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Wie wirkt sich die Digitalisierung auf unser künftiges Arbeiten aus? Diese Frage diskutierten rund 130 Experten auf einer Konferenz des Münchner Kreises, einer gemeinnützigen übernationalen Vereinigung für Kommunikationsforschung an der Nahtstelle von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Deutschland wurden dabei gute Chancen eingeräumt. „Der Erfolg von Arbeit wird immer mehr dadurch definiert, wie kooperativ und kreativ Wissensarbeiter sind und wie intelligent sie sich vernetzen", sagte Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung. IT verändere die berufliche Zusammensetzung des Arbeitsmarktes.
Kreative Berufe expandieren
Produktionsarbeiter und Bürofachkräfte, deren Tätigkeiten durch präzise definierte Routineabläufe bestimmt sind, würden zunehmend durch Maschinen ersetzt. Dagegen expandierten Berufe, die Kreativität, Umgang mit Menschen oder visuelles und räumliches Anpassungsvermögen verlangen. „Zu den Wachstumsberufen gehören gut bezahlte Manager, aber auch Niedriglohnarbeiter im Gastgewerbe, während viele von Computern verdrängte Berufe in der Mitte des Einkommensspektrums liegen. Der technologische Wandel führt somit zur Polarisierung der Arbeitswelt", gab David Dorn, Professor am Center for Monetary and Financial Studies in Madrid, zu bedenken.
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Einige Aufgaben und Probleme, die für Menschen relativ einfach zu lösen sind, können derzeit jedoch selbst von moderner Technik noch nicht algorithmisch bewältigt werden. Hierzu zählen etwa Text- und Bilderkennung, das Verifizieren, Analysieren und Kategorisieren von Videoinhalten, das Schaffen von Wissen, das Verbessern und Kreieren von Produkten oder wissenschaftliche Forschung. Beim Crowdsourcing werden solche Aufgaben nun auf die Intelligenz und die Arbeitskraft einer großen Anzahl zunächst unbekannter Freiwilliger im Internet ausgelagert. „Die Unternehmen haben hierbei Zugriff auf eine Masse von Menschen, die ihnen im Unternehmen nicht zur Verfügung stehen würden. Durch Crowdsourcing entsteht jedoch auch eine Vielzahl organisatorischer und wissenschaftlicher Herausforderungen aus unterschiedlichsten Disziplinen der Informatik, wie das Schaffen von Anreizen für die Arbeiter und die Qualitätssicherung", merkte Phuoc Tran-Gia, Informatikprofessor von der Universität Würzburg, an.
- Crowdsourcing - gewusst wie
Wahid Rahim, Chef der Crowdsourcing-Plattform Ranksider.de, sagt, was man beachten muss, damit die Auslagerung von einzelnen Aufgaben an eine Masse von Nutzern funktioniert. - Klare Zieldefinition
Was soll mit dem Projekt erreicht werden? Welches Problem soll gelöst werden? Jeder muss sein Ziel für sich selbst und für die Community klar definieren. - Die richtige Crowd-Community auswählen
Abhängig von seinen eigenen Zielen, sollte man die richtige Community bzw. die richtige Plattform für sein Projekt auswählen. Nur so lässt sich das bestmögliche Ergebnis erzielen. - Respekt vor der Community
Damit ein Projekt erfolgreich wird, sollte man die Community als Partner betrachten und auch so behandeln. Machen Sie der Community klar, dass deren Input für Sie und für Ihr Unternehmen enorm wichtig ist. Definieren Sie faire Rahmenbedingungen und motivieren Sie die Community. - Verbreiten Sie Ihre Kampagnen
Nutzen Sie Ihre sozialen Kontakte, um Ihre Kampagne zu verbreiten. Dadurch gewinnen Sie mehr Teilnehmer und zeigen auch, dass Sie voll und ganz hinter Ihrer Crowdsourcing-Kampagne stehen. - Klären Sie die Rechtslage
Klären Sie im Voraus, dass bei einer Kampagne die Rechte Dritter nicht verletzt werden und dass Sie eventuell erforderliche Rechte am geistigen Eigentum übertragen bekommen
Thomas Malone, Professsor an der der MIT Sloan School of Management, war der Konferenz per Livestream zugeschaltet. Er erklärte, wie das Zusammenwirken technologischer und ökonomischer Rahmenbedingungen bereits Organisationen und Unternehmen verändere. Insbesondere die ständig sinkenden Kosten der Kommunikation erlaubten einen Umbruch der Arbeitsorganisation, dessen Tragweite er mit dem demokratischen Wandel von Staaten verglich. Malone stellte ein Projekt des von ihm geleiteten Center for Collective Intelligence vor, das Lösungsvorschlägen für die drängenden Probleme des Klimawandels erarbeiten will.
Im „Climate CoLab" untersuchen Experten unterschiedlicher Wissensgebiete und Herkunft die genauso komplexen wie bedrohlichen ökologischen Herausforderungen des Klimawandels. In virtuellen Diskussionsforen, digitalen Ideenmagazinen und Computersimulationen erarbeitet hier eine Vielzahl internationaler Expertenteams gemeinsam Vorschläge. Mehrheitsabstimmungen, die Aufteilung in Lösungs- und Kontrollfunktionen sowie das Prinzip der Expertenbeurteilung erzeugten dabei eine kollektive Intelligenz, die deutlich über dem Durchschnitt der individuellen Intelligenz der Teammitglieder läge, erklärte Malone. Entsprechend hoch sei daher auch die Qualität der Handlungsempfehlungen und der Vorschläge für die politische Entscheidungsfindung.
Organisationen ohne Hierarchien?
Traditionelle, hierarchisch strukturierte Organisationen, die auf Weisung und Kontrolle basieren, sind den IT-gestützten Arbeitsformen und neuen Werthaltungen oft nicht mehr angemessen. „Die Entwicklung der Organisationen hält mit diesem Wandel der Arbeit oft nicht Schritt. Management-gesteuerte Organisationen erweisen sich als zu langsam, zu unflexibel, zu fehleranfällig", erklärte Winfried Kretschmer, Chefredakteur der Online-Plattfform changeX. Die Herausforderung läge heute darin, neue Modelle für anpassungsfähige und innovative Organisationen zu entwickeln. „Mit dem Internet entstehen neue Werkzeuge der Kooperation, die mit den alten Strukturen nicht mehr kompatibel sind und andere Formen der Kollaboration erfordern", so Kretschmer. „Flexibilisierte Arbeitszeiten, Arbeitsorte, das Zusammenwachsen von Arbeits- und Freizeit sowie zunehmend heterogene Teams verlangen überdies andere Integrationsarbeit und Koordinationsmechanismen, die auch Multikulturalität bewältigen müssen", ergänzte die Wissenschaftlerin Josephine Hofmann vom Fraunhofer IAO.
- Infrastruktur
Internet (WLAN), Schreibtisch, Kaffeemaschine, Konferenzraum, Telefon und Drucker gehören zur Grundausstattung der meisten Coworking-Spaces. Quellen: Deskwanted.com, IDG - Preise
Bezahlt wird die Nutzung nach einem Mitgliedschaftsmodell ähnlich wie in einem Fitness-Studio. Die Preise variieren je nach Standort und Dauer der Nutzung. Ein Tagesticket kostet ab 13 Euro, eine monatliche Vollnutzung 179 bis 400 Euro. Extras wie Konferenzräume oder Teambüros werden zum Teil separat abgerechnet. - Markt
Der erste Coworking-Space wurde 2006 in San Francisco eröffnet. Heute gibt es weltweit 2500 Standorte, davon 1160 in Europa. - Nutzer
Coworker arbeiten eigenverantwortlich in wechselnden Projekten und sind Selbständige, Existenzgründer oder Angestellte, die in flexiblen Arbeitsumgebungen tätig sind. - Funktionsweise
Coworking Spaces sind Großraumbüros, die unabhängig voneinander arbeitende Personen und Firmen als Hauptarbeitsplatz nutzen. Verbindungen unter den Nutzern entstehen durch ähnliche Ideen und Werte oder sich ergänzende Fähigkeiten. Eine sinnvolle Vernetzung unter den Nutzern wird von den Coworking-Anbietern vorangetrieben.