Informationsverarbeitung wird Teil des Unternehmensmanagements

Neues Selbstverständnis im Systembereich

03.04.1987

Das Potential von Systemen ist bei den meisten Unternehmen nicht in vollem Maß genutzt. Diese Lücke kann sich zu Fehlentwicklungen erweitern, meint Dr. Dietmar Meyersiek, Director bei der McKinsey & Company Inc. in Düsseldorf. Das Management kann gegensteuern, wenn es traditionelle Betrachtungsweisen ändert.

Mit der raschen Entwicklung im Computerbereich sind völlig neue Produkte und Dienstleistungen, aber auch neue Formen der Erstellung von Produkten und Dienstleistungen entstanden.

Entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten, durch gutes oder schlechtes Management der Informationsverarbeitung im Wettbewerb einen Vorsprung zu gewinnen - oder aber ins Abseits gedrängt zu werden.

Die Chancen zu nutzen und Risiken zu vermeiden, verlangt sowohl nüchterne und gründliche Analyse als auch kreative Konsequenzen aus den Analyseergebnissen:

- Verstehen, welches Potential exzellente Informationsverarbeitung bietet;

- Feststellen, welche konkreten Verbesserungsmöglichkeiten im eigenen Unternehmen bestehen;

- Ausarbeiten, mit welcher Strategie das Verbesserungspotential ausgeschöpft werden soll.

Unabhängig von internen Gegebenheiten im einzelnen Unternehmen wird das Potential, das sich mit der Einführungen von Systemen erschließen läßt, bestimmt von den Carakteristika des Geschäfts und den Möglichkeiten unterschiedlicher Systemtypen.

Zwischen verschiedenen Branchen bestehen ausgeprägte Unterschiede im "Systempotential":

- Das weitaus größte Potential hat nach amerikanischer Erfahrung der Dienstleistungsbereich und insbesondere Banken und Finanzdienstleister, das geringste hingegen Massenguthersteller.

- Entscheidend für dieses Potential ist der "Informationsgehalt" des Geschäftssystems und der Produkte beziehungsweise Dienstleistungen.

Das volle Potential wird durch ein breites Systemverständnis zugänglich. Dazu zählen geschäftsbezogene und technologische Aspekte, operative, administrative und dispositive Systeme, weiterhin funktional orientierte, bereichübergreifende und Unternehmens-Systeme.

Wie weit verstärkter Systemeinsatz die Effektivität und Effizienz im eigenen Unternehmen steigern und nachhaltig absichern kann, laßt sich mit der Methode des "Systems Competitive Assessment" ermitteln. Diese "Systemdiagnose aus Wettbewerbssicht" macht die entscheidenden Schwächen beziehungsweise Verbesserungsansätze sichtbar, wie (siehe Bild 1):

- eine ungenügende Kopplung von Systemanwendungen an die strategischen und operativen Anforderungen des Geschäfts, auch: welche Systeme hat die Konkurrenz?

- eine Software-Beschaffungsstrategie, die Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung nicht nutzt und neue Optionen zur Softwareerstellung ignoriert;

- ungenutzte Möglichkeiten zum besseren Einsatz von Hardware;

- Trennung von Systemspezialisten und Nutzern in der Formulierung und Entwicklung von Systemkonzeptionen;

- Mängel an der organisatorischen Absicherung des Systembereichs.

Wenn Potential, Stärken und Schwächen des Systemeinsatzes bekannt sind, kann eine unternehmensweite Informationsverarbeitungs-(IV-)Strategie entwickelt werden. In der Praxis sind vielfältige Verfahren für die Strategieentwicklung erprobt; wirkungsvolle Ansätze haben jedoch eine Reihe gemeinsamer Merkmale:

- Die Freiheitsgrade und Handlungsspielräume innerhalb des strategischen Dreiecks Kunde, Unternehmen, Wettbewerb werden systematisch erkundigt.

- Ein iterativer Prozeß zur Entwicklung des Anwendungsportfolios berücksichtigt die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Ideenfindung, Prioritätensetzung und Ressourcenverfügbarkeit.

- Für die Entwicklung von Systemideen durch Nutzer und Systemspezialisten werden anspruchsvone Ziele und Gedankenhürden gesetzt.

- Das Projektportfolio umfaßt eine Mischung aus strategischen, operativen und Infrastrukturprojekten, die der spezifischen Unternehmenssituation entspricht.

- Für den Systembereich wird ein Selbstverständnis definiert, das die Informationsverarbeitung zum integralen Bestandteil der Unternehmensaufgabe macht.

Der Prozeß der Ideenentwicklung und Portfolio-Entscheidung ist damit viel umfassender und wirkungsvoller als eine DV-Strategie, die sich im wesentlichen auf Planung von Hardware-Konfigurationen und Personal sowie Entwicklung von rechenbaren Softwareprojekten beschränkt. Das Potential von Systemen ist bei den meisten Unternehmen nicht in vonem Maße genutzt; es ist anzunehmen, daß diese Lücke sich weiter öffnet und Fehlentwicklungen eintreten, wenn das Management den eigenen Leistungsstand nicht permanent beobachtet und diagnostiziert und eine entsprechende Systemstrategie entwickelt und laufend anpaßt.

Erfolgreiche Unternehmen in fast allen Branchen, und vor allem im Bank- und Versicherungsbereich sowie in der Prozeßindustrie, kommen nicht darum herum, das Potential von Systemen auf Basis des eigenen Leistungsstandes zu ermitteln und eine schlüssige Strategie für seine Nutzung zu entwickeln. Dabei sind Anderungen traditioneller Betrachtungsweisen in allen drei Aufgabenfeldern erforderlich (siehe Abbildung 2).

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung eines Referats mit dem Titel. Management-Strategien für die Informationsverarbeitung von Dr. Dietmar Meyersiek, das der Autor auf einem Akzente-Symposium für obere Führungskräfte im Dezember 1986 in München zum Thema. "Informationsmanagement" vortrug.