Rechenzentren in der Überlebenskrise

Neue Technologien machen dem RZ-Service zu schaffen

22.12.1989

Service-Rechenzentren, die ihre Dienstleistungen rund um die Datenverarbeitung anbieten, stecken nach vielen fetten Jahren heute in der Krise. Rudolf Beyenburg* versucht in einem Beitrag die Frage zu beantworten, warum diese Regression entstanden ist und woran die traditionellen Rechenzentren kranken.

Traditionell werden die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung zur Effektivierung betriebsinterner Abläufe verwandt. Und herkömmlicherweise wurden - und werden noch - rechenintensive und routinemäßige Rechneroperationen wie zum Beispiel Buchhaltung, Rechnungslegung, Statistiken, Zeitreihen und anderes mehr zu den Hauptaktivitäten der Rechenzentren gezählt. Häufig wurden diese unternehmensrelevanten Abläufe von internen auf externe Rechenzentren verlagert. Servicerechenzentren, die ihre Dienstleistung rund um die Datenverarbeitung anboten, entstanden. Nach vielen fetten Jahren sind wir nunmehr mittendrin in den dürren.

Die strukturelle Krise legt sich schwer über die DV-Abteilungen. Besonders betroffen von dieser allgemeinen Regression sind die Service-Rechenzentren. Wo eben noch nach neuen und noch größeren Systemen Ausschau gehalten wurde, sucht man jetzt nach effizienten Auswegen aus dem Dilemma. Wodurch ist diese Krise entstanden? Was läßt die Dinosaurier unter den DV-Zentren wanken?

Zu einfach würde man es sich manchen, wenn die Beantwortung dieser Fragen mit Closed-Shop-Mentalität der DV-Spezialisten, mit Preisverfall bei Großgeräten, und mit der Penetrierung der Fachabteilungen durch PCs abgetan würde. Die Grunde für diese problematische Situation sind vielfältiger.

Eine wesentliche Ursache ist zweifellos in dem informations-technologischen Schub der letzten Jahre zu sehen. Beim Nachlassen des "Make" -Gedankens zugunsten von "Buy" liegt ein weiterer Grund. Die Inanspruchnahme von Lösungen kommerzieller Anbieter bei der Einführung neuer Technologien, dem Aufbau lokaler und internationaler Netze oder bei der Entwicklung neuer Service-Konzepte begünstigen die rasche Veränderung des Einsatzes der großen Mainframes. Nur wer seine Großrechner in Netzwerkhierarchien, Micro-Mainframe-Links und in Computer-Computer-Verbindungen einbringen kann, hat langfristig eine Chance zu überleben.

Ein Beispiel hierfür mag der kürzlich bekanntgewordene Wechsel der Handelsblatt Genios-Wirtschaftsdatenbanken vom IBM-Rechner auf den weltweiten Rechner-Verbund von General Electric Information Services sein (siehe COMPUTERWOCHE Nr. 44 vom 27. 0ktober, Seite 1). Dieser Wechsel eröffnet dem Genios-Anwender eine neue Kommunikationswelt. Zugriff auf andere, internationale Datenbanken und weltweite Grafikübertragung seien hier als Vorzüge genannt.

Das zeigt, daß bloßes Vorhalten von Informationen oder Datenbanken nicht mehr ausreicht, sondern die Einbindung aller technischen "State of the art" -Komponenten notwendig geworden ist.

Der Forderung nach aktivem und flexibel verfügbarem Nutzen für den Anwender wird das reinrassige DV-Zentrum nicht mehr gerecht. Denn es kann gerade denjenigen Unternehmensbereichen, deren Hauptaugenmerk primär auf den Markt und weniger auf die internen Abläufe gerichtet ist, wie Marketing, Vertrieb, Planung, Handel und Beschaffung nur unzureichende elektronische Hilfe bieten. Gerade diese Abteilungen sind jedoch die Motoren eines Unternehmens. Die geforderte hohe Flexibilität und die zunehmend kürzeren Reaktionszeiten in einem wettbeverbsorientierten Markt sind ohne Änderungen und Gewichtung der Informationsstrukturen und ihrer gleichzeitigen Einbindung in ein EDV-gestütztes Informationsnetzwerk undenkbar.

Von primärem Interesse sind heute externe Informationen über Marktentwicklung, Preise, Wechselkurse, Konkurrenzprodukte, Kunden und Interessenten, sowie aktuelle und zuverlässige Daten über das wirtschaftliche und politische Umfeld. Diese Informationen werden heute über die verschiedensten Komunikationswege wie Zeitschriften, Tickerdienste und Wirtschaftsagenturen oder aus Archiven und Nachschlagewerken beschafft.

Zwingend für all diese Informationen ist, daß sie ohne neuerliche Erfassung und technische Hemmnisse verarbeitbar sei müssen. Dabei sind Flexibilität und Schnelligkeit der Datenübertragung vorrangig. Das führt dazu, daß der Sicherung und Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit (auch im Hinblick auf Europa '92) Priorität bei Investitionsentscheidungen - speziell im Bereich der Informationstechnologie - konzidiert werden muß.

Die Zukunft gehört zweifellos solchen Systemen, die Informationsangebot und -verarbeitung am Arbeitsplatz, im Unternehmen oder außerhalb des Unternehmens integrieren, die darüber hinaus einfach und einheitlich zu bedienen sind, portabel und unabhängig vom jeweiligen Arbeitsplatz auch international den Zugriff erlauben Automatisierte Informationsverarbeitung und die direkte Weiterverarbeitung der

Informationen in branchenbezogenen Anwendungssystemen ist gefragt.

Die unserer Zukunft angemessenen Informationssysteme bedingen die Integration unterschiedlicher Hardware- und Softwaresysteme diverser Anbieter. Eine Beschränkung auf Produkte einzelner Hersteller läßt die Realisierung derart komplexer Systeme nicht zu. Gerade hier kommt deshalb einem Dienstleister wie zum Beispiel General Electric Information Services eine tragende Rolle als Systemintegrator zu.

Basis bilden vier Rechenzentren

Die Basis der von GE angebotenen DV-Dienstleistungen und das weltweite Datenfernverarbeitungsnetz bilden vier Rechenzentren, davon zwei in den USA, jeweils eines in Italien und den Niederlanden. Protokollumwandlungen erlauben die Nutzung der unternehmenseigenen Hardware-Ressourcen vor Ort. Alle Rechner in den vier GE-Zentren sind zu Clustern zusammengefaßt, so daß eine Ausfallsicherheit von nahezu 100 Prozent gegeben ist.

Komplexe Wertpapier- und Devisenhandels-Steuerungssysteme etlicher deutscher Großbanken nutzen dieses weltweite Serviceangebot ebenso wie Industrie und Handel in den Branchen Automobil- und Maschinenbau, Chemie und Dienstleistung.

Nur zu verständlich ist, daß klassische Service Rechenzentren diese Anforderungen nach Informationen nicht erfüllen können, weil sie anders konzipiert sind. Vor ähnlichen Problemen sehen sich auch die Spezialisten interner DV Abteilungen. Die Konsequenzen daraus: Traditionelle Rechenzentren bleiben, was sie sind: Insellösungen.