Klar strukturierte Software-Architekturen bewaeltigen die Umstellung besser

Neue Postleitzahlen geben den DV-Spezialisten einiges zu tun

19.03.1993

Die Aenderungen in der PLZ-Systematik sind mittlerweile weitgehend bekannt:

Alle die Leitung der Post bestimmenden Informationselemente sind in einer einzigen, nun fuenfstelligen Zahl zusammengefasst. Zusaetzliche Angaben zum Zustellpostamt (zum Beispiel Muenchen 81 oder Post A-Dorf) entfallen ebenso wie die Kennzeichnungen W und O.

Fuer Postfach-Zustellung und Empfaenger von Massensendungen gelten eigene Leitzahlen. Etwa 25 Prozent des Postaufkommens koennen damit automatisch in spezielle Sortiergaenge eingeschleust werden.

Die ersten beiden Stellen der neuen PLZs repraesentieren insgesamt 83 Regionen. Sie erfuellen hauptsaechlich postlogistische Zwecke, decken sich also nicht mehr mit Bundesland- oder Landkreisgrenzen. Ferner kennt die PLZ kuenftig die fuehrende Null (Dresden: 01, Leipzig: 04 etc.).

Die restlichen drei Stellen verschluesseln je Postort gegebenenfalls mehrere Zustellbezirke, Postfachschraenke und Grossempfaenger.

In 209 Staedten wird es mehr als eine Zustell-PLZ geben; die Abgrenzung erfolgt ueber Strassen, zum Teil auch Hausnummern. Auf diese Orte entfallen etwa 50 Prozent der deutschen Adressen.

Versteckte Fussangeln warten auf den Anwender

Auf den ersten Blick erscheint die Umstellung DV-technisch als leichte Uebung. Ein Datenfeld ist von vier auf fuenf Stellen zu erweitern. Die neue PLZ wird durch Standardsoftware oder in Service-Rechenzentren ermittelt. Die Post stellt dazu Leitdateien bereit.

In der Praxis werden aber Schwierigkeiten nicht ausbleiben. Schon die acht Umstellungsdateien der Post signalisieren eine gewisse Komplexitaet. Das einzelne Unternehmen wird je nach Situation (Menge und Qualitaet der Adressen, Struktur von Programmen und Daten) mit zahlreichen, oft noch nicht erkannten Fussangeln konfrontiert.

Das beginnt bei den Kosten. Standardsoftware zur inhaltlichen PLZ-Umstellung wird zum Kauf und im Service angeboten. Die Preise dafuer liegen zum Teil deutlich im sechsstelligen Mark-Bereich. Hinzu kommt eigener Aufwand zum Versorgen der In- und Output-Schnittstellen. Automatisches Aendern setzt voraus, dass die Schreibweise der Altadressen mit der in den Umstellungsdateien uebereinstimmt. Veraltete Bezeichnungen, unterschiedliche Abkuerzungen, Schreibfehler etc. muessen vorher bereinigt werden. Teilweise wird das nur manuell moeglich sein.

Die nun seit ueber 30 Jahren gueltigen Leitzahlen bilden nicht selten die Basis fuer organisatorische Strukturen. Beispiele dafuer sind Vertriebsgebiete, Betreuungszuordnungen und Tarifzonen. Elemente aus der Postleitzahl (zum Beispiel die erste Stelle) werden bisher in Plausibilitaetspruefungen, statistischen Aggregationen (Summen, Zeitreihen), Ableitungen und Zuordnungen benutzt.

Diese Strukturen sind an die Interpretierbarkeit der alten PLZ geknuepft (zum Beispiel war von der Zahlenlaenge auf die Groesse des bezeichneten Ortes zu schliessen) und lassen sich in das neue System nicht uebernehmen. Dezentrale Adressenbestaende zum Beispiel in PCs erfordern spezielle Konvertierungen oder manuelle Umstellung. Betroffen sind in Datenbanken und auch in Standardsoftware gespeicherte Adressen fuer Briefaktionen.

Auch die herkoemmliche Bueroorganisation ist hier gefordert: Formulare aller Art, Visitenkarten, Briefboegen, Stempel und Werbeabonnements muessen geaendert werden. Der Aussendienst muss den Kunden beispielsweise in 80654 Muenchen statt in Muenchen 70 oder Muenchen-Sendling aufsuchen.

Ein Testfall fuer die Software-Architektur

Selten zeigt sich die Bedeutung von klaren Systemstrukturen so deutlich wie jetzt. Der Aufwand fuer die PLZ-Umstellung ist ein Gradmesser fuer die Qualitaet der eingesetzten Software-Architektur.

Die PLZ ist kuenftig nicht mehr allein vom Zustellort bestimmt. Sie bezeichnet vielmehr meist eine detailliertere postalische Position als bisher und kann daher sogar vom Zustellwunsch des Empfaengers (wenn dieser zum Beispiel mehrere Postfaecher hat) abhaengen.

Nach dem Prinzip "One fact, one place" ist jedem Datenelement, also auch den Bestandteilen von Adressen, ein eindeutiger Ort im Informationsmodell zuzuweisen. Es darf logisch nur eine zentrale Adressen-Datenbasis geben, deren Bestaende strukturell redundanzfrei sein muessen. Adressen von Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten, Versandzielen, Organisationseinheiten etc. finden dort ihren Platz.

"Partner" und "Adresse" sind getrennte Informationsobjekte (IO). Eine neue PLZ veraendert nicht die Einzelobjekte von "Partner": Herr Schmitt bleibt derselbe wie zuvor. Daraus ergibt sich, dass die PLZ Eigenschaft eines anderen Objekts sein muss: der "Adresse". Zwischen beiden Objekten besteht die Beziehung ",Partner hat Wohnsitz an ,Adresse". Durch diese Trennung lassen sich mehrere Adressen pro Partner fuehren.

Empfehlungen fuer die Planung

Die Datentechnik kennt unterschiedliche Mechanismen zur Herstellung von Beziehungen. Vor allem bei relationalem Database Management System (DBMS) sind Beziehungstabellen zweckmaessig. Sie sind fuer mehrere logische Beziehungen nutzbar, koennen unterschiedliche IOs verbinden, Attribute aufnehmen und belasten den Datenhaushalt bei optionalen Beziehungen nicht (vgl. die Abbildung). So kann etwa die Zustelladresse leicht vom Postfach unterschieden werden. Ueber eine einheitliche Struktur lassen sich alle Adressierungsanforderungen erfuellen und datentechnisch definieren.

Die Umstellung ist eine Chance, noch in Gruppen gefuehrte Datenfelder (zum Beispiel PLZ und Ort, Strasse oder Postfach, akademischer Titel und Anrede) elementar zu speichern. Ein zentrales Modul bereitet versandfertige Adressen auf.

Die objektorientierten Techniken gelten haeufig als unausgereift und praxisfern, ihre Vertreter gar als Scharlatane. Die PLZ- Umstellung mit diesen Methoden (kurz: OO) sollte im Prinzip nur in der Objektklasse "Adresse" eine Aenderung bewirken. Ob das gelingen kann, ist aber noch nicht beweisbar, da die Techniken, wie OO- Pioniere bestaetigen, meist noch nicht unternehmensweit integriert sind.

Fuer die PLZ-Umstellung sind die folgenden Kriterien Erfolgsfaktoren. Zum Grossteil sind sie auch Zielgroessen im Systems Engineering (SE). Kommt die SE-Realitaet des Unternehmens dieser Vision schon nahe, so wird der Aufwand fuer die Umstellung nicht allzu gross sein. In anderen Faellen kann der Wechsel als Chance begriffen werden, das SE zu verbessern.

- Die fachliche Zustaendigkeit fuer die Adressen und ihre Pflege ist klar geregelt.

- Adressen werden in einem zentralen Bestand gefuehrt. Die Umstellung betrifft nur eine Speichertechnologie.

- Dezentrale Bestaende sind automatisch abgeleitete Kopien. Als Folge der zentralen Aenderung werden sie automatisch aktualisiert, beduerfen also keiner eigenen Umstellung.

- Die Daten (hier: PLZ, Ort etc.) sind in Include-Strukturen definiert. Alle Operationen beziehen sich ausschliesslich auf die dort festgelegten Feldnamen. Die Programme reagieren auf geaenderte Feldlaengen automatisch und richtig; Eingriffe in die Programme selbst sind damit weitgehend ueberfluessig.

- Programme, die die PLZ nicht verwenden, sind von der Umstellung nicht betroffen. Bei Programmverbunden mit gemeinsamen, meist im Maximalformat ausgelegten Datenstrukturen genuegt die Kompilierung.

- Module sind extern ladbar. So entfallen aufwendige Bindeprozeduren, und das Uebergabeverfahren ist einfach.

- Ein Dictionary zeigt die Zusammenhaenge von Daten, Programmen, Masken, Listen etc.

- Vor der Umstellung sollte man unbedingt die alten Adressen aktualisieren. Nur korrekte Altadressen erlauben es, einen Grossteil der Umstellung automatisch durchzufuehren.

- Das Umstellungsteam muss fruehzeitig installiert und das Projekt solide geplant werden, um den Umfang der Massnahme rechtzeitig zu erkennen und zu definieren. Es ist bereits hoechste Zeit dafuer.

- Die Umstellungsstrategie ist sorgfaeltig auszuwaehlen: Welche Umstellungssoftware empfiehlt sich? (Eigenentwicklung ist kaum die richtige Loesung). Sind Schattenbestaende erforderlich? Moechte man kuenftig Adressaenderungen qualifiziert pruefen? Wie?

- Bei Bedarf sind integrierende Massnahmen erforderlich: Feldlaengen erweitern, Kleinschreibung und Umlaute einfuehren, zentralen Bestand schaffen. Als Basis fuer regionale Klassifizierungen kann der Gemeindeschluessel eingefuehrt werden.

- Das organisatorische Umfeld muss rechtzeitig einbezogen werden.

Sehr starke Belastungen

Die PLZ-Umstellung wird viele Unternehmen sehr belasten. Sie bindet Entwicklungsressourcen, die fuer geschaeftspolitisch wichtigere Aufgaben dringend noetig waeren. Wenn sie ausgerechnet in die Strukturen der aeltesten, vielleicht noch wenig standardisierten Bestaende - und damit in zahlreiche Programme - eingreift, so sollte das nur nach methodisch gesicherten Konzepten geschehen. Die Aenderung erschoepft sich nicht im Einsatz der Umstellungsprogramme. Vielmehr muss den langfristigen Erfolg der SW-Architekt sichern; er integriert auch in der Wartung.

*Reinhold Voelker ist Management-Berater bei der Ploenzke Informatik AG in der Geschaeftsstelle Muenchen/Finanzinstitute.

Abb: Das Informationsobjekt "Adresse" und sein Umfeld: Konzeptionelles Datenmodell und Physik muessen nicht immer identisch sein. Quelle: Ploenzke