Nicht-IBM-kompatible Anwender denken an Fahnenflucht

05.08.1983

Immer mehr Benutzer von Nicht-IBM-kompatiblen Systemen stellen sich derzeit die Frage, ob sie ihren Lieferanten wechseln sollten. Eine große Rolle bei dieser Überlegung spielt einerseits das schmale Softwareangebot für Nicht-IBM-Mainframes, zum anderen die zunehmende Schwierigkeit, geschultes Personal mit "Bunch"-Know-how zu finden. Rudolf Zunker, DV-Leiter bei der LKB-Instrument GmbH in Gräfelfing, warnt die Anwender von "Exoten-Systemen" davor, daß "ihr" Hersteller sein Betriebssystem oder seine Produktlinie sterben lassen könnte und sie dann anwendungsmäßig in der Sackgasse steckten. Kaum verlockend empfindet der Itzehoer DV-Leiter Joachim Strahlendorf die Aussicht, sich in absehbarer Zeit nur noch in einer IBM-Welt zu bewegen. Deshalb überlegt er, ob bei einem geplanten Systemwechsel nicht auch steckerkompatible Systeme der PCMs in Frage kämen, um die Abhängigkeit von Big Blue zu verringern.

Rudolf Zunker Verantwortlich für die DV, LKB-Instrument GmbH, Gräfelfing NCR 8430

Der vielgerühmte "Anwendungsstau" und die verstärkte Suche nach neuen Lösungen ist nach meiner Ansicht heute die entscheidende Ursache dafür, daß ein Computeranwender seinem traditionellen Computerhersteller untreu wird.

Die Großanwender haben schlagkräftigere EDV-Abteilungen mit größerer Spezialisierung als die Masse der kleineren EDV-Anwender. Sie verfügen darüber hinaus über eine bessere Systemplanung. Sie sind die Vorreiter für eine Entwicklung, die sich über kurz oder lang auf den Gesamtmarkt aller Computersysteme ausdehnen wird, die nicht einem Industriestandard entsprechen.

Verfolgt man die Entwicklung auf dem Mikro-Computermarkt und vergegenwärtigt man sich, was eine zukünftige Büroautomation alles beinhaltet, so wird einem klar, daß der jetzige "Anwendungsstau" nur eine Kleinigkeit ist gegenüber dem, was auf uns zukommen wird.

Der EDV-Verantwortliche wird in Zukunft großräumiger denken, planten und handeln müssen. Er wird stärker als bisher externes Know-how in Form von Software, Beratung und Schulung einsetzen, um den gestiegenen Anwenderanforderungen gerecht werden zu können.

Der traditionelle EDV-Leiter wird in die Rolle des Informations-Managers hineinwachsen und sich vom Anwendungstechniker zum Informationsstrategen mausern.

Wir werden Abschied nehmen vom Denken in Computermodellen, wir werden dafür lernen müssen, in Computernetzen zu denken.

Die Anforderungen und die Komplexität werden zunehmen Jeder Anwender von "Exoten-Systemen" wird sich genau überlegen müssen, ob er sich mit den "Haben-wir-auch-Produkten" seines Herstellers zufriedengibt, ob er sich der Gefahr aussetzt, eines Tages doch vom Fortschritt überrollt zu werden, weil sein Hersteller aufgibt oder (überraschend) sein Betriebssystem, seine Produkt-Linie "sterben" lassen muß.

Während die IBM-Welt in ihrer Verzahnung von Hersteller, Softwareanbietern, Systemhäusern, Beratungsunternehmen, Mixed-Hardware-Anbietern, PCMs etc. ein immer Größeres Know-how-Potential konzentriert und eine immer größere Anziehungskraft auf "Exoten-Anwender" ausübt - nicht zuletzt auch durch ein umfangreiches und qualifizierteres Angebot an Fachpersonal auf dem Personalmarkt - haben Bunch & Co. bis dato außer "Haben-wir-auch-Produkten" dem nichts nennenswertes entgegenzusetzen.

Die LKB Instrument GmbH hat etwa Halbzeit mit dem laufenden Mietvertrag. Bis eine Neuentscheidung fällig wird werden sich der Mikro-Computer-Markt und der Computer-Netzwerk-Markt soweit fortentwickelt haben, daß hoffentlich klare Verhältnisse herrschen werden.

Eines steht heute bereits fest; Es wird keinen Systemabschluß mehr wie bisher geben. Dem steht ein anderes Faktum im Weg: Wir verkaufen heute als OEM-Lieferant Computer-Peripherie zu unseren Analyse-Systemen und -Geräten. In den neuesten Analyse-Systemen sind komplette Mikro-Computer-Systeme als Herzstück enthalten.

Der Gedanke liegt nahe, aus dieser Quelle benötigte Hardware als Grundbedarf für eigene Zwecke sehr preisgünstig abzuzweigen und zu "vernetzen". Ein weiterer Vorteil kommt bei dieser Lösung hinzu: Notwendiger Service könnte vom eigenen Personal, da im Hause ist, durchgeführt werden.

Von der Softwareseite her befindet sich ein Anwendungssystem, das in höchstmöglichem Maß die Möglichkeiten der Strukturierung und Systematisierung nutzt, in der Entwicklung. Für alle Anwendungen gibt es, zum Beispiel nur ein zentrales Call-Modul für die Bildschirm-Verarbeitung, für die Platten-Ein- und Ausgabe, für die Druckaufbereitung mit sogenannten virtuellen Pages. Die starke Systematisierung wird außerdem dazu führen, daß der Umfang der Jobsteuer-Anweisungen (JCL) stark reduziert wird.

Infolge einer organisatorischen Firmenumstrukturierung und Zentralisierung von Aufgaben sowie neu hinzukommenden Aufgaben ist es notwendig, die bestehende Auftrags-, Bestell- und Lageaabwicklung neu zu fassen. Damit wäre der Kernteil der Anwendung für einen Systemwechsel präpariert. Die zentralen Call-Module sind relativ schnell und einfach an eine andere Systemumgebung anzupassen. So vorbereitet, habe ich keine Angst, auf ein anderes System zu wechseln.

Joachim Strahlendorf

DV-Leiter Itzehoer Versicherungsverein Itzehoe

Wir stellen zur Zeit Überlegungen an, ob wir nicht im Rahmen einer noch in diesem Jahr zu treffenden Hardwareentscheidung von unserem Hersteller Univac weggehen sollen. Neben dem Preis-/Leistungsverhältnis konkurrierender Angebote spielen auch die Schwierigkeiten, auf Univac-Anlagen geschultes Personal zu finden, und die allgemeine Softwaresituation eine Rolle. Sowohl für VS 9 wie auch für OS 1100 bieten Univac, Softwarehäuser und andere Versicherungen nur ein sehr schmales Angebot. Als Univac-Anwender fühlt man sich trotz der Güte des technologischen Angebotes sehr einsam. Bei fortschreitender Marktverengung für "Exoten" wird insbesondere in der Zukunft das Problem, Kommunikationspartner zu finden, immer gravierender.

Wenn man sich allerdings vorstellt, daß es allmählich nur noch eine IBM-Welt im kommerziellen Anwendungsbereich geben wird, abgesehen von ein paar lokalen Siemens-Ausnahmen, ist diese Aussicht auch nicht verlockend. Nur kann sich unsere Entscheidung nicht nach der Erhaltung der Angebotsvielfalt richten. Gravierend kommt für uns in dieser konkreten Situation hinzu, daß infolge einer Rotstiftaktion vor zirka eineinhalb Jahren bei Univac das gesamte Anbieter-Kunden-Verhältnis schlechter geworden ist, was insbesondere auch im Service-Bereich deutlich zu spüren war. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir bei Univac ein großer Kunde sind. Bei der IBM würden wir "unter ferner liefen" gezählt. Hier kommt es auf die Möglichkeit und Mündigkeit des Anwenders an, ob er gut damit leben kann. Wir glauben jedoch, daß sich in puncto Kundenbezogenheit in den letzten Jahren ein Wandel bei der IBM vollzogen hat. Es wird in diesem Zusammenhang von uns jedoch auch ernsthaft überprüft, ob zur Verringerung der Abhängigkeit von der IBM auch PCMs in Frage kommen.

Helfried Plenk, Direktor-Stellvertreter der Salzburger Sparkasse, Bereich Automation

Honeywell Bull DPS 8/52

Schlagzeilen wie "XY verläßt den Marktführer - ein neuer Trend?", oder "YX wechselt in die IBM-Welt-Zeichen eines allgemeinen Aufbruchs?" können, was schon aus der beispielhaften Anführung der vorerwähnten Zitate leicht abzuleiten ist, nicht allzu ernst genommen werden. So scheint denn auch die allgemeine Entwicklung und der langjährige Trend weniger bestimmte Hersteller zu benachteiligen oder zu bevorzugen, sondern sich eher bestimmten Grundsatzforderungen anzunähern:

- Verläßliche und langjährige Betriebssystem- und Softwarekonzepte.

- Allgemein einsetzbare Programmentwicklungswerkzeuge, Verfügbarkeit von Standard-Programmiersprachenübersetzern.

-Komplettes Hardwareangebot, das alle technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit ausschöpfen läßt.

- Ein Mindestmarktanteil, der dem Benutzer zumindest das Gefühl gibt, daß er nicht alleine im Regen steht.

Kann ein Hersteller diese Forderungen nicht erfüllen, so mag die Situation für ihn, aber sicherlich auch für seine Kunden, überdenkenswürdig sein.

Standardsoftware:

Das große Problem der Standardsoftware ist immer noch, daß sie zwar "Software" ist, mit "Standard" allerdings wenig zu tun hat. Es ist sinnlos, Softwareprodukte als "Standardsoftware" zu bezeichnen, wenn diese dann nur auf einer ganz bestimmten Maschine unter einem ganz bestimmten Betriebssystem verwendbar sind. Wenn man jedoch den Softwaremarkt aufmerksam verfolgt, so ist hier ein rascher Fortschritt in Richtung wirkliche Standardisierung zu merken, wenn es auch den Anschein hat, daß der Bedarf an derartigen Standardprodukten noch immer größer wird.

EDV-Fachpersonal:

Ein Rechenzentrum sollte möglichst unabhängig von der jeweils eingesetzten Hardware betrieben werden. Es ist selbstverständlich, daß je nach Größenordnung gewisse Systemfachkenntnisse beziehungsweise eine Systemgruppe vorhanden sein müssen, Produktionsbetrieb und Systementwicklung sollten jedoch allgemein gültigen Regeln folgen.

Technologieproblem:

Sehr viele revolutionäre Entwicklungen kamen nicht von den großen Herstellern, sondern durchaus von kleinen und sogar von sogenannten "Exoten". Wenn man den Technologiestandard der einzelnen Hersteller untersucht so ergeben sich hier kaum allzugroße Verschiebungen.

Herstellertreue:

Mit der Herstellertreue hat es so manches auf sich:

- Jener Anwender, der aus Mitgefühl, Verbundenheit oder sonstigen menschlichen oder seelischen Gründen einem Hersteller die Treue wahrt und hierbei vielleicht das kritische Auge ein wenig zudrückt, ist sicherlich für den Hersteller eine größere Gefahr als ein sehr kritischer Anwender, der immer und überall das Letzte vom Hersteller fordert.

- Auf der anderen Seite kann natürlich nicht hinweggeleugnet werden, daß eine langjährige Geschäftsverbindung sich auch sehr positiv auf Hersteller und Anwender auswirken kann, da man einander kennenlernt, die einzelnen Mitarbeiter die Probleme besser kennen und so natürlich auch dieser Hersteller bei einer allgemeinen Ausschreibung den sogenannten Heimvorteil hat. Bei der Salzburger Sparkasse wurden die Herstellerentscheidungen sehr sehr kritisch getroffen, bei jeder neuen größeren Entscheidung bestand durchaus die Möglichkeit zu einem Herstellerwechsel, der im Terminalbereich (der ja heute ein Mehrfaches des Mainframes rein budgetmäßig ausmacht!) auch vollzogen wurde! Eine sehr wesentliche Tatsache für den Anwender stellt doch auch vielleicht eine gewisse Diversifikation bei den einzelnen technischen Ausstattungen dar, da natürlich nur dann echte und realistische Erfahrungen mit verschiedenen Herstellern gewonnen werden können.

Dem kleinen Anwender dem hier die Diversifikationsmöglichkeit fehlt, seien hier die zahlreichen Benutzerorganisationen ans Herz gelegt, welche den nötigen Interessenaustausch absolut gewährleisten.

Der mündige Anwender:

Dies ist wohl eines der meist mißbrauchten Schlagworte der EDV-Welt. Für einen mündigen Anwender sollte eigentlich nicht die Frage bestehen, in welcher ideologischen Welt er sich bewegt, sondern für den mündigen Anwender kann die Frage immer nur sein, welcher Hersteller mit welchen Geräten und mit welchen Softwareprodukten einerseits die kurz- und mittelfristigen Probleme am besten lösen kann und auch eine langfristige Strategie ermöglicht.