Neun Thesen zum Outsourcing

04.09.2006
Von Eberhard Schott, Christian Schauß 
IT-Auslagerung ist eine komplexe Aufgabe mit dem einfachen Ziel, Kosten zu sparen. Das muss sich nicht widersprechen, behaupten Eberhard Schott und Christian Schauß*.

Wer auslagert, verkauft eine Kundenbeziehung mit sich selbst

Vor der Make-or-buy-Entscheidung sollten Services und die Leistungsfähigkeit der internen IT analysiert werden: Komplexe und individuelle Dienste lassen sich schlecht auslagern, daher sollten sich Unternehmen die Frage stellen, ob diese Services in der bisherigen Form betrieben werden müssen. Ist das der Fall, sollte die interne IT-Mannschaft auch dazu in der Lage sein.
Vor der Make-or-buy-Entscheidung sollten Services und die Leistungsfähigkeit der internen IT analysiert werden: Komplexe und individuelle Dienste lassen sich schlecht auslagern, daher sollten sich Unternehmen die Frage stellen, ob diese Services in der bisherigen Form betrieben werden müssen. Ist das der Fall, sollte die interne IT-Mannschaft auch dazu in der Lage sein.

Am Beginn eines Auslagerungsprojekts steht erst einmal ein Paradoxon: Vor dem Start tritt der Outsourcing-Anbieter in den Verhandlungen als Käufer und das Anwenderunternehmen als Verkäufer auf. Outsourcing beginnt häufig mit dem Verkauf des bislang vom auslagerungswilligen Unternehmen genutzten IT-Equipments. Dahinter verbirgt sich unter anderem auch ein Finanzierungsmodell, das ähnlich wie ein "Sale-and-lease-back"-Verfahren vorsieht, die IT-Installation an den künftigen Betreiber zu verkaufen, der sie anschließend gegen eine monatliche Miete dem Anwenderunternehmen zur Verfügung stellt.

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1214335: Die Kosten des Outsourcings;

567012: Personalkosten lassen sich kaum drücken;

576873: Auslagern spart 15 Prozent.

Ob der Rollentausch zwischen Verkäufer und Einkäufer immer besonders gut gelingt, ist zu bezweifeln. So locken etwa die Verkäufer der IT-Dienstleister mit besonders attraktiven Angeboten (insbesondere beim Kauf von IT-Töchtern), doch die Einkäufer auf Anwenderseite sollten nicht die Wechselwirkung zwischen aktuellen Verkaufskonditionen und der Qualität der später gelieferten Leistung aus den Augen verlieren. Im Zentrum des Vertrags steht ein Abnahmeversprechen von IT-Dienstleistungen über mehrere Jahre. Das auslagernde Unternehmen sollte sich darüber im Klaren sein, dass es für diese Zeitspanne jeglichen Wettbewerb ausschließt.

Mit anderen Worten: Wer eine Kundenbeziehung mit sich selbst verkauft, muss eine enge Bindung ertragen. Outsourcing ist kein Befreiungsakt, sondern ersetzt eine interne, oft nicht eindeutig festgeschriebene Beziehung durch eine externe, formale Bindung. Die langfristige Zusammenarbeit ist Grundlage des Geschäftsmodells der Anbieter, ihre Kalkulation beruht auf Erwartungen über den künftigen Geschäftsverlauf. Der Wert der zu übernehmenden IT-Ressourcen oder Funktionen spielt eine untergeordnete Rolle.

In den letzten Jahren haben einige "clevere" Anwenderunternehmen es verstanden, durch geschickte Verhandlungen sehr gute Preise zu erzielen. Auf der Anbieterseite haben einige "hungrige" Neueinsteiger übersehen, dass statt impliziter Abnahmeversprechen nur vertragliche Abnahmepflichten wirklich zählen. Solche Verträge laufen aber tendenziell für beide Seiten schlecht. Denn ein Outsourcing-Anbieter, dessen Geschäftsmodell sich aufgrund geringer Abnahmemengen nicht rechnet, ist eher selten ein angenehmer Partner. Wer eine Kundenbeziehung mit sich selbst verkauft, sollte dem Outsourcer die Möglichkeit einräumen, seine Investitionen wieder hereinzuholen.

Anwender wollen hauptsächlich Kosten senken

Der zentrale Treiber für Outsourcing-Projekte ist das Bedürfnis, direkte und indirekte Kosten zu senken. Dies belegen nahezu sämtliche Studien. Viele der sonst noch genannten Gründe sind vorgeschoben. Hintergrund ist, dass IT von vielen Managern auf Geschäftsleitungsebene nur noch als Kostenfaktor gesehen wird. Es gibt nicht wenige, die an der Fähigkeit der IT zweifeln, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Da hilft es auch nicht, wenn Anbieter und Berater immer wieder darauf hinweisen, dass die IT-Auslagerung eine wesentliche Möglichkeit ist, Dienstleistungsmentalität, Flexibilität und Qualität zu verbessern.

Tatsächlich bietet das Outsourcing enormes Einspar- potenzial beim Personal sowie in der IT-Infrastruktur, der Anwendungsentwicklung und -wartung sowie den Gemeinkosten (etwa Raum- und Energiekosten). Die Anbieter sind darauf spezialisiert, Synergien zu heben und Prozesse effizient zu gestalten. Sie können insbesondere Kos- ten dort deutlich senken, wo die interne IT schlecht aufgestellt ist.

Outsourcing kostet Geld

Auslagerungsprojekte sind nicht kostenlos. In der Startphase fallen Anbahnungs- und Transformationsaufwendungen an, die der Anwender zu tragen hat. Zudem ist die IT-Abteilung während der Übergangsphase eine Zeitlang nicht mit ihren internen Kunden, sondern mit sich selbst beschäftigt. Die damit verbundenen Opportunitätskosten dürfen nicht vernachlässigt werden. Auch die langjährige Geschäftsbeziehung während der Vertragslaufzeit ist nicht umsonst zu haben, selbst das Ende der Partnerschaft kostet Geld. Sämtliche Investitionen in das Outsourcing-Vorhaben, also die "Kosten der Kostensenkung", lassen sich unter dem Begriff "Transaktionskosten" zusammenfassen.

Transaktionskosten werden häufig übersehen oder unterschätzt. Dabei betragen sie zwischen zehn und 50 Prozent der bisherigen IT-Kosten. Durchschnittlich erzielen Unternehmen mit ausgelagerter IT einer Umfrage des Beratungshauses TPI zufolge Nettoeinsparungen von rund 15 Prozent. Um diesen Wert zu erreichen, muss der Outsourcing-Anbieter die Leistungen zwischen 25 und 65 Prozent günstiger als eine interne Abteilung erbringen.

Komplexität verhindert Einsparungen

Die Komplexität von Auslagerungsprojekten wurde in Wissenschaft und Praxis lange Zeit unterschätzt. In der "2006 Global IT Outsourcing Study" von Diamond Cluster International gaben viele der dort befragten US-amerikanischen Unternehmen zu, dass sie den Aufwand, der mit der Partnersuche und dem Verhandeln von Verträgen verbunden ist, unterschätzt hätten. Doch damit nicht genug: Auch der Aufwand, den IT-Betrieb und die Beziehung zum Outsourcing-Partner zu steuern, ist erheblich.

Es gibt Möglichkeiten, diese Komplexitäten zu reduzieren. Teilaufgaben auszulagern ist weniger aufwändig als das Komplett-Outsourcing. Standardisierung vereinfacht den Betrieb (siehe Grafik). Eine vertrauensvolle Partnerschaft verlangt weniger Investitionen in Beziehungs- und Vertragsstrukturen. Insgesamt gilt: Komplexität erhöht die Kosten des Outsourcings und ist demnach mit dessen wichtigstem Ziel, der Kostensenkung, schwer in Einklang zu bringen.

Neben der Komplexität verhindern allzu individuelle Installationen Synergien und damit Einsparungen. Wer auf seine eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Aufgaben auslagern möchte, kann dies nicht aus Kostengründen tun. Grundsätzlich gilt es immer zu prüfen, wie viel Komplexität und Individualität ein Unternehmen wirklich braucht.

Viel einfacher stellt sich die Situation bei weniger komplexen und standardisierbaren IT-Funktionen dar. Bei "Commodities" reichen die möglichen Einsparungen an den IT-Kosten häufig aus, um die geringeren Transaktionskosten abzudecken sowie dem Nachfrager seine Kostensenkung und dem Anbieter eine auskömmliche Marge zu sichern.

Die Industrialisierung der IT forciert das Outsourcing

Die Industrialisierung der IT ist ein Trend, der das Ziel verfolgt, die Effizienz und Effektivität der IT in Unternehmen deutlich zu verbessern. Die Methoden und Konzepte, die zur Anwendung kommen, sind den Erfahrungen in der industriellen Fertigung entnommen. Das heißt im Wesentlichen:

• Standardisierung von Prozessen und Services (IT-Produkten);

• Produktorientierung, das heißt Identifikation und Management der Nachfrage;

• Optimierung der Wertschöpfungstiefe in der IT-Leistungserstellung.

Die optimale Wertschöpfungstiefe, also die Balance zwischen Eigenerstellung und Fremdbezug, sollte sich aus einer individuellen Sourcing-Strategie ergeben. Die Beantwortung der zentralen Frage "Was und wie soll ausgelagert werden?" folgt unter anderem aus der Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit (interne Erbringung) und der Individualität der IT-Services, die das Unternehmen für die eigene Geschäftstätigkeit als notwendig erachtet. Gute Gründe für das Outsourcing ergeben sich etwa, wenn Services kaum auf die Besonderheiten des Unternehmens zugeschnitten sein müssen und die interne Leistungserbringung darüber hinaus auch schlecht ist.

Daneben ist aber auch die Komplexität der IT- Services eine wesentliche Prüfdimension. Der Fremdbezug von Services geringer Komplexität und/oder geringer eigener Leistungsfähigkeit verbessert Kostenstruktur und Qualität der IT im Unternehmen.

Outsourcing muss zum Management-Instrument eines CIO werden

Der Kernauftrag eines CIO ist die Bereitstellung passgenauer und kosteneffizienter IT-Services. Der CIO muss einerseits die aktuelle Nachfrage optimal bedienen, andererseits aber auch schnell und flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen auf Seiten der Anwender reagieren. In diesem Spannungsfeld ist das partielle Outsourcing von IT-Services - insbesondere von einfachen Commodity-Diensten - eine wichtige Gestaltungsoption. Der CIO muss die Kostenoptimierung als sich ständig wiederholende Aufgabe verstehen. Sein aus internen und externen Services zusammengestellter Leistungskatalog für die Fachabteilungen muss mindestens genauso preiswert sein wie das Angebot eines Outsourcers plus der in Auslagerungsprojekten anfallenden internen Transaktionskosten. Eine CIO-Organisation, die kosteneffizient arbeitet und überall dort, wo Externe preiswerter anbieten, deren Offerten nutzt, wird ein Outsourcing der kompletten IT-Landschaft aus Kostengründen jedoch kaum in Erwägung ziehen müssen.

Um die Balance aus internen und externen Services wahren zu können, muss der CIO zum einen die Leistungsfähigkeit der eigenen IT-Abteilung kennen, zum anderen einen Überblick über Bedürfnisse und Nachfrage in den Fachbereichen haben. Nur dann lassen sich extern zu erbringende Leistungen so planen und steuern, dass sie sich mit den internen Diensten im Sinne der Anwender ergänzen. Outsourcing ist allerdings nie ohne Risiken. Zu nennen wären etwa der Verlust spezifischen Wissens, versteckte Kosten, Kontrollverlust, interne Probleme mit Mitarbeitern oder Leistungsdefizite des Anbieters.

Neben der rein technischen Beschreibung der zu erbringenden Leistungen im Rahmen von Service-Level-Agreements (SLA) obliegt dem CIO und seiner IT-Mannschaft die Aufgabe, die Dienstleister zu führen und zu kontrollieren sowie den Bedarf der internen Kunden zu erheben, zu konsolidieren und zu verwalten. Dies ist die eigentliche Aufgabe des IT-Managements. Moderne IT-Organisationen trennen heute zudem zwischen Management- und IT-Dienstleistungsfunktionen. Dabei übernimmt das Management IT-Sourcing-Funktionen und wird zur zentralen Drehscheibe zwischen den Nachfragern sowie den internen und externen IT- Lieferanten.

Das funktioniert nur, wenn entsprechende Governance-Strukturen auf strategischer, funktionaler und operationaler Ebene definiert sowie standardisierte Prozesse beispielsweise für Service-Delivery und -Support etabliert werden. Bewährt hat sich hier das Prozess-Framework nach dem Quasi-Standard Itil (IT Infrastructure Library).

Outsourcing fördert die Qualität

Der Fremdbezug von IT-Services kann insgesamt zu einem Qualitätssprung der IT führen. Im Rahmen von Outsourcing-Vorhaben besteht die Notwendigkeit, sich Klarheit über bestehende IT-Services und IT-Prozesse, aber auch über den tatsächlichen IT-Bedarf im Unternehmen zu verschaffen. Intelligentes, partielles Outsourcing verschlankt das IT-Portfolio, die Standardisierung der IT reduziert die Komplexität.

Externe Services werden von spezialisierten Dienstleistern geliefert, die häufig moderne Technologien nutzen und professionelle Management-Techniken einsetzen. Der Qualitätsgewinn gilt nicht nur für die fremdbezogenen Leistungen. Auch die Güte der weiterhin selbst erstellten IT- Services verbessert sich, weil die interne IT-Mannschaft sich intensiver um die Belange der Anwender sorgen kann. Im Rahmen eines partiellen Outsourcings kann auch die Qualität der IT signifikant steigen.

Scheiden tut weh

Jedem Outsourcing-Vertrag liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Anbieterwechsel beziehungsweise eine Rückabwicklung des Vertrags (Backsourcing) grundsätzlich möglich ist. Aber zum Ende einer Outsourcing-Beziehung gibt es Transferrisiken, die denen zum Vertragsbeginn in nichts nachstehen.

Dies gilt insbesondere, wenn Mitarbeiter und damit wichtiges Fachwissen zum Outsourcing-Anbieter gewechselt sind. Auch die weitgehende Verzahnung mit den Prozessen und Strukturen des Anbieters, die für die Hebung von Synergien unerlässlich ist, sorgt für eine riskante und häufig für beide Seiten schmerzhafte Trennung.

Neben den Risiken entstehen auch erhebliche Kosten. Ein faires Kündigungsverfahren umfasst Regeln zum Schutz der Investitionen der Anbieter. Der Kunde ist daher in der Pflicht, einen Teil der Transferkosten zu zahlen, die dem bisherigen Partner entstehen. Je nach Vertrag sind sogar entgangene Gewinne zu ersetzen.

Diese Risiken und Kosten führen dazu, dass Anbieterwechsel und Backsourcing eher selten sind. Den einmal gewählten Partner wird man also so schnell nicht wieder los. Dies sollte man auch schon bei der Outsourcing-Entscheidung bedenken. Auch die Tendenz, Verträge mit geringeren Laufzeiten abzuschließen, hilft nur sehr eingeschränkt: Beim Auslaufen eines Vertrages hat der langjährige Outsourcing-Partner Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz, denn sein spezielles Wissen ist nicht ohne weiteres zu ersetzen, und die potenziellen Konkurrenten müssen Investitionen tätigen, die der alte Partner teilweise schon abgeschrieben hat.

Ingesamt gilt: Je enger die Bindung, desto schwieriger ist die Trennung. Daher spricht vieles für das partielle Outsourcing, da die Verflechtungen hier weniger straff sind. Das Gegenteil ist im Komplett-Outsourcing der Fall: Die Trennung in Projekten, die die Auslagerung der gesamten IT zum Ziel haben, ist besonders teuer und riskant. Ausgefeilte Kündigungsklauseln helfen wenig, da die Bindung in solchen Projekten eher ein ökonomisches als ein vertragliches Problem ist.

Der Trend geht zum partiellen Outsourcing

Nicht nur aus diesem Grund spricht vieles für das partielle Outsourcing. Der Markt für Komplett-Outsourcing in Deutschland ist und bleibt klein und wird sich in Zukunft im Wesentlichen auf den Verkauf von IT-Töchtern beschränken. Dies führt gleichzeitig zu einer Konsolidierung der Anbieterlandschaft, da viele dieser IT GmbHs selbst als Outsourcing-Anbieter im Drittmarkt tätig sind. Bei der Übernahme von IT GmbHs lassen sich die Provider vor allem von der Aussicht auf Geschäfte mit der Konzernmutter locken. Das alte Outsourcing-Motto vom "Kauf eines Kunden" erfährt hier also eine besondere Bedeutung beziehungsweise Bestätigung.

Während kaum noch große Verträge über die Auslagerung kompletter IT-Landschaften geschlossen werden, boomen - teilweise unbemerkt - die verschiedensten Arten des partiellen Outsourcings. Niemand hat mehr eine Übersicht über Anbieter und Leistungsangebot. Hier ist - völlig unspektakulär - Outsourcing auch bei Klein- und Mittelbetrieben angekommen, die ohne größere Bedenken - besonders, wenn kein Personal übergeben werden muss - Desktop-Services oder andere IT-Leistungen an Externe vergeben. In größeren Unternehmen, die in der Vergangenheit kein Komplett-Outsourcing betrieben haben, schließen die CIOs oder die IT-Bereiche zunehmend partielle Outsourcing-Verträge im Commodity-Bereich ab. Selbst Outsourcing-Anbieter arbeiten so und binden in ihre Wertschöpfungskette Lieferanten ein: Sie lagern Teile ihrer gewonnenen Betreiberverträge an Spezialisten etwa im Bereich der Netzwerke aus, schließen demnach selbst Outsourcing-Verträge mit externen Anbietern ab. (jha)