Bayerische Staatsregierung und Gewerkschaft sind sich einig:

Neuer Tarifvertrag wertet Bildschirmarbeit auf

17.06.1988

MÜNCHEN(CW) - Neue Arbeitsbedingungen gelten seit dem 1. April 1988 für die Arbeitnehmer des Freistaates Bayern sowie bei den Verwaltungen und Betrieben der bayerischen Kommunen für die Arbeit an Bildschirmgeräten.

Nach entsprechenden Vereinbarungen in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen ist auch in Bayern der Tarifvertrag für das heiße Thema "Bildschirmarbeit" unter Dach und Fach. Die bayerischen Arbeitgeber haben mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes am 11. Januar 1988 bezirklich geltende Tarifverträge abgeschlossen. Von den bisherigen Vereinbarungen unterscheidet sich die bayerische Vorlage allerdings durch einen Paragraphen über Verhaltens- und Leistungskontrollen. Die COMPUTERWOCHE veröffentlicht ungekürzt die Passagen des Tarifvertrages vom 11. Januar 1988.

°1

Geltungsbereich

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für die Angestellten des Freistaates Bayern, die unter den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) fallen, wenn sie auf Bildschirm-Arbeitsplätzen im Bürobereich, auf Arbeitsplätzen mit Bildschirmunterstützung im Bürobereich oder auf vergleichbaren Arbeitsplätzen außerhalb des Bürobereichs an Bildschirmgeräten für digitale Daten- und Textverarbeitung arbeiten.

(2) Dieser Tarifvertrag gilt auch für die Arbeiter des Freistaates Bayern, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für Arbeiter der Länder (MTL II) fallen und deren arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 18 Stunden beträgt. Gilt für den vollbeschäftigten Arbeiter eine von ° 15 Abs. 1 MTL II abweichende regelmäßige Arbeitszeit, tritt bei dem entsprechenden nichtvollbeschäftigten Arbeiter an die Stelle von 18 Stunden der entsprechende Anteil dieser Stunden.

° 2

Bildschirm-Arbeitsplätze, Arbeitsplätze mit Bildschirmunterstützung

(1) Bildschirm-Arbeitsplätze sind alle Arbeitsplätze, bei denen die Arbeitsaufgaben am Bildschirmgerät bestimmend für die gesamte Tätigkeit sind.

Die Arbeitsaufgaben am Bildschirmgerät sind für die gesamte Tätigkeit bestimmend, wenn die Arbeitszeit am Bildschirmgerät durchschnittlich mindestens 20 Stunden wöchentlich beträgt.

(2) Arbeitsplätze - mit Bildschirmunterstützung sind alle Arbeitsplätze, bei denen mit Bildschirmgeräten gearbeitet wird, aber die Arbeitsaufgaben am Bildschirmgerät nicht bestimmend für die gesamte Tätigkeit sind.

(3) Bildschirmgeräte sind Geräte zur veränderlichen Anzeige von Zeichen oder grafischen Bildern, wie Bildschirmgeräte mit Kathodenstrahl- oder Plasmaanzeige und vergleichbare Geräte. Als Bildschirmgeräte gelten auch Mikrofilm-Lesegeräte für Rollfilme, Mikrofiche und vergleichbare Systeme.

Nicht als Bildschirmgeräte gelten Fernsehgeräte, Monitore und Digitalanzeigegeräte sowie vergleichbare Anzeige- und Überwachungsgeräte, es sei denn, sie werden in bestimmendem Maß für digitale Daten- und Textverarbeitung eingesetzt.

° 3

Ausstattung und Gestaltung der Arbeitsplätze

(1) Bildschirm-Arbeitsplätze und Arbeitsplätze mit Bildschirmunterstützung müssen den allgemein anerkannten Regeln der Technik unter Beachtung der gesicherten arbeitsmedizinischen und ergonomischen Erkenntnisse entsprechen. Nummer 4 der "Sicherheitsregeln für Bildschirm-Arbeitsplätze im Bürobereich" - GUV 17.8 -, herausgegeben vom Bundesverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand e. V., BAGUV, ist anzuwenden.

(2) Die Tätigkeit auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz soll so gestaltet werden, daß der Arbeitnehmer verschiedenartige Arbeitsvorgänge zu erledigen hat und nicht ausschließlich am Bildschirmgerät tätig ist (Mischarbeitsplatz), soweit dies arbeitsorganisatorisch möglich ist.

Protokollnotiz zu Absatz 1

Von den Anforderungen kann abgesehen werden, wenn ein Bildschirmgerät von den jeweiligen Arbeitnehmern nur gelegentlich zu kurzen Eingaben oder Abfragen benützt wird.

° 4

Ärtzliche Untersuchungen

(1) Vor der Aufnahme der Tätigkeit auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung ist eine ärztliche Untersuchung der Augen durchzuführen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich auf Veranlassung des Arbeitgebers der ärztlichen Untersuchung der Augen zu unterziehen.

(2) Eine erneute Untersuchung der Augen ist bei gegebener Veranlassung, ansonsten nach dreijähriger Beschäftigung auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung seit der jeweils letzten Untersuchung vorzunehmen.

(3) Die Untersuchungen nach den Absätzen 1 und 2 werden vom personalärztlichen oder betriebsärztlichen Dienst durchgeführt, der erforderlichenfalls eine augenärztliche Untersuchung veranlaßt. Besteht kein personalärztlicher oder betriebsärztlicher Dienst, ist die Untersuchung durch einen Augenarzt am Beschäftigungsort bzw. dem nächstgelegenen Ort nach Wahl des Arbeitnehmers durchzuführen.

(4) Die Kosten der Untersuchung trägt der Arbeitgeber, soweit kein anderer Kostenträger zuständig ist. Dies gilt auch für die notwendigen Kosten der Beschaffung von Sehhilfen, die aufgrund der Untersuchung ausschließlich für die Arbeit am Bildschirmgerät erforderlich werden.

Protokollnotiz zu Absatz 4

Als notwendig gelten in der Regel die Kosten, die die örtlich zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse bzw. die zuständige Betriebskrankenkasse jeweils tragen würde.

° 5

Einweisung und Einarbeitung

(1) Vor der Aufnahme der Tätigkeit auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder auf einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung ist der Arbeitnehmer rechtzeitig und umfassend in die Arbeitsmethode und in die Handhabung der Arbeitsmittel einzuweisen. Der Arbeitnehmer ist vor allem mit der ergonomisch richtigen Handhabung der Arbeitsmittel eingehend vertraut zu machen.

(2) Dem Arbeitnehmer ist ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Einarbeitung zu geben.

° 6

Schutzvorschriften

(1) Die Umstellung der Tätigkeit eines Arbeitnehmers auf einen Bildschirm-Arbeitsplatz oder einen Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung soll so vorgenommen werden, daß die bisherige Eingruppierung nicht beeinträchtigt wird.

(2) Kann ein Arbeitnehmer aufgrund einer erneuten Untersuchung nach ° 4 Abs. 2 nicht mehr auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung eingesetzt werden, so ist er auf einen anderen, möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz umzusetzen. Dem Arbeitnehmer ist ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz zu geben; Maßnahmen der Fort- oder Weiterbildung sind durchzuführen.

(3) Werdende Mütter dürfen nicht an Bildschirmgeräten beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis die Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.

(4) Der erstmalige Einsatz auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers, wenn er das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat.

(5) Die tariflichen Bestimmungen über den Rationalisierungsschutz werden durch diesen Tarifvertrag nicht berührt.

° 7

Verhaltens- und Leistungskontrollen

(1) Eine individuelle Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung mittels der an diesem Arbeitsplatz eingesetzten Geräte und Programme findet nur in dem Umfang wie für einen Arbeitnehmer an einem nichtautomatisierten Arbeitsplatz desselben Arbeitgebers statt. Satz 1 gilt nicht, wenn Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht einer Verletzung der Dienst- und Arbeitspflichten begründen und eine Aufklärung in anderer Weise nicht erreicht werden kann,

(2) Die bei der Tätigkeit der Tätigkeit auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung anfallenden Daten über die Leistung der Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich nicht, zur individuellen Leistungskontrolle ausgewertet werden. Satz 1 gilt nicht, wenn eine individuelle Leistungskontrolle aus begründetem Anlaß erforderlich ist. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer vorher von Beginn und Ende der Maßnahme zu unterrichten. Die im Rahmen einer solchen Kontrolle anfallenden Daten dürfen nur verwendet werden, wenig der betroffene Arbeitnehmer vorher Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat.

(3) Auswertungen, die nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, sind nach Gebrauch unverzüglich zu vernichten, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstellen.

(4) Programmgesteuerte Auswertungsverfahren dürfen für betriebsbezogene Zwecke, zur Datensicherung und zur Datenschutzkontrolle eingesetzt werden. Eine individuelle Verhaltens- und Leistungskontrolle darf damit nicht verbunden werden.

° 8

Arbeitsunterbrechungen

(1) Einem Arbeitnehmer auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz ist nach 50minütiger Tätigkeit, die einen ständigen Blickkontakt, zum Bildschirm oder einen laufenden Blickwechsel zwischen Bildschirm und Vorlage erfordert, Gelegenheit zu einer Unterbrechung dieser Tätigkeit von zehn Minuten zu geben. Unterbrechungen nach Satz 1 entfallen, wenn Pausen und sonstige Arbeitsunterbrechungen sowie Tätigkeiten, die die Beanspruchungsmerkmale des Satzes 1 nicht erfüllen, anfallen.

Die Unterbrechungen dürfen nicht zusammengezogen und nicht an den Beginn oder das Ende einer Pause oder der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers gelegt werden.

(2) Unterbrechungen nach Satz 1 Unterabs. 1 Satz 1 werden auf die Arbeitszeit angerechnet,

(3) Die Absätze 1 sind 2 gelten für Arbeitnehmer auf Arbeitsplätzen mit Bildschirmunterstützung entsprechend.

° 9

Unterrichtungspflichten

Vor der Aufnahme der Tätigkeit, auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Regelungen dieses Tarifvertrages in geeigneter Weise zu unterrichten.

° 1 0

Übergangs- und Schlußvorschriften

(1)Bildschirmgeräte und Arbeitsmittel, die den Anforderungen des ° 3 Abs. 1 nicht entsprechen, können bis zum Ablauf ihrer Nutzungsdauer weiter verwendet werden. Möglichkeiten, eine den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechende Umrüstung mit einem wirtschaftlich vertretbarem Aufwand durchzuführen, sollen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel genutzt werden.

(2) Die ärztliche Untersuchung der Augen nach ° 4 Abs. 1 ist bei Arbeitnehmern, die beim Inkrafttreten dieses Tarifvertrags bereits auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz oder einem Arbeitsplatz mit Bildschirmunterstützung tätig sind, nachzuholen, wenn eine ärztliche Untersuchung der Augen nach den bisher beim Freistaat Bayern geltenden) Regelungen noch nicht durchgeführt worden ist. Ist die ärztliche Untersuchung bei den in Satz 1 genannten Arbeitnehmern vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrags durchgeführt worden, so rechnen die Fristen für die erneute Untersuchung ab dieser Untersuchung.

° 11

Inkrafttreten, Laufzeit

(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 1. April 1988 in Kraft.

(2) Er tritt außer Kraft, sobald ein von der Tarif Gemeinschaft deutscher Länder für den Freistaat Bayern geltener Tarifvertrag über die Arbeit an Bildschirmgeräten in Kraft tritt. Für diesen Fall wird die Nachwirkung gemäß ° 4 Abs. 5 des Tarifvertragsgesetzes ausgeschlossen.

(3) Im übrigen kann dieser Tarifvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.