Anwenderstudie IT-Kompass 2013

Nimmt die Bedeutung der internen IT ab?

22.05.2013
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Einige Ergebnisse des aktuellen "IT-Kompass-2013" deuten darauf hin. Auf jeden Fall sind CIOs einer hohen Belastung ausgesetzt, so die große Anwenderumfrage von COMPUTERWOCHE und IDC.

Zum vierten Mal hat das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC gemeinsam mit der Computerwoche die Business- und IT-Entscheider in deutschen Anwenderunternehmen nach den Trends für das laufende Jahr befragt. Die Ergebnisse aus 351 Interviews mit (IT-)Entscheidern dürfen durchaus als repräsentiv für den Status quo der heimischen IT-Bereiche gelten - zumal die IT-Anbieter wie immer außen vor blieben. Im ersten Teil erfahren Sie unter anderem, welche Bedeutung die Befragten der IT einräumen, welche Anforderungen das Business an die IT stellt und wie sich die IT-Budgets entwickeln.

Lesen Sie auch Teil 2 zum IT-Kompass 2013 mit den wichtigsten Hardware-, Software- und IT-Service-Themen, die IT-Managern auf den Nägeln brennen.

Die Sorgen der Unternehmen

Was beschäftigt die Unternehmen im Allgemeinen? Der Studie zufolge sind es die Themen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, die konjunkturelle Entwicklung, der steigende Wettbewerbsdruck und die Notwendigkeit, die Wachstums- und Gewinnziele zu erreichen. Auch der Fachkräftemangel wird brisanter - ähnlich wie die steigenden Rohstoff- und Energiekosten. Am Ende ist es aber die Gesamtheit der Herausforderungen, die Unternehmen zu schaffen macht.

Die meisten IT-Verantwortlichen erwarten eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung wie 2012, berichtet IDC-Analyst Matthias Kraus.
Die meisten IT-Verantwortlichen erwarten eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung wie 2012, berichtet IDC-Analyst Matthias Kraus.
Foto: IDC

Die meisten Befragten (58 Prozent) erwarten für 2013 eine ähnliche wirtschaftliche Situation wie für 2012, mehr als ein Viertel (27 Prozent) sogar eine Verbesserung. "Diese Einschätzung entspricht weitestgehend den bisherigen Prognosen und Indikatoren führender Wirtschaftsforschungsinstitute, die für 2013 insgesamt ein ähnliches Wachstum wie im abgelaufenen Jahr erwarten", berichtet IDC-Analyst Matthias Kraus.

Was bedeutet das für die Rolle der IT im Unternehmen? - Leider gar nichts! In den Kompass-Studien aus 2009 und 2010 war die IT für 21 beziehungsweise 22 Prozent der Betriebe Kernbestandteil der Unternehmensstrategie. Diese positive Entwicklung brach 2011 ab. In der aktuellen Befragung berappelte sich der Wert immerhin wieder von 14 auf 18 Prozent. Für die meisten Unternehmen (41 Prozent) gilt aber: "Nur in Einzelfällen wird die IT explizit in die strategische Planung eingebunden."

Auf der anderen Seite wissen viele Unternehmen ihre IT aber wohl zu würdigen. 37 Prozent sagten auch in diesem Jahr: "Ohne unsere leistungsfähige und moderne IT könnten wir uns am Markt langfristig nicht halten." Und weitere 22 Prozent räumen ein: "Unsere IT ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal und ein Wettbewerbsfaktor." Nur 15 Prozent äußerten die Ansicht, der IT-Einsatz helfe ihnen nicht, sich von der Konkurrenz zu differenzieren.

Ungenutzte Potenziale

Dabei bleiben viele ITK-Potenziale nach wie vor ungenutzt. Nur elf Prozent der Befragten mochten von sich behaupten, sie hätten die Möglichkeiten der IT "weitestgehend" ausgeschöpft. Die überwiegende Mehrzahl (74 Prozent) bekannte, es ließen sich durchaus zusätzliche Potenziale erschließen. Und 15 Prozent sagten sogar, viele Möglichkeiten blieben ungenutzt.

Leider bestätigt sich der Trend der vergangenen Jahre, wonach die IT-Verantwortlichen häufig an die Chief Financial Officers oder die kaufmännische Leitung berichten. Das gilt mittlerweile für fast jeden vierten IT-Chef (24 Prozent). Im vergangenen Jahr waren es nur 19 Prozent. Doch die Zahl derer, die direkt der Geschäftsführung unterstellt sind, hat ebenfalls zugenommen. Sie liegt bei immerhin 65 Prozent. Sechs Prozent der befragten IT-Leiter berichten an die Leitung eines Fachbereichs.

Davon unabhängig beobachtet IDC laut Kraus "immer häufiger den direkten Bezug von IT durch die Fachbereiche - ohne Einbeziehung der IT-Abteilung". Diese Entwicklung werde durch einfach zu beschaffende Cloud-Services begünstigt.

RoI-Betrachtung und Case Studies

Die Unternehmensführung habe mehr und mehr die Auswirkungen der IT-Investitionen auf die Fachbereiche und deren Geschäftsprozesse im Blick, ergänzt der für die Studie verantwortliche Analyst Kraus: "IT-Leiter müssen Geschäftsleitung und Management aufzeigen, welchen Mehrwert die IT bietet und wie sie die Anwender dabei unterstützt, produktiver zu arbeiten."

Eine Voraussetzung dafür sei es, in der Sprache der Geschäfts- und Finanzleitung zu reden sowie die betriebswirtschaftlichen Vorteile und Kennzahlen in den Vordergrund zu rücken, so der Analyst: "Business Cases und RoI-Betrachtung sind ebenso wichtig wie anschauliche Case Studies." Fragen zu Themen wie Sicherheit, Compliance und Verfügbarkeit müsse der CIO beantworten, ohne in den technischen Details oder den ITK-Fachbegriffen "zu versinken".

Anforderungen an die IT

Was wollen Fachbereiche und Geschäftsführungen von der IT? Unterstützung der Fachabteilungen bei der Optimierung von Geschäftsprozessen ist das eine. Zum ersten Mal abgefragt und gleich auf einem vorderen Platz gelandet ist aber auch das Kriterium Geschwindigkeit und Flexibilität - in der IDC-Diktion: schnellere Reaktion auf neue Anforderungen des Business.

"In der Vergangenheit galt die IT häufig als Flaschenhals, der es verhinderte, flexibel auf konjunkturelle Schwankungen, organisatorische Änderungen oder Mergers and Acquisitions zu reagieren", erinnert Krauss. Diese "Starre" sei unter den Vorzeichen eines "immensen Kostendrucks" und sich immer schneller ändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen "nicht mehr akzeptabel".

Eine Lösung für dieses Problem sieht der Marktkenner in Cloud-Services: "Sie ermöglichen es der IT, viel agiler auf neue Anforderungen von Management oder Fachabteilungen zu reagieren." Mit Hilfe innovativer Cloud-Angebote seien die Fachbereiche auch in der Lage, neue Produkte und Services mit geringeren Reibungsverlusten einzuführen.

Safety first - nach wie vor

Unter den IT-spezifischen Anforderungen gibt es wie in den Jahren zuvor einen unangefochtenen Sieger: Die IT-Sicherheit liegt den Unternehmen ganz besonders am Herzen. Für Kraus ist das kein Wunder, da die Bedrohungsszenarien für die Unternehmens-IT weiter komplex und vielfältig blieben: "Neue Attacken, begünstigt durch die Nutzung von Cloud Computing, Mobility und Social Media sowie unzulängliche IT-Sicherheitskonzepte in den Unternehmen, erfordern neue, ganzheitliche IT-Sicherheitskonzepte", lautet sein Resümee. Dabei nehme die Bedeutung des Mitarbeiters als "IT-Schwachstelle" stetig zu - vor allem aufgrund der steigenden "User-Zentrierung" in der IT.

Hinter dem Security-Thema rangiert die Verbesserung der IT-Performance auf dem zweiten Platz. Wer glaubt, da seien bereits alle Möglichkeiten ausgereizt, sieht sich widerlegt: Die Unternehmen fahren fort, ihre IT-Landschaften zu modernisieren, um den steigenden Anforderungen an Verfügbarkeit und Performance gerecht zu werden - auch wenn Standardisierung und Konsolidierung der IT-Landschaft schon im vergangenen Jahr ein wenig an Bedeutung eingebüßt hatten und auch heuer abfielen.

"IT-Kosten senken" zählt zwar nicht unbedingt zu den Topprioritäten der IT-Bereiche. Diese Anforderung bleibt aber sicher auf dem Schirm der Unternehmenslenker. Neu auf der Auswahlliste war der Punkt "Einhaltung von internen Unternehmensrichtlinien und gesetzlichen Regularien", im Fachjargon: Compliance. Dieser Themenkomplex wird offensichtlich immer ernster genommen.

So weit die Hausaufgaben der IT - sie sind die Voraussetzung dafür, dass sich eine weitere wichtige Anforderung erfüllen lässt: Die Rede ist von der stärkeren Ausrichtung der IT an den Geschäftszielen.

Als "Schlüsselressource für die Unternehmen" betrachtet Kraus - wie die meisten seiner Analystenkollegen - die Daten. Deren globales Volumen verdopple sich derzeit alle zwei Jahre. Vorhandene Lösungen könnten dieser Datenflut nicht oder nur unzureichend gerecht werden. Um die schiere Masse, die Vielzahl von Datenströmen und die unterschiedlichen Grade der Strukturierung zu verwertbaren Informationen zu konsolidieren, bedürfe es neuer IT-Lösungen zur Unternehmenssteuerung. Auch hier kristallisiert sich allmählich eine der Hauptanforderungen des Business an die IT heraus.

Wer treibt die Innovationen?

Die Innovationsfreude hinsichtlich der IT hat offenbar eher ab- als zugenommen. Nur noch 14 Prozent der Firmen sagen von sich, sie gehörten meist zu den ersten, die eine neue Technologie nutzen. Vor zwei Jahren waren es noch 18 Prozent. Die meisten Entscheider (36 Prozent) ordnen sich in der "zweiten Welle" ein oder "schwimmen mit der Masse" (26 Prozent).

Auf die Frage, wer die Innovationen in der IT vorantreibe, fällt die Antwort wie im vergangenen Jahr eindeutig aus: Für 57 Prozent der Befragten ist das der CIO oder IT-Leiter. Das könnte aber möglicherweise daran liegen, dass dieser Berufsstand unter den Befragten stark vertreten ist.

Für 17 Prozent der Studienteilnehmer ist der Vorstand für das Innovationsthema zuständig, und für 22 Prozent ist es der Leiter einer Fachabteilung. Der letzte Wert ist gegenüber dem Vorjahr (18 Prozent) spürbar gestiegen. Kraus begründet diese Entwicklung damit, dass immer mehr Trends aus dem privaten Umfeld auf die Unternehmen überschwappen.

Dass Innovationen nicht zu den Stärken der IT-Bereiche zählen, könnte auch mit der Verteilung des Budgets zusammenhängen. Denn das wird nach wie vor zu einem großen Teil darauf verwendet, den Betrieb am Laufen zu halten. Immerhin fiel der Anteil der operativen Tätigkeiten am gesamten IT-Aufwand gegenüber dem Vorjahr um einen Prozentpunkt auf 59 Prozent.

Budgets steigen langsamer

Die Höhe der IT-Budgets stagniert offenbar. 52 Prozent der Befragten gaben an, dass die IT-Ausgaben in diesem Jahr etwa so hoch seien wie im vergangenen. Von einer Steigerung gehen nur noch 32 Prozent aus; ein Jahr zuvor waren es 37 Prozent. Wie die IDC-Analystin Jennifer Waldeck ausführt, nehmen die Ausgaben für Software und Services tendenziell stärker zu als die Investitionen in Hardware.

Die künftige Bedeutung der IT

Welche Rolle wird die interne IT in den kommenden Jahren spielen? Nur 48 Prozent der Umfrageteilnehmer äußerten die Ansicht, sie werde an Bedeutung zunehmen. Im vergangenen Jahr waren das noch 50 Prozent und im Jahr davor sogar 54 Prozent. Das gibt auch insofern Anlass zur Sorge, als sechs Prozent der Befragten definitiv eine abnehmende Bedeutung der IT prognostizieren; das taten im Vorjahr nur drei Prozent.

Möglicherweise wird die IT ihr Selbstverständnis ändern müssen, um bestehen zu können. "IT-Organisationen, speziell in den Operations, haben oft großes Beharrungsvermögen", erläutert der IDC-Analyst Matthias Zacher: "Mitunter ist es ein Sisyphus-Arbeit, eine Applikation zum Laufen zu bringen; Änderungsanforderungen sind dann nicht gern gesehen." Das hat den IT-lern den Ruf von "Bremsern" eingebracht.

In der Folge greifen viele Fachbereiche zur Selbsthilfe. "Die Fachabteilungen nehmen in verstärktem Maße Einfluss auf die Beschaffung und Bereitstellung von IT-Ressourcen", hat Zacher festgestellt, "zudem gehen IT-Anbieter und Fachabteilungen ein Stück aufeinander zu." Mit dieser Realität werden sich die IT-Organisationen wohl oder übel arrangieren beziehungsweise auf sie reagieren müssen. (mhr)