mit den Namen der weltweit größten Hardware-Hersteller glänzt, kann, sich AT&T auf eine breite Anwenderschar berufen. "Wir haben eine große Zahl von Anwendern, die eine System-V-Lizenz haben und auch weiter nutzen möchten. Portierungen sind teuer," kommentiert Larry Crume, Geschäftsführer der AT&T International Japan Ltd.

Kritik äußert Crume an der allgemeinen OSF/AT&T-Politik: "Auf den Meetings wird ein entscheidender Punkt nicht angesprochen: Wie stellen wir sicher, daß unabhängige Softwarehäuser unter den derzeitigen Bedingungen weiter Unix-Anwendungen entwickeln, um die Bedürfnisse der End-User zu befriedigen. Dies bleibt ein ungelöstes Kernproblem zwischen der OSF und AT&T."

Während Sigma-Mitglieder wie Fujitsu Unix V die Treue halten und andere wie die NEC Corp. sich abwartend verhalten, war Hitachi schon aufgrund seiner engen Verbindung zur IBM ein OSF-Mitglied der ersten Stunde. Zwar bietet der Hersteller für seine bereits in Betrieb befindlichen Workstations, Mainframes und Supercomputers noch das AT&T-Betriebssystem an, aber eine Umstellung auf das OSF-Unix, sprich AIX, ist schon geplant.

Für die OSF-Gefolgschaft gibt es bei Hitachi auch finanzielle Gründe: Erster PC-Anbieter auf dem heimischen Markt, verlor das Unternehmen rasch an Boden, weil es keine Verbindungen mit unabhängigen Softwarehäusern einging. Über die Mitgliedschaft bei der finanzstarken OSF hofft Hitachi - falls AIX Standard wird - auf ein gutes Überseegeschäft.

Die pazifische OSF-Niederlassung hat die Verantwortung für die Spezifikation einer Applikations-Umgebung, die mehrere Sprachen unterstützt. Vorreiterrolle bei der Koordination der Entwicklung der OSF-Applikations-Umgebung (OSF/AE) hat die japanische Niederlassung von Apollo übernommen. Darüber hinaus ist die fernöstliche OSF-Vertretung auf der Suche nach neuen Technologien die Eingang in den OSF-Standard finden sollen.