Reality-Check Cloud Computing

Neun Mythen um Cloud Computing

22.06.2010
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Mythos Nummer 6: Mit Cloud Computing sparen Sie immer Geld

In einer heiß diskutierten Studie argumentiert die Unternehmensberatung McKinsey, Kunden könnten mit Cloud Computing nur dann Kosten sparen, wenn sie spezielle Plattformen wie Linux nutzten. Unternehmen mit einem größeren Data Center hätten finanzielle Vorteile, wenn sie die Systeme im Haus behielten.

Rajen Sheth, Produkt-Manager für Google Apps, hält in einem Blog-Posting dagegen: Die Studie greife zu kurz, weil sie lediglich Einsparungen berücksichtige, die Unternehmen mit Hilfe von billigen Servern in einer hoch redundanten Umgebung erzielen könnten. Nach seiner Einschätzung könnten Kunden indes noch mehr sparen, wenn sie "dieselben skalierbaren Application Server und Datenbanken nutzen, die Google für seine eigenen Anwendungen einsetzt". Dennoch sind Zweifel angebracht, wie auch Forrester-Mann Staten zu bedenken gibt: Unter den derzeit geltenden Lizenz- und Support-Bedingungen kommerzieller Softwareanbieter zahlten Kunden im ungünstigen Fall sogar deutlich mehr, wenn sie Anwendungen in der Cloud statt inhouse installierten.

Mythos Nummer 7: Ein Cloud Provider kann Sicherheit garantieren

Wenn ein Cloud-Anbieter alle gängigen Security-Zertifizierungen vorweisen kann, bedeutet dies noch lange nicht, dass die spezifischen Server, Anwendungen und Netze der Kunden tatsächlich sicher sind. Geht es etwa um den Sicherheitstandard PCI DSS (Payment Card Industry Data Security Standard) der US-amerikanischen Kreditkartenindustrie, wird geprüft, wie gut die Anwendungen eines Händlers auf Cloud-Plattformen von Amazon oder Google implementiert sind. "Wenn die Applikationen schlecht aufgesetzt sind, spielt es keine Rolle, wie sicher die Plattform ist, auf der sie laufen", warnt Staten.

Jede einzelne genutzte Cloud-Plattform abzusichern, war keine große Herausforderung, berichtet Siemens-Mann Kollar aus der Praxis. Ungleich schwieriger sei es gewesen, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Sicherheitstechniken zu organisieren. Die Empfehlung vieler Experten lässt sich so zusammenfassen: Vertrauen Sie nicht blind den Versprechen der Cloud-Provider, sondern prüfen sie die Sicherheit seiner Security-Infrastruktur eingehend.

Mythos Nummer 8: Wenn Sie virtuelle Maschinen einsetzen, betreiben Sie Cloud Computing

Virtualisierung, sprich das Einrichten logischer Server- oder Speichersysteme, die sich über eine Vielzahl physischer Geräte erstrecken, ist eine von mehreren Voraussetzungen für Cloud Computing. Um die Nutzenpotenziale der Virtualisierung auszuschöpfen, müssen Cloud Provider aber auch Optionen anbieten, die Kapazitäten bei Bedarf zu erhöhen oder zu verringern. Sie müssen ein verbrauchsabhängiges Preismodell schaffen und es Kunden leicht machen, zusätzliche Server oder Speicher je nach Bedarf zu nutzen.

Viele Cloud-Kunden versprechen sich Kostenvorteile, wenn Benutzer benötigte IT-Ressourcen für eine bestimmte Aufgabe eigenständig anfordern können. Doch solche Selbstbedienungskonzepte funktionieren nicht automatisch, nur weil Sie etwa Virtualisierungssoftware von VMware einsetzen. Nach Angaben von Kollar musste Siemens beispielsweise "einen bedeutenden Betrag" in die Entwicklung eines Standardkatalogs für virtuelle Server und zugehörige Services investieren, über den Kunden Leistungen aus der privaten Cloud ordern können.

Mythos Nummer 9: Cloud Computing dreht sich um Technologie

Technologie macht Cloud Computing möglich. Doch um Einsparungen zu erzielen und flexibler zu werden, brauchen Sie auch die richtigen Prozesse. Beispiel Virtualisierung: Die Technik ist dynamisch und erlaubt schnelle Veränderungen, wenn Anwender etwa Daten und Programme per Mausklick verschieben können, erläutert Renata Budko vom Softwarehaus HyTrust, das sich auf Management-Systeme für virtualisierte Umgebungen spezialisiert hat. Oft fehlten dabei ausgefeilte Verwaltungsmechanismen, um etwa ungenutzte virtuelle Maschinen zu vermeiden, die Strom verbrauchen und potenzielle Sicherheitsrisiken bergen. Insofern glichen die Probleme denen physischer Server ohne hinreichende Verwaltung.

Standardisierte Prozesse in der Cloud helfen, die Effizienz zu steigern. Siemens etwa nutzte das Itil-Framework in Kombination mit Virtualisierungstechniken. Laut Kollar sparte das Unternehmen damit 25 bis 30 Prozent der Kosten für die IT-Administration.

Die Wahrheit über Cloud Computing

Was lässt sich daraus lernen? - Cloud Computing eröffnet Unternehmen keineswegs den Weg ins Paradies einer wartungsfreien IT. Es ist eine komplexe Ressource, die Wissen und harte Arbeit erfordert, um sie nutzbringend einzusetzen. Und das ist kein Mythos.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation InfoWorld.