"Enterprise Systems Architecture" mit MVSESA angekündigt:

Neues Design soll IBM-Großsysteme aufwerten

26.02.1988

MÜNCHEN (CW) - Viel Wind um fast nichts - so kommentieren Mitbewerber und Marktbeobachter des jüngste IBM-Announcement einer neuen 370-Rechnerarchitektur (siehe Seite 12). Vor allem die Ankündigung der neuen Betriebssystem Version MVS/ESA sei ein taktischer Zug, den Absatz der 3090-Großrechner anzukurbeln.

Gegenstand der Ankündigung ist eine neue Software-Architektur, genannt "Enterprise Systems Architecture" (ESA/370), mit dem dazugehörigen Betriebssystem "MVS/ESA". Außerdem wurden je zwei Prozessoren der Serien 3090 und 438l vorgestellt, die mit dem Zusatz "E" für "Extended" gekennzeichnet sind (siehe auch Seite 4). Nur auf den vier neuen Rechnern und auf den bereits verfügbaren E-Modellen wird die ESA Software einsetzbar sein.

Die PCM-Branche zeigt sich trotz des erneuten Abschottungsversuchs von seiten des Branchenriesen optimistisch. Kaum hatte die US-Ankündigung stattgefunden, teilte die in München ansässige Amdahl Deutschland GmbH bereits mit, sie werde das neue Betriebssystem "unterstützen". Diese Erklärung sei "mehr als ein Commitment", erklärte Marketing-Direktor Reiner Wolter; die Amdahl-Entwickler hätten genug Einblick in die Systemsoftware der IBM, um solche Ankündigungen antizipieren zu können.

Die genauen Systemspezifikationen wird der Marktführer aller Voraussicht nach in vier Monaten vorlegen - gemäß seiner Verpflichtungserklärung gegenüber der Europäischen Gemeinschaft vom l. August l984. Die Umsetzung des Betriebssystems auf die Amdahl-Hardware dürfte also noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wolter äußert jedoch die Hoffnung, die Adaption noch in diesem Jahr zu schaffen. "Das ist im Vergleich zur Umstellung auf MVS/XA eine technisch unbedeutende Sache."

Zudem ist der High-Tech-Markt schnellebig. Einmal erworbenes Wissen veraltet rasch, bestätigt Gertrud Bauer von der gemeinnützigen Aktion Bildungsinformation (ABI). Vor allem kritisiert die Stuttgarter Bildungsfachfrau "DV-Schnellbleichen, die einen denkbar schlechten Start ermöglichen". Dazu auch Werner Dostal über die Entwicklung im vergangenen Jahr: "Die Anzahl der Institute, die DV-Ausbildung offerieren, explodiert regelrecht." Das Überangebot an Bildung indes verringere sichtbar die Qualität - Schwierigkeiten bei dem Sprung in die Erwerbstätigkeit seien programmiert. Denn: Der besser ausgebildete Nachwuchs stößt bereits auf den Arbeitsmarkt nach. Ein Nullsummenspiel können Beobachter so auch bei den Informatikern mit Universitätsdiplom feststellen. Ihre - niedrige -

Arbeitslosenquote nämlich blieb nahezu konstant.

Für ältere Beschäftigte aus dem Metier markiert besonders die vernachlässigte Weiterbildung einen erheblichen Risikofaktor. Da bereits bei 30 Lebensjahren das Höchstalter eines DV-Einsteigers angesetzt wird, gilt für Informationstechniker das "permanente Lernen" besonders.

Auch bei den kaufmännischen Fachkräften sieben Unternehmen nach marktgerechtem Praxis-Know-how aus. Für Gertrud Bauer erklären sich die zusätzlichen 21 Prozent arbeitsloser DV-Kaufleute mit einer betrieblichen Ausbildung nahezu von selbst, gehe doch der Wissenserwerb der doppelt qualifizierten Fachkräfte bislang an der Realität vorbei: "Ein Stoffplan, auf dem noch die Lochkarte erscheint, hinkt der Praxis hinterher.