Web

Neues Preismodell ärgert Oracle-Anwender

01.12.2000
Oracles neues Lizenzierungsmodell für die Datenbank verärgert die Anwender. Viele müssen künftig mehr bezahlen.

Von CW-Mitarbeiter Martin Ottomeier

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Auf dem Jahreskongress der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG) brodelte es. Viele Anwender sind verärgert über Oracles Preismodell für die Datenbank, denn vielfach müssen sie mehr bezahlen. Rund ein Drittel aller Fragen an das Oracle-Management im Rahmen einer offenen Fragestunde drehte sich um das Thema Pricing. In einer Spontanbefragung zeigten sich über 20 Prozent der Kongressteilnehmer überzeugt, dass sie nach einer Anpassung ihrer Lizenzen an das neue Modell mehr bezahlen müssen als zuvor. Dass das Gegenteil eintritt, also dass weniger Gebühren fällig werden, glaubten von den rund 1000 Teilnehmern nur einige wenige.

Stein des Anstoßes ist der Wegfall des Concurrent-User-Pricings, bei dem für die Zahl der Anwender bezahlt wird, die gleichzeitig im System aktiv sind. Stattdessen müssen jetzt entweder alle Anwender namentlich der Datenbank bekannt gemacht werden (Named-User-Pricing), oder ein Unternehmen zahlt für die Maschinenleistung des Rechners, auf dem die Datenbank läuft (Power-Unit-Pricing). Beide Modelle haben aber ihre Tücken.

"Die Umstellung des Concurrent-User-Preises auf Named-User erhöht bei einer Reihe von Anwendern die Kosten, zum Beispiel wenn viele Mitarbeiter im Schichtbetrieb tätig sind oder viel mit Aushilfskräften gearbeitet wird", erläutert Fried Saacke, Vorsitzender der DOAG. Ein Named-User kostet rund die Hälfte eines Concurrent-User. Doch nicht selten ist das Verhältnis von aktiven Benutzern zur Gesamtzahl eins zu vier oder größer - was effektiv zu einer Verdoppelung der Kosten führt. Mehrere Anwender haben auf dem DOAG-Kongress berichtet, dass sie von diesem Effekt betroffen sind.

Das alternative Modell, die Abrechnung über Power-Units, hat ebenfalls ihre Tücken. Bei dieser Methode wird der Preis anhand der Prozessorleistung berechnet. "Power-Unit-Pricing ist vielfach ungerecht, da die Unternehmen auf einem Server mehrere Anwendungen laufen lassen und damit für Leistung bezahlen, die sie für die Datenbank gar nicht nutzen", stellt Saacke klar. Ein zweites Problem: Gerade im Internet-Zeitalter müssen die Systeme auch für kurzzeitige Lastspitzen ausgelegt sein. Dann zahlt der Anwender aber permanent für eine Datenbankleistung, die er die meiste Zeit nicht benötigt.

"Im Internet-Zeitalter hat sich User-based-Pricing überlebt - das verstehen die meisten unserer Kunden", verteidigt Claus-Peter Unterberger, Vice President Marketing DACH & Eastern Europe bei Oracle Deutschland, die neuen Preismodelle. Auf die meisten Anwender wirkten sich die Änderungen gar nicht aus. Nur in fünf Prozent aller Fälle müssten Anwender mit höheren Kosten rechnen. Allerdings sieht der Datenbankhersteller ein, dass das Preismodell zu Ungerechtigkeiten führt. So empfiehlt Unterberger beim Power-Unit-Pricing den Einsatz von preisgünstigen Intel-Servern, um die Leistung der Datenbank auf die Hardwareleistung abzustimmen. In Härtefällen sieht der Marketing-Leiter sein Unternehmen auch zu Kompromissen bereit: "Wir sind offen, einzeln auftretende Problemfälle mit den Kunden zu besprechen und eine Lösung zu suchen."

Hintergrund: DOAG stellt sich auf eigene Füße

Die Deutsche Oracle Anwendergruppe (DOAG) wird künftig auf eigenen Füßen stehen. Nachdem der Softwarehersteller die Anwendervereinigung jahrelang personell unterstützt und seit kurzem auch finanziell gefördert hat, werden die Bande nun gelöst. Zum Beispiel hatte eine Oracle-Mitarbeiterin einige Sekretariatsdienste übernommen und sich unter anderem weitgehend um die Organisation des jährlichen DOAG-Kongresses gekümmert. Das entfällt in Zukunft - nicht zuletzt auf Druck des US-Headquarters. In den USA ist das Verhältnis zwischen den unabhängigen User-Organisationen und dem Unternehmen gespannt. Insbesondere möchte Oracle seine eigenen Veranstaltungen wie die Oracle Openworld fördern, was auf Kosten der Konferenzen geht, die von den unabhängigen Anwendervereinigungen ausgerichtet werden.

Auch die erst rund zwei Jahre alten finanziellen Vereinbarungen zwischen DOAG und Oracle wurden rückgängig gemacht. Der Softwareanbieter hat in der Zeit rund 20 Prozent des DOAG-Etats bestritten. Das Geld fällt aber nicht gänzlich weg. Von nun an muss Oracle für Dienstleistungen, die es von der Anwendergruppe in Anspruch nimmt, einzeln zahlen. Hierzu gehört zum Beispiel Anzeigen in der Mitgliederzeitung "DOAG News" oder die Teilnahme am Jahreskongress, wenn keine Vorträge gehalten werden.

Interimsweise unterhält die DOAG nun ein eigenes Sekretariat in Berlin. Geplant ist ein Büro an einem anderen Standort, wahrscheinlich in München. Auch neue Services für die Mitglieder sollen aufgebaut werden, zum Beispiel ein virtuelles Office als Anlaufstelle für Mitglieder im Web. Dank stark gestiegener Mitgliederzahlen in diesem Jahr braucht sich der Verein um die Finanzierung trotz fehlender Oracle-Unterstützung keine Sorgen zu machen.

Außerdem erschließt sich der Verein eine neue Einnahmequelle durch einen Service für Oracle-Partner. Da der Softwarehersteller selbst auf der CeBIT nicht mehr vertreten sein wird, springt die DOAG in die Bresche und organisiert einen Partnerstand in Halle 4. Damit sollen vor allem mittelständische Anbieter von Oracle-Lösungen weiterhin die Gelegenheit erhalten, sich auf der Messe zu präsentieren.

Oracle dagegen setzt 2001 auf die in Berlin stattfindende Openworld als zentrale deutsche Veranstaltung. Anders als in den USA soll darunter aber der DOAG-Kongress nicht leiden, der wegen der großen Zahl von Teilnehmern im nächsten Jahr nach Mannheim umziehen wird. Skepsis, ob sich die Pläne so erfüllen, ist aber angebracht. Oracle rechnet mit bis zu 10.000 Teilnehmern in Berlin. Auf dem diesjährigen DOAG-Kongress waren es rund 1000. Außerdem ist fraglich, ob die Vortragenden aus den Oracle-Entwicklungsabteilungen im nächsten Jahr zweimal den Sprung über den Teich antreten oder sich nicht doch auf die hauseigene Veranstaltung konzentrieren. Auf der amerikanischen Tagung der Oracle Application User Group (OAUG) war die Zahl der Oracle-Teilnehmer in diesem Jahr, in dem der Kongress gegen die Openworld antreten musste, gegenüber früheren Jahren deutlich zurückgegangen.