Neustart bei SAP: Analysten sind skeptisch

10.02.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
SAP steckt in der Krise, lautet das Urteil der meisten Marktbeobachter. Ob die eilig installierte Doppelspitze die Probleme lösen kann, ist fraglich.

Ist Léo Apotheker schuld an der SAP-Krise?

Holger Kisker, Forrester Research: Nach 20 Jahren bei der SAP wäre es unfair, Apotheker, der über viele Jahre eine tragende Rolle für SAPs Wachstum gespielt hat, allein für die momentanen Schwierigkeiten verantwortlich zu machen. Schon seit einigen Jahren hat sich die SAP weg von ihren ursprünglichen Stärken wie Produktqualität, Innovation und Zuverlässigkeit hin zu einem vertriebsorientierten Unternehmen entwickelt. Der Kunde und seine Bedürfnisse rückten immer weiter aus dem Fokus der Firmenstrategie zugunsten von kurzfristigen Umsatzzielen.

Nils Niehörster, Hoppenstedt/Raad Research: Léo Apotheker hatte natürlich das Pech, dass er die SAP in einem extrem schwierigen Umfeld führen musste. Und dabei hat er sich – kurzfristig gesehen – im Hinblick auf die Marge des Unternehmens im Branchenvergleich nicht einmal schlecht geschlagen. Allerdings ist Marge für sich alleine ein zu beschränktes Ziel bei einem Unternehmen dieser Größenordnung. Grundsätzliche Fragen sind unbeantwortet geblieben, und neue, strategische Impulse haben gefehlt. Zusätzlich hat Apotheker verschiedentlich unglücklich kommuniziert und gehandelt.

Kann Hasso Plattner die SAP wieder flottmachen?

Frank Naujoks, i2s: Schon länger gab es Gerüchte, dass sich Hasso Plattner stärker involviert und die Tage von Léo Apotheker gezählt sind. Doch die Stärkung der Rolle des Gründers Plattner in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender und technologischer Berater wird nicht automatisch die Probleme lösen, vor denen SAP steht. Die Kunden lehnen sich zunehmend gegen das traditionelle Software-Verkaufsmodell auf, Neugeschäft ist immer schwerer zu gewinnen, da eine zunehmende Sättigung in den SAP-Kernmärkten eintritt, Wartungspreise sind in der Diskussion – und die Belegschaft ist nach mehreren Reorganisationen und Sparrunden auch erst einmal wieder zu motivieren.

Nils Niehörster, Hoppenstedt/Raad Research: Nach allem, was man hört, hat Plattner den Wechsel aktiv im Aufsichtsrat betrieben und dafür auch erfolgreich die Stimmen aller Aufsichtsratsmitglieder vereinigen können. Das belegt die immens starke Rolle, die Plattner innerhalb der SAP immer noch spielt. An dieser Stelle möchte ich jedoch anmerken, dass der Einfluss von Plattner auf die operative Geschäftsführung – auch schon vor dem Umbau des Vorstandes, aber nun umso mehr – aus Corporate-Governance-Sicht bedenklich ist. Immerhin kontrolliert Herr Plattner damit im Aufsichtsrat ganz offenkundig seine eigenen Beratungsempfehlungen an den Vorstand der SAP.

Welche Chancen hat SAP mit ihrer neuen Strategie?

Andreas Zilch, Experton Group: Genau dort liegt das Problem! Die SAP-Strategie ist gegenwärtig weder für Mitarbeiter noch für Kunden zweifelsfrei zu erkennen. Im Basisgeschäft ist SAP solide und erfolgreich, Innovationen scheitern aber regelmäßig, die Kommunikation ist intern wie extern katastrophal, und so ist auch die extreme Verunsicherung auf allen Ebenen zu erklären. SAP muss nicht nur ein solides Basisportfolio liefern, sondern auch Innovationen wie Netweaver und Business ByDesign erfolgreich entwickeln und vermarkten. Weiterhin muss SAP die alten Tugenden wie Kundenorientierung, das Partnernetz und Branchen- und Prozess-Know-how kombinieren mit neuen Komponenten wie Communities, Web 2.0 und Cloud Computing.

Andreas Klein, Techconsult: SAP muss die Vertriebs- und Marketing-Anforderungen in Einklang mit der Neuprodukt-Entwicklung bringen. Dabei gilt es vor allem, neue Anwendungsfelder zu identifizieren. Wenn das Geschäft zu 80 Prozent auf den Bestandskunden lastet, ist das Neukundengeschäft konzentriert anzugehen.

CW: Wie wird die neue Doppelspitze funktionieren?

Andreas Zilch, Experton Group: Diese Doppelspitze ist für ein Unternehmen dieser Klasse nur eine Notlösung – sehr schnell muss eine Persönlichkeit gefunden werden, die SAP wieder zum Erfolg zurückführt. Der Aufsichtsrat ist nach seiner Aktion sicher vom Rücktritt nicht überrascht und hatte somit schon einige Zeit, sich über die Nachfolge Gedanken zu machen. Die Person und die Vita des neuen Lenkers müssen die neue Strategie der SAP widerspiegeln.