"Nicht an, sondern mit den IT-Kosten sparen"

01.07.2009
Von Thomas Hemmerling-Böhmer
Am Rande des Jahreskongresses des Microsoft Business User Forum e.V. (Mbuf) sprach dessen Vorstandssprecher Thomas Hemmerling-Böhmer mit dem für die Großkunden verantwortlichen Microsoft-Geschäftsführer Marcel Schneider.

HEMMERLING-BÖHMER: Seit Jahren schwelt der Streit zwischen der EU und Microsoft bezüglich der standardmäßigen Integration des Internet Explorer in das Betriebssystem. In den Augen der EU stellt das eine Wettbewerbsverzerrung dar. Microsoft hat immer argumentiert, man könne den IE nicht herauslösen, weil sonst nicht vertretbare Inkompatibilitäten bei der Windows-internen Kommunikation aufträten. Nun wurde berichtet, Microsoft liefere Windows 7 ohne IE aus. Woher kommt der Stimmungswandel?

SCHNEIDER: Der weltweite Launch von Windows 7 rückt schnell näher. Wir halten daran fest, das neue Betriebssystem zeitgleich in Europa und dem Rest der Welt freizugeben. Vor dem Hintergrund offener rechtlicher Auseinandersetzungen hat Microsoft daher entschieden, den Internet Explorer für Computerhersteller und Endkunden als Stand-alone-Produkt zur Verfügung zu stellen, anstatt ihn in Windows 7 zu integrieren. Das ist ein wichtiger Schritt für uns. Wir wollen und werden den weltweiten Launch-Termin einhalten; von daher müssen wir uns mit den rechtlichen Realitäten in Europa auseinandersetzen. Obgleich es nicht unsere erste Wahl ist, glauben wir, dass unser Vorgehen zielführend ist.

HEMMERLING-BÖHMER: Inwieweit sehen Sie einen Erfolg oder Misserfolg an der Browser-Front als entscheidend für das SaaS-Geschäftsmodell von Microsoft?

SCHNEIDER: Im Rahmen unserer Software-plus-Services-Strategie haben wir in den vergangenen letzten Monaten ein Gesamtangebot Internet-basierender Dienste vorgestellt. Sie erweitern die Zuverlässigkeit von Office- und Firmensoftware durch die Aktualität von Daten aus dem Internet. Das Besondere an diesem Angebot ist, dass der Nutzer freie Wahl hat, wie und von wo aus er auf die Software zugreift – ob sie nun lokal installiert ist, als Internet-Dienst bereitsteht oder als Kombination aus beidem genutzt wird. Fraglos ist der Browser in diesem Umfeld eines der zentralen Hilfsmittel für die Anwender. Und selbstverständlich wünschen wir uns, dass unsere Kunden den Internet Explorer verwenden.

HEMMERLING-BÖHMER: Windows 7 soll jetzt schon im Oktober in die Regale kommen. Was hat Microsoft dazu veranlasst, den Verkaufstermin so weit nach vorn zu verlegen? Immerhin waren die ursprünglichen Release-Daten weit im Jahr 2010 angesiedelt. Das Weihnachtsgeschäft kann es ja wohl nicht sein?

SCHNEIDER: Ein Betriebssystem zu entwickeln ist eine sehr aufwändige Angelegenheit, zumal auch das Testing der Applikationen und Geräte viel Zeit in Anspruch nimmt. An diesen Themen arbeiten bei Microsoft zirka 8000 Mitarbeiter. Ursprünglich hatten wir ein Veröffentlichungsdatum Anfang 2010, also genau drei Jahre nach Windows Vista, ins Auge gefasst. Der Termin am 22. Oktober wird jedoch von allen Marktpartnern – seien es nun Hardwarehersteller, Händler oder Kunden – sehr positiv aufgenommen.

HEMMERLING-BÖHMER: Windows 7 ist offensichtlich eine Weiterentwicklung von Vista. Daher gibt es auch einen klaren Migrationspfad von Vista nach Windows 7. Was ist aber mit der großen Installationsbasis von XP? Gerade im industriellen Sektor sind ja nicht sehr viele Firmen auf Vista umgestiegen. Wie wird Microsoft diese Unternehmen unterstützen?

SCHNEIDER: Die Kunden können von Windows XP auf Windows 7 upgraden; allerdings müssten sie dazu einen "Clean Install" vornehmen. Das bedeutet: Sie müssen ihre Daten sichern, Windows 7 installieren, die Programme und Daten wieder aufspielen. Ein Update ist technisch nicht vorgesehen. Technisch möglich ist ein Update von Windows Vista, aber auch hier empfehlen wir eine Neuinstallation. Übrigens bieten wir Hilfestellungen zu allen Migrationsthemen auch über unser "Springboard"-Center für Client-Themen an.

HEMMERLING-BÖHMER: Gerade der Mittelstand beklagt häufig das Fehlen von adäquaten Microsoft-Beratern. Viele Systemhäuser können die geforderte Beratungsqualität nicht liefern. Microsoft selbst hat zu wenige Berater – und die wirklich guten werden von den Großunternehmen belegt. Wie will Microsoft dieses Defizit angehen, vor allem vor dem Hintergrund der anstehenden Neuerungen?

SCHNEIDER: Microsoft hat mehr als 2300 Certified- und Gold-Certified-Partner in Deutschland, die 17 Kompetenzfelder abdecken, beispielsweise Security oder Unified Communications (UC). Unsere Kunden können über Suchmechanismen auf unseren Web-Seiten den zu ihnen passenden Partner suchen. Aber wir tun noch mehr, um dieses in der deutschen IT-Industrie einzigartige Partner-Ökosystem zu unterstützen. So gewährleistet unsere eigene Consulting-Abteilung den Know-how-Transfer zu unseren Partnern, und wir bilden zertifizierte Personen in den wichtigen Themen in der Breite aus – über 1500 Personen allein in diesem. Trotzdem wird Microsoft sein Partnersystem den geänderten ökonomischen Anforderungen anpassen. Derzeit ist das Programm in 17 Kompetenzen aufgeteilt, die sich wiederum in verschiedene Spezialisierungen untergliedern. Für den Kunden ist das auf den ersten Blick nicht transparent genug. Er möchte eigentlich schon am Logo erkennen, welches Know-how der jeweilige Partner besitzt. Daher wird Microsoft künftig die Spezialisierungen als Kompetenzen umsetzen.

HEMMERLING-BÖHMER: Trotz Wirtschaftskrise gehören die großen Softwarehersteller wie Microsoft und SAP immer noch zu den Unternehmen, die gute Gewinne verbuchen können. Umso verständnisloser reagieren die Kunden ja mittlerweile auf einsame Lizenzierungs- oder Supportentscheidungen der Anbieter, wie am Beispiel des SAP Enterprise Support zu sehen war. Wie passen die Wachstumspläne von Microsoft also zur gesamtwirtschaftlichen Lage, und welche Pläne oder Angebote hat Microsoft, um seine zum Teil arg gebeutelten Kunden in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen?

SCHNEIDER: Der strategische Einsatz von IT hilft Unternehmen, Kosten zu senken. IT ermöglicht es den Mitarbeitern, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Genau das vermitteln wir unseren Kunden, und wir leben es vor. Zum Beispiel hat Microsoft in den vergangenen Monaten durch den konsequenten Einsatz von Unified Communications und die damit einhergehende Verringerung der Reisekosten etwas über 200 Millionen Dollar Dollar einsparen können. Die Anforderungen mittelständischer und größerer Betriebe an uns sind eigentlich immer dieselben: Helft uns, Geld zu sparen! Helft uns, Zeit zu sparen! Helft uns, der Datenflut Herr zu werden! Helft uns, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren! Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bieten wir unter anderem Collaboration- und Unified-Communication-Tools, Virtualisierungs- und Business-Intelligence-Lösungen an. Daneben haben wir drei konkrete Maßnahmen entwickelt, um kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen. Das sind zum einen Preispromotionen; sie sollen Unternehmen in die Lage versetzen, ihre IT zu überschaubaren Kosten wettbewerbsfähig zu machen, indem sie den Partnern und Händlern besondere Konditionen einräumen. Zum anderen machen wir den Kunden Finanzierungsangebote, um den nachhaltigen Aufbau einer IT-Infrastruktur langfristig bezahlbar zu machen. Und schließlich bieten wir innovative Produkte und Bereitstellungskonzepte, mit denen die IT mittelständischer Unternehmen einfacher, produktiver und kostengünstiger ihre Aufgaben erfüllen kann.

HEMMERLING-BÖHMER: Microsoft hat ja eine Vielzahl neuer Produkte angekündigt, unter anderem Office 14. Haben Sie eigentlich eine aktualisierte, verlässliche Roadmap, anhand derer die Unternehmens-IT bereits erste Planungen vornehmen kann?

SCHneIDER: Derzeit veröffentlichen wir keine Roadmap über alle Business-Produkte hinweg. Eine veröffentlichte Roadmap verleitet sehr stark dazu, den Qualitätsaspekt in der Softwareentwicklung den Terminen des Veröffentlichungsfahrplans anzupassen. Diese Situation wollen wir vermeiden. Für einzelne Produkte, beispielsweise Microsoft Exchange Server 2010, bei denen wir die Produktentwicklung bereits gut absehen können, veröffentlichen wir solche Fahrpläne aber durchaus. Wir wissen natürlich, dass frühzeitige Informationen über die Entwicklung von Software eine wesentliche Hilfe für IT-Investitionsentscheidungen sind. Dafür gibt es die Möglichkeit, Informationen eines unabhängigen Beratungshauses, Directions on Microsoft, zu nutzen. (qua)