Neue Politik braucht der Daten-Highway Juergen Hill

10.03.1995

Die Politik hatte gerufen, und alle versammelten sich beim G7- Treffen in Bruessel. Die Creme de la Creme der Wirtschaft in Sachen Informationstechnik war vertreten. Hoch anzurechnen ist den Herren der Industrie, die mit ihren Produkten und Technologien schon Fakten geschaffen haben, dass sie ueberhaupt kamen, um den Politikern Nachhilfe zu geben. Doch was ihnen als Gegenleistung geboten wurde, zeigte ueberdeutlich, dass der Nachhilfeunterricht zumindest fuer die Europaeer umsonst war. So waren von den Ministern keine konkreten Vorschlaege zu hoeren, wie sich die - im Vergleich zu den Vereinigten Staaten sehr hohen - Kommunikationskosten senken lassen. Da warnten die Franzosen lieber, dem Nationalstaatsdenken des 19. Jahrhunderts folgend, vor dem amerikanischen Kulturimperialismus via Information-Highway und haetten am liebsten, wie im Medienbereich diskutiert, eine Quotenregelung gegen Ueberfremdung gesehen. Anstatt sich einmal zu fragen, warum "Made in USA" beim Zuschauer besser ankommt, bauen die Kulturhueter in Paris lieber auf die Regulationskeule und setzen dem Buerger ungefragt den unattraktiven Subventionsbrei vor. Doch in ihrer Selbstueberschaetzung befinden sich die Franzosen in guter Gesellschaft. So brachte es Wirtschaftsminister Guenter Rexrodt fertig, in Bruessel ein nationales Presse-Briefing zeitgleich als Konkurrenzveranstaltung zur Konferenz des US- Vizepraesidenten abzuhalten. Dabei hatte der Bonner Minister noch Glueck im Unglueck: Nur wenige Journalisten fanden sich ein, um seinen Ausfuehrungen zu lauschen. Ein peinlicher Fehler enthuellte zudem den Stellenwert, den das Wirtschaftsministerium der Informationsgesellschaft anscheinend einraeumt: Die Dokumentenkennung der Pressemitteilung verriet, dass die aktuellen Schlussfolgerungen, die der Minister aus dem Bruesseler Treffen zog, bereits am 4. Dezember vergangenen Jahres verfasst wurden. Eigentlich sollte dies nicht mehr verwundern, wenn der Wirtschaftsminister den guten Netzausbau der Telekom als entscheidenden Wettbewerbsvorteil lobt. Sicherlich, damit hat er recht, doch ein Netz ohne bezahlbare Mehrwertdienste und attraktive Inhalte ist wertlos. Und ueber Inhalte gibt es wahrlich noch genug zu reden. Mit seinen Pilotprojekten ist Deutschland zwar fuehrend. Doch worauf beschraenken sich diese Visionen: Pantoffelkino on demand. Hat eigentlich einmal jemand den Anwender gefragt, ob er das ueberhaupt will?