Newcomer mit Ambitionen im Client-Server-Markt Microsoft-Boss Rudolf Gallist: "Wir wollen keine zweite IBM werden"

18.02.1994

Nach knapp dreieinhalb Jahren als Geschaeftsfuehrer bei Microsoft soll Jochen Haink nun von einem Fuehrungsduo ersetzt werden. In seine Fussstapfen treten der Vertriebsspezialist Rudolf Gallist und sein schweizerischer Marketing-Kollege Peter Blum. Im Gespraech mit den CW-Redakteuren Hermann Gfaller und Alexander Deindl aeusserte sich Gallist zu seinen Plaenen als Geschaeftsfuehrer und zur Zukunft von Windows NT.

CW: Welche Veraenderungen gegenueber der Unternehmenspolitik von Jochen Haink wollen Sie als neuer Geschaeftsfuehrer vornehmen?

Gallist: Zunaechst haben wir die Logistik nach Irland verlegt. Neben der bisherigen Taetigkeit soll nun auch die Vertriebsverantwortung Zentraleuropa in Deutschland unter meiner Regie liegen. Sonst sind eigentlich keine Veraenderungen geplant.

CW: Wie sieht das Microsoft-Management jetzt aus?

Gallist: Christian Wedell ist der Gesamtverantwortliche fuer Zentraleuropa. Das sind sieben Laender. Wir wollten die von Haink vorgenommene Aufgabenteilung umverteilen, um das Marketing der deutschsprachigen Produkte auch in die anderen Laender zu bringen. Peter Blum, Geschaeftsfuehrer Microsoft Schweiz, uebernimmt das Marketing fuer ganz Zentraleuropa. Ich leite die Infrastruktur fuer Zentraleuropa und verantworte gleichzeitig den Vertrieb in Deutschland. Der Vertrieb in der Schweiz bleibt dagegen bei Blum. Wedell ist nicht nur Europa-Chef, sondern auch Vorsitzender der Geschaeftsfuehrung in Deutschland und verantwortlich fuer osteuropaeische Angelegenheiten.

CW: Haink fuehrte ein Unternehmen, das hauptsaechlich im Endanwendergeschaeft taetig war. Mit Windows NT ist Microsoft nun in den Server-Markt eingestiegen. Die Kunden in diesem Segment haben jedoch ganz andere Wuensche. Diese Anwender sind wohl kaum mit einer akzeptablen Hotline zufriedenzustellen. Was haben Sie vor?

Gallist: Es stimmt, wir bewegen uns in voellig anderen Geschaeftsfeldern. Wir muessen die neuen Anforderungen der Kunden parieren - speziell im High-end-Sektor. Daraus ergeben sich ganz neue Aufgaben an den technischen Kundendienst. Wir wollen jedoch keine zweite IBM werden, sondern unsere Partner als "Solution- Provider" partizipieren lassen.

CW: Heisst das, Microsoft ueberlaesst das Grosskundengeschaeft den Partnern?

Gallist: Wir wollen das Grosskundengeschaeft zusammen mit Partnern betreiben, um Dinge moeglich zu machen, die wir alleine nicht durchfuehren koennten.

CW: Wie bauen Sie intern das technische Know-how auf, das Sie brauchen werden, um den Netzanforderungen oder der Einbindung von Microsoft-Produkten in die IBM-Mainframe-Welt gerecht zu werden?

Gallist: Es gibt dafuer eine neue Serviceabteilung, den Corporate- Support fuer Grosskunden.

CW: SNI und DEC haben in puncto Positionierung von Windows NT andere Vorstellungen wie Microsoft. Beide Unternehmen sehen NT lediglich als Server-System fuer lokale Netze. Fuer den Mission- critical-Einsatz sei NT hingegen kaum geeignet. Wie bringt man den Partnern die eigenen Ideen bei?

Gallist: Es stimmt, dass der eine oder andere Partner so denkt. Um diesem Missverstaendnis entgegenzutreten, bauen wir derzeit fuer den eigenen Bedarf ein Rechenzentrum fuer Windows NT und Windows fuer Workgroups 3.11. Ausserdem portieren wir vertikale Applikationen - Stichwort R/3 von SAP - auf NT, um unsere Warenwirtschaft umzustellen. Damit koennten wir auch ein Showcase fuer den Grosskunden bieten.

CW: Das klingt so, als ob Microsoft aufgrund fehlender NT-Kunden als sein eigener Referenzanwender auftreten muss.

Gallist: Wir sind Newcomer in diesem Markt. Es war von vornherein klar, dass es einige Zeit dauern wird, bis sich die Plattform durchgesetzt hat. Die Zusammenarbeit mit DEC und SNI steht daher im Zentrum unserer Strategie. Die Partner muessen erst die Vorteile und Sicherheit dieses Produkts erkennen.

CW: Man hat das Gefuehl, Microsoft spricht zur Zeit viel ueber Zukunftsprodukte wie etwa Windows 4 oder Cairo, obwohl das Unternehmen noch nicht einmal mit NT klarkommt.

Gallist: Microsoft hatte immer schon Visionen - das ist die Staerke dieser Firma. Sicherlich hat das eine oder andere laenger gedauert, als man sich urspruenglich vorgestellt hat. Es ist schwierig, den Kunden die einzel- nen Produkte richtig zu vermitteln.

CW: NT war, wie jetzt auch Windows fuer Workgroups und Windows 4, anfangs als Client-System geplant. Konkurrieren diese Produkte nicht untereinander?

Gallist: Nein. Wir haben in unserer Niederlassung sowohl Windows fuer Workgroups 3.11 als auch NT im Einsatz. Wir fassen dabei einzelne Arbeitsgruppen zusammen. NT uebernimmt die Rolle der Administration.

CW: Alle Welt wartet derzeit auf objektorientierte Betriebssysteme. Warum sollen die Kunden jetzt NT kaufen, wenn sie schon bald zwischen verschiedenen moderneren Produkten wie Power OS oder Cairo waehlen koennen?

Gallist: Entscheidend ist, welche Hilfestellungen die Firma, fuer deren Produkt ich mich entscheide, anbietet. Das gilt vor allem auch fuer Client-Server-Strukturen. Wir werden grosse Anstrengungen unternehmen, um die Administration sicherzustellen.

CW: Man hat das Gefuehl, Microsoft hat NT nur deshalb auf den Markt gebracht, um ein Praeventivprodukt gegen das Eindringen von Unix in den Desktop-Markt sowie gegen Novells Betriebssystem liefern zu koennen.

Gallist: NT ist der Eintritt in das High-end-Geschaeft. Wir werden das Produkt daher auf keinen Fall aufgeben. Dazu ist die Client- Server-Richtung zu wichtig.

CW: Angenommen, Sie haben den gewuenschten NT-Erfolg. Wer soll danach noch Cairo kaufen? Der Anwender wechselt ein Server- Betriebssystem doch nicht jedes Jahr.

Gallist: Das haengt mit den Kundenanforderungen zusammen. Der Schaden waere unermesslich, wenn wir NT ins Leere laufen liessen - bei diesem Engagement, das wir zeigen.

CW: Wie verkauft sich das Produkt?

Gallist: Es verkauft sich unseren Erwartungen entsprechend. Wir laufen auf Plan.

CW: Wir danken Ihnen fuer dieses Gespraech.