Leistungsstarke Tabellen- Verarbeitung bietet Hilfe für DV und Fachabteilung

Nicht immer ist eine Datenbank die beste Lösung

06.10.1989

* Angelika Bayer ist Mitarbeiterin der Insoft Software GmbH, Düsseldorf.

Ohne ein Datenbanksystem kommt heute kein größeres Unternehmen mehr aus. Nicht in allen Fällen jedoch ist es auch die optimale Lösung. Gelegentlich hieße sein Einsatz, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Angelika Bayer* stellt eine Tabellenverwaltung vor, die Funktionen einer Datenbank mit den Vorteilen der Individualprogrammierung verbindet.

Die Mehrzahl aller Anwendungen auf dem Großrechner benötigt Entscheidungs- und Kontrolldaten in Tabellenform, die verschieden verarbeitet und gewartet werden. Wünschenswert, da leistungsstärker und übersichtlicher, ist ein einziges Pflegesystem, das alle Tabellen in unterschiedlichen Anwendungen nach einheitlichen Regeln verarbeitet. Diese Möglichkeit bietet unter VSE, MVS und CICS ein virtuelles Tabellen-Managementsystem (VTAS) auf einer VSAM/KSDS-Datenbasis.

Der IST-Zustand:

Das Datenaufkommen im Unternehmen steigt, die Verwaltung der Daten wird zunehmend schwerfälliger, wartungsintensiver und teurer; die Speicherung erfolgt mit hoher Redundanz, Zugriffe und Laufzeiten werden länger. Jede Änderung im Daten-Management-System erfordert zusätzlichen Programmieraufwand.

Ein ZIEL-Zustand:

Die Daten sind von vornherein benutzer- und systemfreundlich aufbereitet und gespeichert, zum Beispiel in Form einer Tabelle. Daten, die von mehreren Programmen und Anwendern genutzt werden, sind nur einmal gespeichert. Daten, auf die täglich tausende Male zugegriffen wird und die so einen Leistungsverlust des Systems verursachen, werden hauptspeicherresident geladen. Sie müssen damit weder auf die Speichermedien zurückgeschrieben noch von dort eingelesen werden.

Das Anlegen und Ändern der Tabellen und Tabellendaten wird außerhalb der Programme vorgenommen - ohne zusätzlichen Programmieraufwand, zum Teil von der Fachabteilung selbst.

Wie das im Detail funktionieren kann, berichtet die Flachglas AG in Gelsenkirchen, einer der führenden europäischen Glashersteller mit sieben Standorten in der Bundesrepublik, der 1987 mit 10000 Mitarbeitern 1,6 Milliarden Mark Umsatz erwirtschaftete.

Die Aktivposten des Unternehmens sind nach eigenen Angaben Know-how und Produktivität sowohl in der Glasherstellung als auch in der Unternehmensverwaltung, zu der als unverzichtbarer Bestandteil ein Rechenzentrum modernster Art gehört.

Bei der Abwägung, ein Daten-Management-System im Hause zu entwickeln oder ein fertiges Paket einzusetzen, fiel 1981 die Entscheidung für VTAS, ein Produkt des Düsseldorfer Softwarehauses Insoft. Auf einem IBM-System 3084 mit 96 Megabyte Hauptspeicher unter den Betriebssystemen DOS und MVS sowie dem TP-Monitor CICS steht damit den Fachabteilungen und der EDV ein Informationssystem zur Verfügung, mit dem ein Stück individuelle Informationsverarbeitung in das Unternehmen einzog.

VTAS (Virtuelles Tabellen- und File-Management-System) ist in vier Arbeitsbereiche unterteilt:

1. Online-Verwaltung

Mit dem Pflegesystem werden die zentral gespeicherten betrieblichen Tabellen-, Schlüssel-, Parameter- und Steuerdaten dezentral in den verantwortlichen Fachabteilungen verwaltet. Ein eigenes oder externes Prüfverfahren schützt die Daten beziehungsweise Felder vor unberechtigtem Anzeigen oder Verändern. Individuelle Bildschirmgestaltung und verschiedene Plausibilitätsprüfungen bei der Dateneingabe sind standardmäßig enthalten. Die Verwaltung läuft menügesteuert. Anwender brauchen dabei keine Abfragesprache oder administrative Vorschriften zu beherrschen. Die Fachabteilungen

sind unabhängig vom "Anwendungsstau" in der Programmierung.

2. Online-Services

Hier werden die Systemkomponenten, Masken für den Endbenutzer, die Datenstruktur der Tabellen, ihre Verwendung und die unterschiedlichen Zugriffsberechtigungen in einem Katalog festgelegt. Die umfangreichen Statistiken, Verwendungsnachweise und Änderungsprotokolle können am Bildschirm angezeigt werden, um Informationen über Systemauslastung und Zugriffszeiten für ein späteres Tuning zu erhalten.

3. Anwendungsprogrammierung

Batch- und CICS-Anwendungsprogramme sind von internen Tabellen befreit und greifen über ein Interface auf die Dateien zu. Dabei können Tabellen zur Verbesserung der Laufzeit hauptspeicherresident verarbeitet werden. Programmierer nutzen einfache Call- oder Link-Anweisungen um die Daten weiter zu verarbeiten. Ihnen stehen alle gängigen Funktionen wie Lesen, Schreiben, Blättern, Suchen und so weiter zur Verfügung. Durch entsprechende Return-Codes wird das Programmieren und Testen vereinfacht. Die Entwicklungszeiten für Anwendungen werden ebenso reduziert wie der Wartungsaufwand.

4. Batch-Utilities

In diesem Bereich werden durch Dienstprogramme und

Funktionen alle häufig wiederkehrenden Systemaufgaben, wie Drucken, Sichern, Laden, Formatieren, Löschen von Tabellen oder Tabellendaten, im Stapelbetrieb abgearbeitet.

VTAS ist kein Konkurrenz-, sondern ein Ergänzungsprodukt zu Datenbanksystemen. Es verfügt über datenbankähnliche

Möglichkeiten, aber es ist keine Datenbank im klassischen Sinn. Es können beispielsweise keine Relationen/Verbindungen zwischen den Daten per Abfragesprache hergestellt werden.

VTAS stellt Informationen für andere Programme und Anwender schnell und ohne Overhead zur Verfügung. Es wird nur soviel Speicherplatz belegt, wie ein Programm tatsächlich benötigt. Mit einem Datenbanksystem dagegen werden Anwendungsprogramme, die Daten aus dem System benötigen, zu - beispielsweise - DB2-Programmen, für die, sogar wenn sie selbst nur 50 KByte bräuchten, unter Umständen eine Region von 2 MByte zur Verfügung gestellt werden muß. Die "Nische" für VTAS sind also alle datenbankähnlichen Anwendungen, die auf dem kleinen, schnellen Dienstweg gelöst werden können. Das drückt sich auch im Preis aus: Das Tabellenmanagementsystem kostet nur der Bruchteil eines Datenbanksystems.

Schlüsseldaten werden ausgelagert

Der größte Vorteil des Systems liegt darin, daß Schlüsseldaten, die gewöhnlich innerhalb von Programmen fest installiert sind, in Tabellen ausgelagert und dort einfach geändert werden können. Die Anwendungsprogramme selbst bleiben unverändert, umfangreiche Wartungsarbeiten können eingespart werden.

Es besteht kein "Entweder- oder" zwischen VTAS und einem Datenbanksystem. VTAS ist eher als datenbankunabhängiger Datenzulieferer zu sehen. Während Datenbank-Systeme schwerpunktmäßig Datenabstell- und -abfragesysteme sind, ist VTAS ein "Datenbereitstell-Instrument", ein Informations- und Dokumentationssystem, Mailbox, Zwischen- und Referenzdatei für andere Anwendungsprogramme, Programmier- und Wartungshilfe und vieles andere mehr.

Die Frage, wann welche System eingesetzt werden soll ist eine Frage der Ansprüche an Flexibilität, Schnelligkeit, Performance und Wirtschaftlichkeit, das heißt der Größenordnung der Anwendungen und der Verhältnismäßigkeit vor, Aufwand und Ergebnis.

Die Flachglas AG hat für Daten mit typischem Tabellencharakter zirka 300 Tabellen in VTAS angelegt, über die sie die Produkte (Gläser in verschiedener Dicke und Ausführung) für die Automobil- und Bauindustrie sowie andere Industriebereiche sammelt und verwaltet, ebenso die etwa 2500 Aufträge, die täglich aus den sieben Werken eingehen, Tabellen mit Rabattstaffeln, Kostenrechnungsschlüsseln, Mehrwertsteuersätzen, Lohnarten, Währungsschlüssen, Druckausgabesteuerung und vieles mehr. Das Sammeln der anfallenden Daten in Tabellen ist in diesem Umfang für die Flachglas AG vorteilhafter als der Einsatz einer Datenbank. Obwohl Flachglas auch CSP und DB2 einsetzt, ist das Daten-Management-System VTAS nach wie vor unverzichtbar und für viele Anwendungen sinnvoll, allein schon, um den eigenen Programmieraufwand zu minimieren.

Die Problematik eines Zulieferers für die Automobilindustrie ist allgemein bekannt: Lieferungen müssen prompt - zum Teil auf die Stunde genau - direkt an die Montagebänder erfolgen. Das setzt eine hohe Flexibilität und Aktualität in der Auftragsabwicklung voraus. Die eingehenden Aufträge und die damit verbundenen Daten werden nicht erst zu einem "Datenfriedhof" gebracht und mühselig wieder dort abgeholt verbunden mit den bekannten Performance-Verlusten im System -, sondern sie werden in einer Sammeldatei (Mailbox) permanent abrufbereit gehalten.

Die Vorteile des Datenmanagements mit VTAS für einen Großanwender wie die Flachglas AG lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

- Die Software verlagert die Tabellen aus den Verarbeitungsprogrammen auf Plattenbereiche. Dadurch entfällt bei Tabellenänderungen das Ändern der Verarbeitungsprogramme und die Umwandlungszeit für diese Programme.

- Auf jede Tabelle kann sowohl aus Batch- als auch aus Online-Programmen zugegriffen werden. Das bedeutet, daß gleiche Tabellen nur einmal abgespeichert werden sind auch nur einmal gepflegt werden müssen.

- Zur Verbesserung der Laufzeit können Tabellen hauptspeicherresident geladen und verarbeitet werden. Die Transaktionsrate verbessert sich bei virtueller Verwaltung der Daten. In einem konkurrierenden Mehrbenutzerbetrieb (wie zum Beispiel CICS) wird strikt darauf geachtet, daß Transaktionen möglichst von kurzer Dauer sind, um gegenseitige Behinderungen der Anwender zu vermeiden.

Während des CICS-Betriebes kann sich der Systemprogrammierer am Bildschirm die Statistik über die Tabellenverwendung anzeigen lassen und entsprechend die Verarbeitungsmöglichkeiten während des CICS-Betriebes ändern.

- Die Fachabteilungen pflegen ihre Tabellendaten am Bildschirm über Masken selbst, die DV wird entlastet von Routinearbeiten.

Die Kommunikationswege verkürzen sich, Fehlerquellen, die sich bei Datenerfassung und Aktualisierung ergeben, reduzieren sich allein schon durch den kleineren Kreis der beteiligten Personen.

Benutzer-Exits bieten die Möglichkeit einer individuellen Bildschirmgestaltung und eigener Plausibilitätsprüfung der Eingaben.

- Die Tabellendaten werden vor Änderungen durch ein Zugriffberechtigungssystem geschützt. Der jeweilige Stand einer Tabelle wird dokumentiert und kann so jederzeit rekonstruiert werden.

Für die Flachglas AG ist das Softwarepaket VTAS nicht nur ein flexibles Dateienmanagement, sondern ein komplettes "Informationssystem". Der Benutzer erhält seine Informationen so aufbereitet, wie er sie zur Ansicht, Auswertung und Entscheidungsfindung braucht.