Quereinsteiger in der IT

Neue Tricks im Recruiting der Generation Y

01.10.2015
Von 
Angela Carell ist beim IT-Dienstleister adesso AG für den Bereich Forschung und Forschungsförderung verantwortlich. Darüber hinaus befasst sie sich mit dem Thema "Kreativitätsförderung in Organisationen und Teams".
Gute Jobangebote, flexible Arbeit und BYOD sind für Jobsuchende in der IT heute fast Standard. Und weil Informatiker, Entwickler & Co. in der Branche wegen des Fachkräftemangels rar sind, heißt es für Personaler auch, in anderen Berufen nach Mitarbeitern und Know-how zu suchen. IT-Dienstleister adesso setzt dabei auf einen „Kompetenz-Profiler“.
  • Der IT-Branche gehen die Spezialisten aus.
  • Lebensläufe dürfen Brüche und Diskontinuitäten aufweisen.
  • Unternehmen müssen Talente und Kompetenzen besser nutzen.

Die IT-Branche ist mit ihrer enormen Innovationsdynamik der Inkubator für Cross Innovations in anderen Branchen und Unternehmen. Insbesondere unter dem Stichwort Digitalisierung ist die Informationstechnik Treiber für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Damit IT-Unternehmen diesem Innovationsdruck selbst standhalten und daraus eigene Wachstumschancen generieren können, brauchen sie entsprechend qualifiziertes Personal. So meldet der Branchenverband Bitkom, dass bis Ende des Jahres rund 785.000 Beschäftigte in dieser Branche tätig sein werden. Das sind 58.000 mehr als noch im Jahr 2013. Angesicht des anhaltenden Fachkräftemangels ist diese Entwicklung umso erstaunlicher, zeigt aber auch, dass IT-Unternehmen immer mehr im Wettstreit um diese Personalressourcen stehen.

Personaler müssen in anderen Berufssparten Ausschau nach nach neuen und kompetenten Mitarbeitern halten.
Personaler müssen in anderen Berufssparten Ausschau nach nach neuen und kompetenten Mitarbeitern halten.
Foto: Milles Studio - Shutterstock

Recruiting rückt in den Vordergrund

Diesen Kampf um die Talente spürt auch die adesso AG, einer der größten IT-Dienstleister Deutschlands auf dem Gebiet der Entwicklung von Individualsoftware. Weil sehr gut ausgebildete Informatiker schwerer zu bekommen sind, hat der Recruiting-Aufwand deutlich zugenommen. Entsprechend werden die Strategien immer ausgefeilter, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Viele IT-Unternehmen suchen deshalb zum Beispiel grenzüberschreitend nach Arbeitskräften und versuchen zunehmend, auch nicht-klassische Personalressourcen zu erschließen. Für adesso steht fest, dass eindimensionale Strategien langfristig nicht wirksam sind. Der Grund: Der demografische Wandel führt nicht nur zu einer Verknappung des Arbeitskräftepotenzials, sondern hat auch andere Implikationen, die mit den Begriffen bunt und vielfältig beschrieben werden können.

Kein Leben lang im gewählten Beruf

Bunt und vielfältig bedeutet zum Beispiel, dass Personaler es heute mit Berufsbiografien zu tun bekommen, die nicht mehr so gradlinig sind wie früher. Das heißt, sie sind durch die erste Berufswahl nicht mehr für die nächsten Jahrzehnte vorherbestimmt. Heutige Berufsverläufe weisen Brüche und Diskontinuitäten auf. Dazu zählen beispielsweise der Wechsel in andere Branchen und Tätigkeitsfelder, Phasen von Familienarbeit, freiberuflicher Tätigkeiten oder Zeiten vorübergehender Arbeitslosigkeit.

Solche Erwerbsbiographien bieten für IT-Unternehmen tatsächlich große Chancen, neue Arbeitskräftepotenziale zu erschließen. So hat adesso Bereiche in der IT identifiziert, wo auch Beschäftigte mit anderen Ausbildungshintergründen eingesetzt werden können. Einen solchen Sektor stellt das Requirements Engineering dar. Gerade in diesem Feld sind Personen mit hohen kommunikativen und analytischen Kompetenzen erforderlich. Sie müssen sich in die Kundensituation hineindenken, die Sprache des Kunden verstehen und seine Anforderungen in die IT übersetzen können. Personen mit gesellschaftswissenschaftlichen Profilen weisen häufig solche kommunikative Kompetenzen auf und können sich die notwendigen Basiskenntnisse im IT-Bereich schnell aneignen. Im Requirements-Engineering-Team von adesso arbeiten deshalb neben ausgebildeten Informatikern auch ein Techniksoziologe und eine Philosophin.

Generation Y und die Digitale Bohème

Vielfalt bedeutet in Zeiten des demografischen Wandels aber auch, dass sich das Selbstverständnis und die Erwartungshaltung von Beschäftigten ändern. Während sich Freelancer in der IT-Branche früher negativ als "Netslaves" bezeichneten, drängt heute eine neue Generation erfolgreicher "Job-Nomaden" in die Branche, die sich als "Digitale Bohème" definiert und sich die Freiheit nimmt, "zu leben und zu arbeiten, wie man Lust hat".

Aber auch die junge Generation an Beschäftigten, die Generation Y, die eine Festanstellung sucht, zwingt IT-Unternehmen zum Umdenken. Sie wollen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Leben, wollen sich beruflich engagieren, aber ihre Freizeit dafür nicht opfern. Ältere Generationen hätten sich das wohl auch gewünscht, die Jüngeren haben aber zunehmend die Macht, dieses Lebenscredo auch umzusetzen. Mehr noch: Sie verändern auch die Kommunikation in den Unternehmen, wollen ihre persönlichen Devices und Kommunikationskanäle auch im Job bedienen. Service-Provider adesso hat darauf mit einem eigenen BYOD-Ansatz für Mitarbeitende reagiert.

Wenn die Vielfalt im Unternehmen größer wird, steigen damit automatisch die Herausforderungen. Zum Beispiel taucht die Frage auf, ob Alters- und Jugendstereotype vorhanden sind, die das Arbeiten in altersgemischten Teams erschweren. Für eine Antwort auf diese Frage ist es bei adesso noch zu früh.

Verborgene Talente und Know-how ausfindig machen

Eine Herausforderung ist es auch, wie mit den zunehmend heterogener werdenden Kompetenzprofilen der Mitarbeitenden umzugehen ist. Diese Profile sind in der Regel nicht über die klassischen IT-bezogenen Kompetenzkataloge abzubilden. Anderseits verschenkt ein Unternehmen aber auch Ressourcen, wenn es diese Fähigkeiten nicht für sich erschließt. Aus diesem Grund hat adesso im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojektes einen "Kompetenz-Profiler" entwickelt, mit dem Mitarbeiter unter anderem ihre verborgenen Begabungen freiwillig erfassen und über einen Tagging-Mechanismus mit Fertigkeiten aus einem vordefinierten Kompetenzkatalog in Beziehung setzen können. Wenn zum Beispiel jemand für ein Projekt gesucht wird, der Branchenkenntnisse im Bereich Gartenbau hat, dann können mit dem Kompetenz-Profiler nun auch diejenigen gefunden werden, die sich in vergangenen Berufsphasen oder auch in ihrer Freizeit mit dem Thema intensiv beschäftigt und Know-how haben.

Gleichzeitig sind Vielfalt und Interdisziplinarität der Nährboden für Innovationen. Es ist deshalb sowohl Herausforderung als auch Chance für Unternehmen, die sich aus dem demografischen Wandel, den bunten Erwerbsbiographien sowie der Vielfalt an Beschäftigten ergebenden Potenziale zu erschließen. (pg)

Angela Carell ist bei der adesso AG für den Bereich Forschung und Forschungsförderung verantwortlich. Darüber hinaus befasst sie sich mit dem Thema "Kreativitätsförderung in Organisationen und Teams".