Nied(n)ergang

27.07.1984

Neue Führung für die verlustgeplagte Nürnberger Büromaschinengruppe Triumph-Adler (TA): Der bei Adoptivmütterchen VW in Ungnade gefallene Peter Niedner mußte gehen.

Nun sind Managementwechsel in der bundesdeutschen DV-Szene nachgerade das Alltägliche, das Normale, wie die Berichterstattung in der CW Woche für Woche deutlichmacht. Die Erklärung der Wolfsburger für den "Nied(n)ergang" bleibt denn auch so allgemein, daß jeder sie interpretieren kann, wie er mag: Da ist von "unterschiedlichen Auffassungen über die Schwerpunkte der künftigen Geschäftspolitik" die Rede - über die Hintergründe schweigt man sich geflissentlich aus.

Für den "SPIEGEL" ist Triumph-Adler "ein exemplarischer Fall". Sichtbar werde am Beispiel des "schwachen" Niedner die Unfähigkeit deutscher Manager, "mit Zukunftstechniken erfolgreich Geschäfte zu machen".

Aber auch die VW-Bosse kriegen ihr Fett: So bemüht das Hamburger Nachrichtenmagazin Niedner-Vorgänger Gerd Weers mit seinem Urteil über den neuen VW-Statthalter in Franken, Wolfram Nadebusch, einen Branchenfremden: "In Afrika lernt man vielleicht das internationale Geschäft." Demnach sei, das soll es wohl heißen, die Sache klar: Ohne Erfahrung im Computergeschäft geht nichts.

Doch so einfach liegen die Dinge in der VW/TA-Ehe nicht. Man wird, nachdem neuerliche Verluste drohen, nicht mehr gänzlich ausschließen können, daß VW das Beteiligungsverhältnis neu überdenkt. Die DV-Branche entwickelt sich dahin, daß wohl nur die "Großen" überleben werden. Vor diesem Hintergrund rückt die Entsendung des VW-Managers Nadebusch an die Noris in ein anderes Licht: Es genügt für einen "artfremden" Investor wie VW eben nicht, "Butter bei die Fische zu tun", sprich: für den Verlustausgleich geradezustehen.

Die Wolfsburger können nicht zusehen, daß sich "die Perle der Branche" (so Ex-VW-Finanzchef Thomée über TA vor dem Erwerb der Nürnberger) als Faß ohne Boden erweist. Noch 1981 hatte Thomée erklärt, daß sich VW aus der TA-Geschäftsführung heraushalten wolle, weil man "keine Ahnung von dem schwierigen DV-Markt habe".

Die Absichtserklärung war so durchsichtig, wie das Argument falsch war, mit der sie begründet wurde. Natürlich dachte man bei VW nicht im Traum daran, die Perle könnte womöglich unecht sein. Das Zugeständnis, sich nicht in die TA-Geschäfte einzumischen, fiel den Wolfsburgern folglich nicht schwer.

Nur: Auf Unkenntnis in Sachen Computer-Marketing konnte und kann sich der VW-Vorstand nicht herausreden. Tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Argumentation ein sehr reduziertes Verständnis des Computermarktes: die Annahme nämlich, man müsse DV-Kenne bereits mit der Muttermilch eingezogen haben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Das Computergeschäft krankt doch daran, daß noch die "alten Hasen" am Drücker sind - der smarte Vertriebschef, der durch Jobhopping nach oben rotierte, der nüchterne Kundendienstleiter, der sich mit Geduld und Lötzinn die Legitimation fürs Topmanagement ersaß.

Das Mikro-Zeitalter hat einen neuen Typ von Firmenlenkern in der DV-Branche hervorgebracht: die hochtalentierten, branchenfremden Allrounder, Markenartikler, Controller, die alte Zöpfe abschneiden. Beispiel: Der neue Apple-Boß John Sculley kommt von PepsiCola. Nein, fehlendes DV-Verständnis allein kann's nicht gewesen sein, was Niedner den TA-Chefposten kostete - und daß Nadebusch vom Computergeschäft noch nichts versteht, muß durchaus kein Nachteil sein.