Neurocomputer Synapse-1 wird auf CeBIT vorgestellt SNI will Mainframes oeffnen und mit Cluster-Konzept flottmachen

18.02.1994

HANNOVER (jm) - Die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) hat auf ihrer Strategietagung in Hannover mittelfristige Ziele der kommenden Jahre abgesteckt und praesentiert, was sie auf der CeBIT '94 an Novitaeten zu bieten hat.

Hoffnungstraeger der Paderborner sind dabei im Bereich Hardware die PC- und Unix-Systeme. Vor allem die Intel-Rechner der diversen PCD-Linien machen Horst Nasko, dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzender der SNI, offensichtlich viel Freude. Nicht nur tragen sie zu ueber 50 Prozent zum gesamten Hardwaregeschaeft bei. Sie weisen vielmehr auch deutliche Steigerungsraten auf (vgl. CW Nr. 6 vom 11. Februar 1994, Seite 10: "SNI kann im PC- Segment...").

Auf der CeBIT 1994 wird SNI mit dem "PCE-5S"-Modell als einer der ersten Hersteller ein Pentium-PC-System praesentieren, dessen CPU mit 90 Megahertz getaktet ist.

Daneben erlebt auch der Oekorechner "PCD-4L/VL", der der EPA-Norm der US-amerikanischen Umweltbehoerde Environmental Protection Agency entspricht, in Hannover seine Premiere. Aus der Notebook- Familie praesentiert SNI zwei weitere Mitglieder. Eines davon verfuegt ueber ein Aktiv-Matrix-Farbdisplay.

Fuer Interessenten an hochkapazitiven Unix-Servern zeigt SNI auf der CeBIT den mit 24 R4400-Mips-Prozessoren ausstaffierten "RM600"-Rechner, "Modell 5xx". Seine Kennzeichen: Maximal 50 Multibus-II-Steckplaetze, bis zu 450 Festplatten, ueber 60 Kommunikationskanaele und mehr als 1000 Arbeitsplatzanschluesse. Die Siemens-Tochter machte bislang keine Angaben zum Termin der Verfuegbarkeit des Multiprozessor-Systems.

Nach Aussage von SNI-Vorstandsmitglied Hartwig Rogge ist SNI im Segment der grossen Unix-Mehrplatzsysteme europaweit nach wie vor Spitzenreiter. Eine Einschaetzung, die das Markt- forschungsinstitut International Data Corp. (IDC) teilt. Im Herbst 1993, so Rogge, habe SNI das 100 000ste Sinix-System, kurz zuvor das 1000ste RM600-Modell an den Kaeufer gebracht.

Siemens-Nixdorf auf den Spuren von Big Blue

Bezueglich der proprietaeren Grossrechnersysteme aus der BS2000-Welt rekurrierte Hans Breidler, Leiter der Systemstrategie bei SNI, auf Erkenntnisse, die bei IBM schon seit laengerem ausgemachte Sache sind: Bei zukuenftigen Mainframe-Generationen setzt auch SNI im Entwicklungsbuendnis mit der Fujitsu Ltd. nicht mehr auf die zwar leistungsstarke, dafuer aber teure und nur begrenzt skalierbare ECL-Technologie (Emitter Coupled Logic). "CMOS", so Breidler definitiv, "ist die alleinige Prozessortechnologie der Zukunft." Bislang setzt die SNI CMOS-Prozessoren (Complementary Metal Oxyde Semiconductor) erst in der neuen C70-Modellreihe der System-7500- Linien ein.

Darueber hinaus - so Breidler weiter - will man bis 1995 erste sogenannte Cluster-Systeme entwickelt haben. Dabei sollen mehrere Grossrechner zu einem Rechnerverbund zusammengefasst werden. Die Mainframes sind mit jeweils einer BS2000-Betriebssystem-Kopie sowie mit je vier bis acht Prozessoren bestueckt. Die SNI- und Fujitsu-Entwickler wollen sich fuer diese Rechnergruppierungen analog IBMs Sysplex-Architektur Glasfaserver- sowie Kanal-zu- Kanal-Anbindungen und Globalspeicher nutzbar machen.

Eine Herausforderung fuer solche Cluster-Systeme stellt besonders die Software dar. Fuer die 1995 geplante erste Realisierungsphase verspricht SNI eine in das BS2000-Betriebssystem eingearbeitete Multiprozessor-Unterstuetzung. Als wesentlichen zweiten Schritt zur Verwirklichung der Cluster-Systeme arbeiten die Softwerker unter anderem an der Unterstuetzung geeigneter Sperrmechanismen fuer Datenzugriffe (Lock-Management) sowie an Konzepten fuer verteilte Datenbanken.

Ein Nahziel der SNI ist die Offenlegung der hermetischen BS2000- Welt. Auch hierzu soll die diesjaehrige CeBIT eine geeignete Buehne der Selbstdarstellung abgeben. SNI zeigt in Hannover erstmals die funktionale Verbindung des Distributed Computing Environment (DCE) der OSF mit Sinix. In der transaktionsorientierten Umgebung einer UTM-Anwendung (Universal Transaction Monitor) wollen die Paderborner das Zusammenspiel eines BS2000/OSD-Systems mit Sinix- und PC-Clients demonstrieren.Bis 1995 hofft SNI zudem, die System- 7500-Grossrechner als offene Plattformen deklarieren zu koennen. Bis dahin soll die BS2000-Umgebung sowohl mit der Posix- als auch mit der XPG-Norm der X/Open konform sein.

Gemeinsam mit der Kendall Square Research Inc. (KSR) macht sich SNI an die nicht triviale Aufgabe, massiv-parallele Systeme zu entwickeln. Bislang schon vertreibt man KSRs KSR-1- und KSR-2- Systeme.

Last, but not least werden CeBIT-Besucher erstmals SNIs Neurocomputer "Synapse-1" begutachten koennen. Der unter Mitwirkung der Universitaet Mannheim entwickelte Rechner soll Mitte 1994 auf den Markt kommen. SNI reklamiert fuer das System einen weltweit gueltigen Geschwindigkeitsrekord.

Seine Leistung bezieht Synapse-1 aus dem Signalprozessor "MA 16", den Siemens entwickelte. Er besteht aus 610 000 Transistoren und wird in 1-Mikron-CMOS-Technologie gefertigt. Das System ist sowohl bezueglich der Prozessoren als auch der Speicherarchitektur skalierbar. Serienmaessig wird Synapse-1 mit acht CPUs ausgeliefert. Mit 128 MB Speicher kostet er in Deutschland rund 400 000 Mark.