Outplacement: Das berufliche Ende als Anfang nutzen

Neue Position auf Kosten des alten Chefs

30.10.1987

Die Personalkrise ist vorprogrammiert: Rund 20 Prozent der deutschen Führungspositionen sind nämlich falsch besetzt. Und Fehlbesetzungen bei DV-Spezialisten erreichen einen noch höheren Wert. Eine Trennung ist längst beabsichtigt. Schmutzige Wäsche indes sollte nicht gewaschen werden. Hier empfiehlt Berthold Trottnow, dessen Managementberatung in Stuttgart zu der ernüchternden Statistik kam, den sauberen Schnitt - das "Outplacement".

Die Situation ist nicht neu: Eine überkommene, veraltete Organisationsstruktur erfordert den Einsatz eines modernen Rechners; integrierte, dialogunterstützte DV-Anwendungen lösen die Batch-Verarbeitung ab. Gefragt ist plötzlich der hochqualifizierte DV-Spezialist mit fundierten Soft- und Hardware-Kenntnissen, systemanalytischem Wissen, DFÜ-Praxis und Projektleitungserfahrungen. Auf der Strecke bleibt der gestandene und verdiente EDV-Leiter alter Schule, der mit den neuen Anforderungen nicht mehr Schritt halten kann und das Unternehmen verlassen muß.

Outplacement in sieben Phasen

In der Praxis gibt es eine Vielzahl von Ursachen, die solche Positionskrisen entstehen lassen. Neben sozio-psychologischen und firmenrechtlichen Einflußfaktoren sind es sowohl Individualeinflüsse als auch in erster Linie interne und externe Veränderungen von Rahmenbedingungen, die die Entstehung solcher Krisen begünstigen (Abbildung).

"Outplacement" ist angesagt. Es wird im allgemeinen verstanden als personalpolitisches Instrument eines Unternehmens, das dazu dienen soll, notwendig gewordene Positionswechsel nicht in typischer Sanierer- oder "Holzhacker"-Manier zu vollziehen, sondern mit Stil und gegenseitigem Verständnis abzuwickeln.

Der typische Kunde eines Outplacement-Beraters könnte beispielsweise ein High-Tech-Unternehmen sein, dessen Besitzverhältnisse sich geändert haben und das sich nun aus Gründen der Hard- oder Software-Vereinheitlichung von einem EDV-Leiter, Anwendungsprogrammierer oder Systemspezialisten trennen möchte, um ein eigenes EDV-Management zu etablieren. Wenn eine solche Freisetzung für alle Beteiligten konfliktfrei gestaltet werden soll, ist der Outplacement-Berater gefragt. Dessen Funktion besteht allerdings nicht darin, seinem Klienten eine neue Position zu beschaffen, sondern diesen vielmehr mit praktischer, professioneller Unterstützung in die Lage zu versetzen, sein eigenes "Marketing" zu entwickeln und mit den Techniken für eine zielsichere Stellensuche vertraut zu machen.

Der Ablauf eines solchen Outplacement-Projektes vollzieht sich üblicherweise in sieben Arbeitsphasen.

Phase 1: Information

Unerläßliche Voraussetzung für die erfolgreiche Suche einer neuen Position und die wirksame Unterstützung durch den Outplacement-Berater ist eine offene, von Akzeptanz und gegenseitigem Vertrauen geprägte Zusammenarbeit. Erst nach einem gründlichen Informationsgespräch sowohl mit dem Unternehmen als auch mit dem Betroffenen kann über die Durchführung einer Outplacement-Beratung entschieden werden. Schon im Rahmen eines solchen Informationsgespräches werden verschiedene Möglichkeiten der Vorgehensweise sowie interne und externe Handlungsalternativen erörtert, mit dem Ziel, die Lösbarkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit einer Outplacement-Beratung zu klären.

Phase 2: Ist-Analyse

In dieser Phase, auch als "Cooling down" bezeichnet, wird der betroffene Mitarbeiter erstmalig intensiv mit dem Outplacement-Prozeß vertraut gemacht, die Trennungsmodalitäten werden versachlicht und die Rahmendaten und -bedingungen analysiert. Häufig spürt der Mitarbeiter in dieser Phase bereits, daß er durch professionellen Rat eine positive Grundeinstellung entwickelt und eventuell vorhandene Blockaden abbaut.

Phase 3: Profilanalyse

Diese Phase ist geprägt durch eine fundierte Bestandsaufnahme der Erfahrungen und Fähigkeiten des Klienten. Durch ausführliche, eignungsdiagnostische Interviews und Stärken/Schwächen-Analysen wird die fachliche und persönliche Qualifikation (Eignungsprofil) ermittelt. Dieses Eignungsprofil wiederum ist die Voraussetzung dafür, die richtige Aufgabenstellung für den Betroffenen zu finden. Bemerkenswert ist in dieser profilanalytischen Arbeitsphase die häufige Erkenntnis, daß Mitarbeiter bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger "falsch" eingesetzt waren. Eine Studie unserer Beratungsgesellschaft, entstanden auf der Basis von Outplacement-Beratungsprojekten seit 1981, ergab, daß auf der Ebene des Middle- und Top-Managements in deutschen Unternehmen nahezu 20 Prozent der Führungspositionen nicht optimal besetzt sind, also Eignungsprofil und Anforderungsprofil in wesentlichen Punkten nicht deckungsgleich sind. Noch weitaus höher ist nach unseren Erfahrungen die Anzahl der "Fehlbesetzungen" im Spezialistenbereich, auch und insbesondere bei EDV- und Informationsfachleuten .

Phase 4: Persönlichkeits-Training

Im Vordergrund dieses Trainings steht die Analyse der Persönlichkeitsstruktur, mit dem Ziel, den Klienten psychologisch "aufzurüsten" und sein Selbstwertgefühl zu erhöhen. Dabei sollen negative Gedankenmuster erkannt und eine positive Grundeinstellung aufgebaut werden. Je nach Notwendigkeit und individueller Erwartungshaltung werden im Rahmen dieser Projektphase auch komplette Persönlichkeits-Check-ups (Intelligenz-, Persönlichkeits-, Konzentrations-, Kreativitäts- und Apperzeptionstests) durchgeführt. Mit diesem Training soll erreicht werden, daß sich der betroffene Mitarbeiter einerseits aktiv und vorurteilsfrei mit seiner Situation auseinandersetzt und andererseits eine konstruktive Aggressivität aufbaut. Nicht im Sinne einer auf Zerstörung gerichteten Feindseligkeit (= Frustrations-Aggressivität), sondern im Sinne der Fähigkeit, soll der Kandidat Dinge aktiv in Angriff nehmen und die eigene Entwicklung unmittelbar beeinflussen und gestalten. Wenn dieses Stadium erreicht ist, wird mit Phase 5, dem Verhaltenstraining, begonnen.

Phase 5: Verhaltens-Training

Ziel dieser Beratungs-Phase ist es, den Mitarbeiter mit allen Situationen vertraut zu machen, die es im Rahmen von Vorstellungsgesprächen, Tests und Eignungsinterviews zu bestehen gilt. Er wird mittels Fallstudien, Rollenspielen und insbesondere Video-Unterstützung auf Gespräche vorbereitet, in Kommunikationstechniken geschult und in die Lage versetzt, sein eigenes "Marketing" zu entwickeln, Tests zu "üben" und seine verbale und non-verbale Selbstdarstellung zu verbessern.

Phase 6: Operativer Teil

Vor allem ältere EDV-Manager und -Spezialisten haben es weitgehend verlernt, sich "technisch richtig" zu bewerben. Dies betrifft nicht nur die Zusammenstellung und Aufbereitung von Bewerbungsunterlagen, sondern auch das Abfassen von Stellengesuchen, die Analyse von Stellenangeboten, ja sogar das Formulieren von Bewerbungsschreiben. Hier Beratung und Unterstützung zu geben, ist das Ziel dieser operativen Outplacement-Phase. Darüber hinaus werden gezielte Kurzbewerbungen sowie vor allem systematische Direkt- und Zielgruppenbewerbungen verschickt. Für alle diese Aktivitäten gewährt der Outplacement-Berater sowohl persönliche als auch technische Unterstützung.

Bei der Durchführung dieser Bewerbungsaktion wird nichts dem Zufall überlassen, sondern konzeptionell geplant und gleichsam projektmäßig gesteuert und optimiert.

Phase 7: Coaching

Die Arbeit eines Outplacement-Consultants, seine beratende Mitwirkung und die Unterstützung des Klienten muß nahtlos in die Coaching-Phase übergehen. Denn die Beratung bei der Auswahl von Angeboten, die laufende Bewerbungsbetreuung und die Herstellung von Kontakten und Referenzen sind letztlich nicht unwichtige Beiträge, die den erfolgreichen Abschluß eines Outplacement-Projektes wesentlich mitbeeinflussen können. Wenngleich aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Berater und Klient der stellensuchende Mitarbeiter in der Regel nun hinreichend urteilsfähig geworden ist, Entscheidungen richtig und selbstsicher zu treffen, wird die Tätigkeit des Beraters erst dann endgültig abgeschlossen sein, wenn der Klient seine Einarbeitungszeit mit Erfolg absolviert hat.

Outplacement ist ein noch junges Instrument des Personalmanagements und der betrieblichen Personalpolitik. Die Entwicklung dieses Instruments ist in den USA bereits sehr weit fortgeschritten. Immer häufiger werden in Anstellungsverträgen mit qualifizierten DV-Managern bereits Outplacement-Vereinbarungen abgeschlossen. Aus gutem Grund: Outplacement bietet sowohl für Unternehmen als auch für Führungskräfte und Spezialisten entscheidende Vorteile: Stellenwechsel werden konfliktfrei ohne nachteilige Auswirkungen für alle Betroffenen vollzogen, durch die "Hilfe zur Selbsthilfe" wird erreicht, daß der betroffene Mitarbeiter in der Lage ist, seine Situation eigenständig erfolgreich zu lösen und den beruflichen Weg entsprechend seinen Erfahrungen, Neigungen und Fähigkeiten konsequent fortzusetzen.