Neuer HP-Touch

30.09.1983

Nun kommt also auch Hewlett-Packard mit einem Personal Computer (Seite 1). Einige HP-Bosse wollten ihn offenbar nicht, hatten wohl gehofft, mit der bisher recht erfolgreichen Produktpolitik durchzukommen.

Dazu ist relevant, daß sich HP-Tischrechner auch ohne das PC-Stigma jahrelang gut verkaufen ließen. Mochten andere Anbieter sich auch abstrampeln, im Markt der Desktops und Calculators Fuß zu fassen, HP war schon da. Es stimmt zwar, daß vorwiegenden Ingenieure und Techniker mit HP-Geräten rechneten, mit dem neuen Kleincomputer HP 150 nun aber Hewlett-Packards Premiere im kommerziellen Mikromarkt zu feiern, läßt einige historische Tatsachen außer acht. Produkte wie die HP 75 oder das System 80 waren sehr wohl auch für geschäftliche Anwendungen konzipiert. Nur kam die HP-Werbung eben ohne den Begriff "Personal Computer" aus. Den verwendet sie jetzt geradezu verschwenderisch. Ob das etwas nützt?

Damit wären wir beim aktuellen HP 150-Announcement. Die Hardware: am 16-Bit-Industriestandard des PC von IBM orientiert (Mikroprozessor Intel 8088). Die Software: auf den PC-Betriebssystemstandard MS-DOS von Mikrosoft ausgerichtet. Bleibt das Touch-Screen-Element zur Systemsteuerung mit dem Zeigefinger. Im Prinzip gibt's das auch schon, etwa bei dem Portable-Newcomer Gavilan.

Worauf wir rauswollen: Es ist nicht zu sehen, worin sich die PC-Ankündigung des Minicomputer- und Meßgeräteherstellers vom Geschrei etlicher Halleluja-Firmen im PC-Markt unterscheidet, die sich mit Selbstbeweihräucherung Mut machen wollen - mit mäßigem Erfolg, wie die Geschäftsergebnisse von Osborne, Sirius/Victor, Vector Graphics oder Fortune zeigen.

Der Mikrobranche insgesamt mangelt es derzeit an Glaubwürdigkeit. Da werden in der Herstellerwerbung mit Vorliebe smarte Manager gezeigt, die sich - lässig zurückgelehnt, die Beine auf den Schreibtisch gelegt - über ihren neuen Personal Computer freuen. Was die Strahlemänner allerdings mit den Dingern anfangen sollen, wird im Anzeigentext selten gesagt. Die Hersteller, so darf vermutet werden, wissen es selber nicht. Programmiert hat der Schlips-und-Kragen-Typ jedenfalls noch nicht. Frust ist ihm nicht anzumerken. Erfahrenen Computeranwendern zieht's bei diesem Anblick die Schuhe aus.

Daß der Markt hellhöriger geworden ist, skeptischer gegenüber den Superlativaussagen der PC-Industrie, dies ist und bleibt eine vernünftige Annahme. Es ist schon etwas dran an der Diagnose von Branchenbeobachtern, das Personal-Computer-Angebot sei kopielastig, es gäbe zu viele Me-too-Produkte, die sich glichen wie ein Ei dem anderen. Sollten die HP-Strategen diesen Stolperstein übersehen haben? Die aktuelle HP-Politik hat sich ja gerade zum Ziel gesetzt, durch Anpassung an De-facto-Standards auf der Personal-Computer-Welle mitzuschwimmen. Das entbehrt nicht einer gewissen Vertriebslogik, birgt aber auch Gefahren. Das Dilemma läßt sich personifizieren: "Mother Blue", vom Druck der Antitrustklage befreit, kann, wenn sie das will, ganz ungeniert holzen, den Konkurrenten vor's Schienbein treten.

Nun gehörte Hewlett-Packard seit jeher nicht zu denen, die sich von IBM zu ruppigem Marktverhalten provozieren ließen - und damit dem Rechnerriesen Anlaß zu Strafaktionen gaben. Nein, man verhielt sich stets gentlemanlike. Die HP-Kunden honorierten dies. Ähnlich bei DEC, dem Erzrivalen von HP auf dem Minicomputersektor. Freilich kann auch die Digital Equipment Corp. mit dem bisherigen Geischäftsverlauf im PC-Bereich nicht zufrieden sein. Das sollte HP zu denken geben.