Neue Strukturen in der Fertigung

14.12.1979

Dr.-Ing. G. Stute

ist o. Professor und Direktor des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen, Universität Stuttgart.

Steuerungstechnische Entwicklungen haben in den vergangenen Jahren nicht nur die Werkzeugmaschinen entscheidend verändert, sondern führen zunehmend auch zu neuen Strukturen in der gesamten Fertigung. Die Möglichkeit, mit geringem Aufwand Informationen speichern, mit ihnen rechnen und regeln zu können, läßt eine weitgehende Automatisierung des Fertigungsablaufes zu. Speichern; Rechnen und Regeln beruhen hier auf den Prinzipien der Digitaltechnik; es werden also eine große Zahl bewerteter Zeichen verwendet und mit den Mitteln der Halbleitertechnik, also der modernen Elektronik, verarbeitet.

Um zu erkennen, welche Steuerstrukturen an Werkzeugmaschinen für den Anwender und Maschinenhersteller von Bedeutung sind, ist es notwendig, sich mehr als bisher an der Aufgabenstellung und weniger an Begriffen zu orientieren, die zudem auslegungsfähig sind.

Die Arten der Informationsverarbeitung des organisatorischen und des technischen Bereiches sind voneinander abhängig, außerdem vom Werkstückspektrum, von Losgrößen, von der Struktur und der Organisation des Betriebes. Eine universelle Lösung für alle Aufgaben kann es nicht geben. Es gilt vielmehr, die jeweiligen Aufgaben unter bestimmten Fragestellungen anzugehen.

Diese sind für den Anwender: Bedienung und Programmierung, Betriebssicherheit, Kosten, Flexibilität und Nachführbarkeit sowie Integrierbarkeit und Normierung.

Numerische Steuerungen werden unter den Gesichtspunkten neuer Funktionen sowie der Kosten und Anwendungsbereiche entwickelt.

Alle derzeit entwickelten Steuerungen sind CNC-Steuerungen, das heißt die Steuerungsfunktionen werden mit Hilfe eines Rechners ausgeführt. Dabei verwendet man überwiegend Mikrorechner.

Zu den neuen Funktionen ist festzustellen, daß es im Augenblick einen so revolutionierenden Schritt nicht gibt, wie es beispielsweise der Programmspeicher vor einigen Jahren war. Neue Steuerungen - es wurden insbesondere auch auf der EMO in Mailand Anfang Oktober 1979 einige vorgestellt - enthalten eine speicherprogrammierbare Steuerung innerhalb der numerischen Steuerung, so daß der Logikanteil der eigentlichen Maschinensteuerung wegfallen kann. Der Speicher für Werkstückprogramme wird erheblich erweitert, in einem Fall bis auf 256 K. Während die Programmspeicher für die geringe Satzzahl der Drehmaschine schon immer ausreichten, läßt sich nunmehr die gesamte Programmbibliothek - auch eines Bohr- und Fräszentrums - an der Maschine ablegen.

Ein Dualismus zwischen

Hard- und Software

Bei Funktionserweiterungen ist ein ständiger Dualismus zwischen Hard- und Software vorhanden. Die getrennte Schaltung vergrößert den Umfang der Elektronik, das Hinzufügen eines Programms vergrößert die Speicher und verlängert die Ausführungszeiten. Deshalb gehen die ansteigende Geschwindigkeit der Mikroprozessoren und die reduzierten Speicherkosten nicht wesentlich in die Entwicklung ein. Auch die Programmkonzeption ist selbstverständlich sehr kostspielig und erprobungsbedürftig. Hohe Flexibilität von Steuerungen entsteht nicht allein dadurch, daß sie Software-intensiv aufgebaut wird. Die Reduzierung des Hardware-Umfangs, der entsprechende Software-Aufwand, wie auch die zugehörige Kostenentwicklung müssen in Relation zueinander gesehen werden.

Damit wäre der zweite Entwicklungsschwerpunkt der Steuerungstechnik - nämlich der der Kosten - bereits angesprochen. Ein wichtiger Aspekt für Kostenreduzierung ist durch die je verwendete Aufbautechnik innerhalb der numerischen Steuerung gegeben. Hier konkurrieren Großkartentechnik und Magazintechnik miteinander. Es ist notwendig, die Vorteile und Nachteile beider Verfahren leidenschaftslos gegeneinander zu stellen, um die Einsatzbereiche voneinander abzugrenzen. Niedrigere Kosten bei geringerer Flexibilität lassen die Großkartentechnik für den Bau einheitlicher Geräte sinnvoll erscheinen, modular "zugeschnitten" sollten solche Anlagen sein, für die die Magazintechnik ein geeignetes Aufbauprinzip ist.

Neue Steuerungsentwicklungen beziehen sich aber nicht nur auf numerische Steuerungen, vielmehr ist mit der speicherprogrammierbaren Steuerung in den letzten Jahren ein so universelles Instrument eingeführt worden, das für die jeweilige Steuerungsaufgabe vom Anwender programmiert werden kann. In der Zwischenzeit sind von vielen Herstellern verschiedenartige Geräte entwickelt worden. Zunächst waren sie für die Verwendung bei Großanlagen vorgesehen (Transferstraßen) und sind damit für viele Steuerungsfunktionen geeignet. Dann erst kamen die weniger zeitkritischen Anwendungen in der Verfahrenstechnik hinzu.

Nicht teurer als

Relaissteuerungen

In diesem Bereich ist neu, daß auch Steuergeräte vorhanden sind, die für den typischen Funktionsumfang einer Einzelwerkzeugmaschine anwendbar werden und keine höheren Kosten verursachen als die einer bisher verwendeten Relais- oder Schützensteuerung. Der breiten Einführung als Logikteil der Maschinensteuerung stehen jetzt also nicht mehr Gründe des Zeitverhaltens oder der Kosten entgegen, sondern vornehmlich Ausbildungsprobleme in den Betrieben und die Qual der Wahl in der unübersehbaren Vielfalt verschiedener Geräte, die schon heute angeboten werden. Diese Vielfalt ist für den Maschinenhersteller dann verderblich, wenn er befürchten muß durch Maschinenanwender auf bestimmte Steuerungsfabrikate festgelegt zu werden. Die durch unterschiedliche Programmierung entstehende Mehrarbeit und die entsprechenden Mehrkosten schrecken manchen Hersteller ab, auf die neue Steuerungstechnik überzugehen. Dabei ist klar ersichtlich, daß der Anwender durch die verbesserten Service- und Diagnosefunktionen auch dann einen großen Vorteil hätte, wenn er die Auswahl der Steuerung - wie die der anderen Maschinenelemente - dem Maschinenhersteller überlassen würde.

In Verbindung mit automatischen Anlagen wird immer die Frage nach der Betriebssicherheit gestellt. Eine Anlage ist dann sicher, wenn sie ihre Umgebung - also Menschen aber auch Sachwerte zum Beispiel teure Werkstücke - nicht gefährdet. Unter Verfügbarkeit verstehen wir hingegen die Möglichkeit, ein System zu gegebener Zeit in funktionsfähigem Zustand anzutreffen. Sie ist vor allem durch den mittleren zeitlichen Abstand zwischen zwei auftretenden Fehlern, aber auch durch die Zeit, die erforderlich ist, die Fehler zu beheben, definiert.

Übereinstimmende Untersuchungen verschiedener Stellen über die Fehler an numerisch-gesteuerten. Werkzeugmaschinen zeigen zum Beispiel eindeutig, daß die Steuerungen nur zu einem geringen Teil beteiligt sind und auch hier kaum mit ihren elektronischen Bauelementen. Eine weniger bekannte Tatsache ist, daß nicht nur die Bauelemente, sondern auch die in den Steuerungen verwendeten Betriebssysteme Fehler aufweisen können. Jedes Zusammentreffen der vielen möglichen Variablen muß vom Software-Entwickler eindeutig vorausgesehen werden. Eine sorgfältige Strukturierung bessere Entwurfsverfahren, vor allem aber eine sorgfältige Erprobung und nicht zu häufige Änderung von Softwareteilen können hier Abhilfe schaffen.