"Nicht mehr wegzudenken"

06.12.2006
Mit Rafael Laguna, Chairman von Open-Xchange und Open-Source-Investor, sprach CW-Redakteur Alexander Freimark über die Entwicklungen im Open-Source-Jahr 2006.

CW: Das IT-Jahr 2006 ist generell ganz passabel gelaufen. Auch im Open-Source-Segment?

Laguna: 2006 war ein sensationelles Jahr für Open Source!

CW: Trotz der Attacken aus der alten Softwarewelt von Oracle und Microsoft?

Laguna: Gerade wegen dieser "Angriffe" durch die großen Softwarekonzerne. Bisher hat die Szene um die Aufmerksamkeit kämpfen und erklären müssen, was Open Source eigentlich ist. Diese Zeiten sind nun vorbei, denn Open Source hat die ungeteilte Aufmerksamkeit der Industriegiganten auf sich gezogen. Oracle ist mit Red Hat in den Wettbewerb getreten, Microsoft und Novell haben ein Patentabkommen geschlossen, um eine Art "Gleichgewicht des Schreckens" zu schließen. Open Source ist 2006 in der ersten Softwareliga angekommen und damit ein nicht mehr wegzudiskutierender Teil der Industrie.

CW: Wie werden sich die Attacken auf die Szene auswirken?

Laguna: Die Folgen sind vermutlich gering, außer vielleicht kurzfristig für den Aktienkurs von Red Hat. Selbst wenn morgen Red Hat oder Novell von Firmen gekauft werden, die nicht aus dem Open-Source-Lager kommen, sitzen schon fünf neue Unternehmen in den Startlöchern. Das klassische Mittel, ein proprietäres Softwareportfolio durch Akquisitionen zu schützen, hilft in Sachen Open Source nicht weiter.

CW: Bislang waren Linux und Middleware-Programme der IT-Infrastruktur erfolgreich. Wann steigen Applikationen in die erste Liga auf?

Laguna: Das Betriebssystem Linux, Middleware wie Jboss und die Datenbank MySQL haben die Phase der Produktivität im Hypecycle erreicht. Die nächste Welle bilden die Stacks darüber: Groupware und Collaboration, CRM, CMS und irgendwann auch ERP befinden sich auf dem aufsteigenden Ast. Firmen wie Alfresco, Pentaho, Compiere und Open-Xchange sind mit Kapital gefüttert worden, um die Entwicklung der Linux-Pioniere zu wiederholen. Auch diese Open- Source-Programme werden nicht mehr wegzudenken sein.

CW: Was fehlt zum Durchbruch auf breiter Front?

Laguna: Das breite Software- und Services-Business muss jetzt folgen und den Wechsel zu Open Source einleiten. Unternehmen sollten sich nicht gegen das Unvermeidliche wehren, sondern ein Geschäftsmodell finden, das sich vom Lizenzgeschäft verabschiedet. Die nächste Welle wird sowieso kommen, daher sollte man lieber gleich versuchen, auf ihr zu reiten - wie IBM das vorgemacht hat.

CW: Das würde ja auf Sun passen, das inzwischen sein quelloffenes Herz entdeckt hat. Auch Java wurde 2006 Open Source.

Laguna: Der Schritt ist spät erfolgt. Sun ist zur Freigabe von Java unter Open Source mehr oder weniger gezwungen worden. Java hat bis heute ein zwielichtiges Dasein in der Community geführt, weil man damit zwar schön Software machen kann, es aber nicht Open Source war. Daher wurde es von vielen Entwicklern nicht genutzt, was zu einem Boom der Scripting-Sprachen geführt hat. Der Schritt musste nun erfolgen, wenn Java nicht irgendwann einmal in der Bedeutungslosigkeit versinken sollte.

CW: Dem klassischen Lizenzgeschäft droht Ungemach von einer weiteren Seite - Software als Service (SaaS) zu beziehen. Wie wirkt sich das auf Open Source aus?

Laguna: Ich sehe einen starken Schub für Open Source durch das SaaS-Modell. Die Service-Provider, Hoster und Telcos müssen ihre Angebote mit zusätzlichen Services aufwerten, um den Preisdruck im Markt zu begegnen. Hier ist Open Source wegen der Kosten und der Skalierbarkeit und des bereits vorhandenen Know-Hows bei den Hostern erste Wahl, und wir werden im kommenden Jahr einiges in diesem Bereich erleben. Den Kunden interessiert letztlich nicht, was er nutzt, sondern was es ihm bringt und was es kostet. Er will wenig Geld für gute Anwendungen zahlen.