Deutsche Software-Industrie geht (noch) andere Wege

Neuer IuK-Spitzenverband läßt einige Fragen offen

30.07.1999
MÜNCHEN (CW) - Mit der angekündigten Gründung einer gemeinsamen Spitzenvertretung erwecken die deutschen IuK-Hersteller den Anschein, daß ihnen ein wichtiger Schritt zur Konsolidierung ihrer bis dato zersplitterten Verbandslandschaft gelungen ist. Hinter den Kulissen findet allerdings nach wie vor ein Schachern um Posten und Einflußmöglichkeiten statt.

Die vor gut einer Woche veröffentlichte Erklärung von BVB Bundesverband Informations- und Kommunikations-Systeme, Bundesverband Informationstechnologien (BVIT), Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI sowie Fachverband Kommunikationstechnik im ZVEI ließ aufhorchen: Die vier Herstellervereinigungen gaben die Gründung eines gemeinsamen IuK-Spitzenverbands bekannt. Die neue Dachorganisation soll - neben einer Geschäftsstelle in Frankfurt am Main - ihren Sitz in Berlin haben und bereits im Oktober in das Vereinsregister der Hauptstadt eingetragen werden. Ebenfalls noch in diesem Jahr will man dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beitreten. Ziel des Projekts sei die deutliche Straffung der Verbandslandschaft im IuK-Sektor. Die Chefs der genannten Verbände hätten sich entschlossen, die Fragmentierung zu beenden. Es sei an der Zeit, daß man mit einer Stimme spreche und gegenüber Politik und Öffentlichkeit geschlossen auftrete. Mit einem Spitzenverband werde man in Berlin, aber auch auf internationaler Ebene, die Interessen der Branche mit größerem Nachdruck vertreten können, hieß es weiter.

Mit dieser Ankündigung setzten die vier größten deutschen IuK-Herstellervereinigungen einen vorläufigen Schlußpunkt unter ihre jahrelangen Bemühungen, ihre Aktivitäten zumindest zu synchronisieren. Als Branche, die in Deutschland - gemessen an ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung sowie als vielzitierte "Jobmaschine" - zuletzt sogar die Automobilindustrie überholt hat, leistet(e) man sich bisher bekanntlich den Luxus, sich nach außen hin mit rund 20 Einzelverbänden zu präsentieren. Ein Umstand, der zum Beispiel bei großen IT-Messen wie CeBIT und Systems immer wieder dazu führte, daß die einzelnen Herstellervereinigungen dort mit unterschiedlichen Marktzahlen und nicht immer einheitlichen politischen Aussagen an die Öffentlichkeit gingen. Bereits auf der letztjährigen Systems hatte es deshalb nach einem bekanntgewordenen geheimen Gipfel der wichtigsten IuK-Verbände Spekulationen über die angeblich bevorstehende Gründung einer gemeinsamen Dachorganisation gegeben.

Ob die hiesige IuK-Zunft mit der jetzt beschlossenen Einrichtung einer gemeinsamen Spitzenvertretung in Berlin dem Ziel, künftig mit einer Stimme zu sprechen, wesentlich näher gekommen ist, darf allerdings noch bezweifelt werden.

Denn trotz der Tatsache, daß sich BVB, BVIT und die beiden Fachverbände im VDMA/ZVEI in anderen Passagen ihres Statements weit aus dem Fenster lehnen ("In der Summe wird der Spitzenverband die IuK-Branche zu mehr als 90 Prozent vertreten"), ist eben genau dies noch nicht ausgemacht. Sprecher aller vier Organisationen mußten denn auch gegenüber der CW einräumen, daß bis dato vor allem die Gespräche mit den zusehends einflußreicheren Softwareverbänden wie VSI und Deutscher Multimedia Verband (DMMV) zwecks Beitritt im neuen IuK-Dachverband ergebnislos blieben. Im Gegenteil: Erst kürzlich hatten VSI, DMMV sowie die Bundesvereinigung Bausoftwarehäuser (BVBS) und der Verband der Unterhaltungssoftware Deutschlands (VUD) mit dem Spitzenverband der Deutschen Software Industrie (SVDS) ein eigenes Top-Gremium zur gemeinsamen Interessenvertretung etabliert.

Für BVIT-Geschäftsführer Alexander Bojanowksi ist dies für das Ansinnen, die Fragmentierung in der deutschen IuK-Verbandslandschaft endlich zu beseitigen, "nicht gerade förderlich". Dem Intimus der deutschen Verbandsszene zufolge kochen hier einige wenige Hersteller aus dem Softwarelager wie Microsoft und Pixelpark "ihr eigenes Süppchen" - weil sie fürchten, in von ihnen "nicht mehr kontrollierten Großorganisationen an Posten und Einflußmöglichkeiten zu verlieren". Was für den BVIT-Verantwortlichen um so bedauerlicher ist, da sich nach seiner Lesart mehr als 90 Prozent der deutschen IuK-Branche aus kleinen und mittelständischen Firmen - vorwiegend im Bereich Software sowie produktnahen Dienstleistungen - zusammensetzen.

Indirekt übt Bojanowski damit auch Kritik an der Verhandlungsführung der vier jetzt mit der "Berliner Erklärung" vorgepreschten IuK-Verbände. Vor allem der BVB sowie der VDMA und ZVEI wollten, so der BVIT-Geschäftsführer, Nägel mit Köpfen machen und hätten ihre wirtschaftliche und politische Macht ausgespielt. Mit anderen Worten: Die neue Dachorganisation droht eine Veranstaltung der Handvoll großer deutscher IT-Firmen beziehungsweise der hiesigen Dependancen einschlägiger US-Konzerne zu werden. Alle wichtigen Posten und Verantwortlichenkeiten seien intern schon so gut wie vergeben. Als Favorit für das Sprecheramt des neuen IuK-Spitzenverbandes, dessen Namen noch nicht einmal feststeht, gilt dem Vernehmen nach Volker Jung, Mitglied des Zentralvorstands der Siemens AG und Chef des Konzernbereichs Information and Communication (IC). Bis auf weiteres bleibt es aber offiziell bei einer Einladung an die Softwareverbände , die "Gespräche zu einem Beitritt wieder aufzunehmen". Auch beim BVB und den beiden VDMA/ZVEI-Herstellervereinigungen dürfte es noch zu einem Hauen und Stechen kommen. Mit Ausnahme des BVIT sei, so Bojanowski, keiner der anderen IuK-Verbände bereit gewesen, schon jetzt einer Selbstauflösung zuzustimmen.