VDI: Gewerkschaften sollten sich um innerbetriebliche Qualifikationsstruktur kümmern:

Neue Technologie in alte Hierarchie gestopft

02.07.1982

BERLIN (nw) - "Der durch die Mikroelektronik ausgelöste Innovationsschub hat in den Betrieben, für Unternehmer wie Arbeitnehmer, einen Anpassungszwang ausgelöst, der Ängste weckt." Diese Ansicht vertrat der Geschäftsführer des VDI-Technologiezentrums Klaus-Peter Friebe vor Betriebsräten der IG Metall.

Die Unternehmen haben Friebe zufolge große Schwierigkeiten, Produkte, Produktionsweisen und Organisationsstrukturen an den neuesten Stand dieser Technologie anzupassen. Häufig fehlendes Mikroelektronik-Know-how im eigenen Hause schwäche das Innovationspotential in diesem Bereich bei gleichzeitig wachsendem Druck durch die ausländische Konkurrenz.

Die beiden Hauptkonkurrenten der Bundesrepublik, USA und Japan, setzen nach VDI-Technologiezentrums-Berechnungen gegenwärtig für etwa 50 Mark mikroelektronische Bauelemente pro Kopf und Jahr um, zum Vergleich betrage die Summe hier nur 20 Mark. Diese Zahlen lassen nach Ansicht Friebes für die Zukunft der bundesdeutschen Wirtschaft das Schlimmste befürchten.

Die Arbeitnehmer dagegen hätten Angst vor einer weiteren Zergliederung der Arbeitsabläufe, die ihrer Ansicht nach die fortschreitende Automatisierung durch mikroelektronische Steuerungen mit sich bringe. Zudem befürchte man auch Abqualifizierung, Rationalisierung und Verlust von Arbeitsplätzen.

Resigniert zeigten sich die Betriebsräte vor allem davon, daß bei der Einführung von Mikroelektronik keine Mitbestimmung möglich sei:

"Die neuen Technologien werden doch einfach in die alten Betfiebshierarchien gestopft.

Doch die neuen Formen der Arbeitsorganisationen haben, wie Friebe glaubt, bislang weder Gewerkschaften noch Unternehmen erkannt. In der ersten Phase der Mikroelektronik-Nutzung seien lediglich herkömmliche Maschinen durch mikroelektronisch gesteuerte ersetzt worden. Jetzt, in der zweiten Phase könne die intelligente Verdrahtung der Maschinen das Ende der Arbeitsteilung bedeuten.

In Konstruktion, Entwicklung und Arbeitsvorbereitung werden sich Friebe zufolge die Strukturgrenzen verschieben: Der Ingenieur muß wieder zurück auf die Produktionsebene." Strukturierte und strukturierbare Aufgaben werden verstärkt von Maschinen übernommen. Für Arbeitnehmer bedeute dies eine Entlastung von Routinetätigkeiten. "Die Gewerkschaften sollten sich überlegen, ob sie nicht statt der 35-Stunden-Woche lieber wöchentlich fünf Stunden innerbetriebliche Fortbildungsmaßnahmen fordern sollten, gibt Friede zu bedenken.

Das gemeinsam vom VDI-Technologiezentrum und der Innovationsberatungsstelle Berlin der IG Metall durchgeführte dreitägige Seminar - ein Pilotprojekt, dem weitere Veranstaltungen folgen sollen - verfolgte das Ziel, Berührungsängste der Arbeitnehmer mit den neuen Technologien abbauen zu helfen. Am ersten Tag wurde versucht, die Technik in einer Sprache verständlich zu machen, die das. .Mikroelektronik-Chinesisch" vermeiden wollte.

Die Programmierung und simulierte Funktion einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine bildete den Mittelpunkt des zweiten Tages und am dritten schließlich wurde über die Auswirkungen auf die betriebliche Organisationsstrukturen referiert und die Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte und Gewerkschaften diskutiert.

Weitere Veranstaltungen dieser Art sind geplant.

VDI-Technologiezentrum, Budapester Str. 40, 1000 Berlin 30, Tel.: 030/26 09-0