Der PC-Markt

Nichts für schwache Nerven

24.09.2004
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Im PC-Markt hat sich das Blatt 2003 gewendet, Desktops und Notebooks sind plötzlich wieder gefragt. Nicht alle Hersteller können indes hierzulande von dem Trend profitieren, zudem steht der nächste Abschwung schon wieder bevor.

Es sieht so aus, als hätten die PCs in den vergangenen Monaten eine kleine Renaissance erlebt: Erst kauften die Verbraucher, dann griffen auch die Unternehmen zu neuen Rechnern, um ihre antiquierten Modelle zu ersetzen. Der Markt verzeichnete zweistellige Wachstumsraten, und im Gegensatz zum Vorjahr kletterten auch die Umsätze der Lieferanten wieder. Bohrende Fragen von Journalisten und Analysten, wie lange sich die großen IT-Hersteller noch die aufwändige PC-Produktion leisten wollen, hörte man kaum mehr. Die Branche hat die Zeit genutzt, um ihre Wunden zu lecken - schließlich war die Krise lang und schmerzhaft gewesen.

Allerdings ist nicht alles Gold, was im deutschen PC-Markt glänzt. Die Flurbereinigung der Anbieterlandschaft geht unvermindert weiter, ebenso setzt sich der Preisverfall fort - Masse und Marke sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Gerade die kleineren, zumeist regionalen Hersteller tun sich trotz allgemein gestiegener Nachfrage schwer, gegen die Skalenvorteile der Konzerne anzukämpfen: "Sie können kaum noch mithalten", sagt PC-Analystin Meike Escherich von Gartner Dataquest. Und: No-Name-Marken verlieren an Boden, seit sich die internationalen Schwergewichte auf die Preisschlacht eingelassen haben.

Nach Angaben der Marktforscher von Context steigerten "A-Brands" wie Hewlett-Packard (HP), Acer und Fujitsu-Siemens (FSC) ihren Channel-Anteil im zweiten Quartal 2004 auf 55,6 Prozent. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatten diese Unternehmen in den sieben größten europäischen Märkten einen Anteil von 51,6 Prozent auf sich vereint. Das Tortenstück für die in den Statistiken immer als "übrige Anbieter" bezeichneten Hersteller schrumpfte demgegenüber von 29,3 auf 24,5 Prozent. No name gleich no future?

Aldi-Kunden im Käuferstreik

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der Essener PC- und Elektronikhändler Medion - einst ein gefeiertes Unternehmen, inzwischen eine eigene Marke, nun aber hierzulande auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Mit einer Umsatz- und Gewinnwarnung für das Gesamtjahr schockierte der Aldi-Zulieferer Anfang August die Investoren. Ein Grund war das schwache Geschäft im Heimatmarkt. Das Unternehmen steht indes nicht allein, denn der Consumer-Notebook-Lieferant Gericom befand sich sogar kurz vor der Pleite, und 4MBO musste im vergangenen Winter komplett die Segel streichen. Verglichen mit diesen Firmen steht Medion noch gut dar, auch weil es rechtzeitig ins Ausland expandiert hat und die schwachen PC-Margen mit Elektronikgeräten kompensieren kann.

Besser geht es Konzernen wie FSC, das im Hardwarebereich fast vollständig diversifiziert ist und sowohl an Verbraucher als auch an Unternehmen verkaufen. Der größte europäische PC-Bauer nimmt mit allen Produktreihen (PCs, Server, Speicher) zwar nur knapp ein Viertel von HPs Personal Systems Group (PSG) ein, dennoch reicht die Größe inzwischen wieder für profitable Geschäfte. Dabei konnte sich das Joint Venture in den vergangenen Quartalen stets besser als der Markt entwickeln. Dieser wuchs in Deutschland im zweiten Quartal Gartner zufolge um 11,7 Prozent. Der Geschäftskundenbereich legte um knapp 18 Prozent, das Verbrauchersegment hingegen nur noch um 3,8 Prozent zu.

Die Masse macht's - nicht immer

Doch die schiere Größe allein besagt nichts über den Erfolg eines PC-Herstellers. So setzte HP zwar in seinem dritten Fiskalquartal weltweit in der PSG rund 19 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum um, und das Ergebnis verbesserte sich von minus 56 Millionen auf plus 25 Millionen Dollar. Bei geschätzten fünf Millionen verkauften Rechnern belief sich der Gewinn damit aber lediglich auf fünf Dollar pro System.

Interessant an den HP-Zahlen ist auch die Tatsache, dass im Jahresvergleich die Desktops mit einem Umsatzanstieg um 26 Prozent stärker als das Notebook-Segment (plus zwölf Prozent) zugelegt haben. Bislang zählte es zur herrschenden Meinung, dass Desktops schlecht laufen, Notebooks hingegen hohe zweistellige Wachstumsraten aufweisen. Doch die Boomphase der Mobilrechner hat sich abgekühlt: Lag die Wachstumsrate im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat noch bei 37 Prozent, schrumpfte sie laut Context im April auf 20 Prozent. Im Juni schließlich wuchsen die Stückzahlen in Westeuropa nur noch um knapp zehn Prozent, berichten die Marktforscher. Da jetzt vermehrt Unternehmen in PCs investieren und sich die Privatkunden zurückhalten, sieht die Situation für Desktops wieder etwas besser aus.

Generell aber scheint der PC-Markt vor einem neuerlichen Wendepunkt zu stehen. Mit der weltweiten Prognose für das dritte Quartal prophezeit Gartner zwar noch einen Anstieg um knapp 13 Prozent, allerdings sei das "Potenzial für einen Abschwung" größer geworden. Dies hänge in erster Linie mit der konjunkturellen Entwicklung der US-amerikanischen Wirtschaft zusammen. Die Gefahr: Hersteller können ihre ohnehin dünnen Gewinnspannen nur schwer halten.

Die Margen bleiben unter Druck

Die Belebung im PC-Markt der vergangenen Monate war ein willkommener Anlass, den guten alten Zeiten nachzusinnen. Dass diese sich eines Tages wiederholen, glauben nicht einmal mehr die Anbieter: "Im Volumengeschäft werden die Margen immer unter Druck bleiben", konzediert FSC-Chef Bernd Bischoff. Dennoch ist er optimistisch, dass das Ersatzgeschäft noch einige Quartale anhält. Und wann setzt der nächste Abschwung ein? "Hoffentlich nicht so schnell", sagt Bischoff. Gartner-Analystin Escherich indes ist skeptisch: "Ich würde mich nicht wundern, wenn in den kommenden zwei Jahren einer der weltweit zehn größten PC-Hersteller vom Markt verschwindet." Spätestens ab Anfang 2005 fragen dann auch Analysten und Journalisten wieder, wie lange sich Anbieter ihre PC-Herstellung noch leisten wollen.

* Der Autor Alexander Freimark ist Redakteur bei der Computerwoche. [afreimark@computerwoche.de]