Zunehmende Konkurrenz zu HW-Herstellern und anderen Dienstleistern

Neue Serviceansätze bergen hohe Risiken für viele TPM-Anbieter

18.12.1992

LONDON (see) - Anbieter traditioneller Wartungs- und Reparaturservices sehen ihre Felle davonschwimmen - ebenso wie die Hardwarehersteller. Beide Gruppen orientieren sich deshalb neu: Umfassendere IT-Services sind der Zielmarkt, in dem TPMer und Box-Mover, zusammen mit den klassischen DV-Dienstleistern, zunehmend als Konkurrenten aufeinandertreffen. Für alle wird es eng.

"Die TPM-Industrie wird erwachsen", konstatierte Philip Stapleton, Director Strategic Planning der Granada Computer Services International Ltd., in London. Auf einer Konferenz über Multivendor- und Drittwartung, veranstaltet von der Marktforschungs- und Beratungsgesellschaft Frost & Sullivan, kennzeichneten er und weitere Referenten das Reparatur- und Wartungsgeschäft als riskant, aber chancenreich.

Stapleton zeichnete den Reifeprozeß der TPM-Industrie nach: Anfangs sei sie ein "Bastard" aus der Beziehung zwischen der IBM und der Leasingindustrie gewesen, der die gleichen Leistungen offerierte wie Big Blue, nur für weniger Geld. IBM habe seinerzeit die Drittwarter als willkommenes Feigenblatt für das eigene Streben nach Marktbeherrschung toleriert. Mittlerweile haben sich die TPMer jedoch nach Darstellung des Granada-Managers von ihrem Me-too-Ansatz gelöst und reagieren jetzt eigenständig und direkt auf den diversifizierten Bedarf. Kennzeichnend für den Branchentrend sei die Tatsache, daß ehemals reine Reparaturunternehmen jetzt auch Support für Software und Netzwerke anböten.

Der niedrigere Wartungspreis im Vergleich zur Leistung der HW-Hersteller sei nicht mehr das einzige Marketing-Argument der Maintainer, zumal auch Hardware-Companies und OEMs auf den Zug aufsprängen und zunehmend heterogene DV-Installationen - Multivendor-Umgebungen - betreuten. Der Erfolg indes, so Stapleton, sei begrenzt, denn den Box-Movern werde tendenziell eigenes Verkaufsinteresse unterstellt, wenn sie als Wartungsanbieter aufträten.

Einen schweren Stand gegenüber den Kunden haben die Computerfabrikanten auf jeden Fall. David Palmer, verantwortlich für IT-Maintenance im britischen Verteidigungsministerium, stellte fest, die Preise pauschaler Wartungsverträge stünden in keiner Beziehung zu den tatsächlich entstehenden Reparaturkosten. Er argwöhnte, viele HW-Anbieter finanzierten mit den Maintenance-Einnahmen Teile ihrer Betriebskosten, zum Beispiel für Forschung und Entwicklung. Nackte Standardverträge seien meist nicht zufriedenstellend, und für notwendige Zusätze zur Wartungsleistung schlügen die Anbieter dann erbarmunglos beim Preis zu.

Der Marktzugang über den Preis, den sich die TPMer angesichts dieses Herstellerverhaltens verschafften, birgt Gefahren: Mit den Computer- und Peripheriepreisen fallen auch die meist daran gekoppelten Erlöse aus dem Wartungsgeschäft. Um diesem Risiko zu entgehen, so Clive Marklew, Executive Director der britischen Micro Systems Maintenace Ltd., müssen die TPMer ihr Angebot aufwerten und auf kompletten IT-Service umschalten. Diese Notwendigkeit - und da bestätigte Marklew die Analyse von Stapleton - bestehe jedoch nicht nur für die Fremdwarter, sondern in gleichem Maße für die HW-Hersteller und OEMs. Ein heißer Tanz der Konkurrenten sei vorgezeichnet.

Gesamtsysteme immer komplexer

Die technische Entwicklung in der DV ist ein zweischneidiges Schwert für die Fremd-Maintainer, folgt man Stapleton von Granada: Einerseits gestalteten sich Wartung und Logistik einfacher, weil die HW auf der Komponentenseite immer mehr standardisiert werde - als Beispiel nannte er Raid-Speicher-, andererseits jedoch würden die Gesamtsysteme immer komplexer. Die Wartung von heterogenen Umgebungen, von Client-Server-Netzen, verlange einen ganzheitlichen Ansatz bei der Behandlung von Systemen.

Mit Dienstleistungen für Server-basierte Workstation-Netze auf Sun-Basis befaßt sich die amerikanische Polaris Computers. Präsident Thomas Willson hofft, vom Wachstum des Workstation-Marktes profitieren zu können. Die Notwendigkeit zur Anpassung an ein neues Servicemodell sieht er als Chance für sein Unternehmen an, beschrieb jedoch auch die Risiken: Ohne Anschubfinanzierung komme ein Workstation-Warter nicht aus, da er mit der Lagerhaltung für HW-Komponenten ein hohes finanzielles Risiko eingehe: Die kurzen Innovationszyklen führten zu einem rapiden Preisverfall, so Willson, und werteten damit das gebundene Kapital eines Unternehmens ab.

Zudem gingen immer mehr Anwender dazu über, auf Wartungsverträge zu verzichten, da sie die standardisierten Workstation-Komponenten selbst austauschen könnten; der Markt schrumpfe dadurch. Auch, rechnete Willson vor, müsse beispielsweise ein Sun-Wartungsunternehmen 1675 Systeme unter Vertrag haben, um kostendeckend arbeiten zu können. Eine durchschnittliche Konfiguration umfasse 134 Systeme, so daß die per Startfinanzierung zu überbrückende Durststrecke sehr lang sei.

Dennoch erscheint das Wartungsgeschäft zukunftsträchtig, wenn man sich die fünfjährigen Erfahrungen des britischen Verteidigungsministeriums anschaut: 42 Prozent der Wartungskosten sparten die Vaterlandsverteidiger ein, seit sie "Single Source Maintenance" betreiben. Zudem, so IT-Wartungschef Palmer, sei die früher übliche Handhabung von mehreren tausend Maintenance-Kontrakten mit einer Unzahl verschiedener HW-Hersteller ein "Alptraum" gewesen.

Für Palmer ist die Wartung heterogener Installationen durch einen Anbieter also nicht nur eine Geldfrage: Eindeutig verbessert hätten sich auch die Flexibilität, die Geschwindigkeit und die Zuverlässigkeit des Services. Mit der Voraussage, das Gegenteil werde der Fall sein, hatten nach Palmers Worten einst die HW-Hersteller versucht, das Verteidigungsministerium von der "Single-Source"-Maintenance abzubringen.