"Neue Medien": Herausforderung an den DV-Manager

03.06.1983

Der sinnvolle Einsatz neuer Medien verspricht den Unternehmen

heute deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und eine

massive Produktivitätssteigerung im Büro. Nach Ansicht von Marktbeobachtern wird die DV im Zusammenspiel neuer Kommunikations- und Informationstechniken eher eine begleitende Rolle spielen. Die Kenntnis der verschiedenen Problemkreise innerhalb des Unternehmens sowie die Fähigkeit, sie zu koordinieren, bestimmt deshalb die Eigenschaften des künftigen DV-Leiters. Gesucht ist nicht mehr der managende DV-Spezialist, sondern eine Führungskraft, die genug Flexibilität besitzt, sich und die Organisation den Veränderungen anzupassen und die Mitarbeiter für die neuen Technologien u interessieren

und schließlich zu motivieren.

Julius W. Barrois

Geschäftsführender Gesellschafter der Barrois & Partner Wirtschafts- und

Unternehmensberatung, Merzig

Braucht man überhaupt besondere Qualitäten um mit den neuen Medien umzugehen? Qualitäten, die über die jeder Führungskraft hinausgehen? Und braucht sie der DV-Manager insbesondere?

Auf diese Fragen kann es nur ein klares Nein geben.

Einmal ein Nein, weil die neuen Medien, einschließlich einer ganzen Reihe anderer neuer Möglichkeiten im Informationsmanagement, eine technische und organisatorische Entwicklung wie jede andere auch sind. Und der muß sich jede Führungskraft stellen, denn das ist ihre ureigenste Aufgabe: sich und die Organisation den Veränderungen anzupassen und dadurch auch die Veränderungen selbst zu beeinflussen.

Zum anderen ein Nein, weil DV-Manager nicht die in erster Linie Betroffenen sind und deshalb beim Einsatz der neuen Medien mit Sicherheit keine bevorzugte Kaste darstellen, ja sogar aus ihrem bisherigen Verständnis der Informationssysteme nur im zweiten oder dritten Glied stehen.

Ein starkes, eindeutiges Ja aber, wenn wir die Frage weiter fassen: Brauchen die DV-Manager neue Qualitäten, um in der Umgestaltung des Informationsmanagements, das zweifellos durch die neuen Medien wesentlich beeinflußt wird, an entscheidender Stelle mitreden zu können? Drei Thesen und daraus drei Forderungen stelle ich, die sich aus den Chancen und Risiken der neuen Möglichkeiten ergeben:

1. Zentralistische Informationssysteme sind tot: Es reicht nicht, sich ein "dezentrales Alibi" zu verschaffen, indem man Satelliten an zentrale DV-Anlagen hängt. Die neuen Medien eröffnen neue Dimensionen. Die Trennung zwischen Probleminhaber (Fachabteilung) und Problemlöser (DV-Abteilung) verschwindet. Der Probleminhaber wird gleichzeitig der Problemlöser. Der DV-Manager wird sein problemorientiertes, systemanalytisches Denken zu Gunsten eines chancenorientierten Denkens aufgeben müssen.

2. Schnittstelle Mensch - Maschine entscheidet über den Erfolg: Schwerwiegende Änderungen in den innerbetrieblichen Abläufen sind die Folge der neuen Medien. Der Wechsel von systemgebundener zur freien Kommunikation, der direkten Kommunikation zwischen Arbeitsplätzen ohne Zwischenschalten eines Computers, erzwingt eine stärkere Berücksichtigung außertechnischer Bedingungen, wie etwa Regelungen der Sozialpartner, die zukünftige Entwicklung der Organisationsstrukturen und die Akzeptanz der Technologie durch die Betroffenen. Die Systeme sind nicht mehr nach Gesichtspunkten der DV ausgerichtet, denn der Aufwand für organisatorische Systemfunktionen wird sehr klein. Der Mitarbeiter und seine Anforderungen rangieren vor der Technologie. DV-Manager müssen aufhören, das "letzte Bit zu spalten" und sich endlich kompromißlos den wahren Bedürfnissen der Anwender zuwenden.

3. Entscheidungen über die neuen Medien sind Vorstandssache: Es handelt sich nicht mehr um System- und Hardwareentscheidungen, sondern um unternehmenspolitische Entscheidungen. Die Zukunft der einzelnen Unternehmen steht zur Debatte. Aus technischem Spiel muß ökonomischer Ernst werden. Das den DV-Managern eigene Denken in logischen kausalen Ketten reicht nicht. Es wird zumindest abgelöst durch laterales Denken in kausalen Netzen, das zusätzlich stark von nichtlogischen Elementen gestört wird. DV-Manager müssen lernen, unternehmerisch zu denken.

Entscheidungen über den Einsatz der neuen Medien sind untrennbar mit der Entwicklung eines völlig neuen Informationsmanagements verbunden. Informationen sind das Rohmaterial für unternehmenspolitische - Entscheidungen. DV-Manager haben ihren Platz in der Reihe derer, die mitzureden haben. Aber sie werden nicht mehr die Macht des letzten Wortes haben, mit dem sie den Trumpf des technisch Machbaren oder Nichtmachbaren ausspielen. Das ökonomisch Sinnvolle setzt den Schlußpunkt unter jede Diskussion. Entweder lernen

DV-Manager im unternehmerischen Sinn chancenorientiert und ökonomisch sinnvoll zu denken - und dann sollten sie in die Vorstandsebene integriert werden, oder sie rutschen ab zu Machern zweiten Grades und verlieren ohne das Alibi der Systemkenntnis ihre Bedeutung.

Dieter Janus

"Training Officer Organization IDP", Deutsche Unilever GmbH, Hamburg

Meine Ausführungen beziehen sich nicht auf den DV-Manager herkömmlicher Art, sondern auf den Verantwortlichen im Betrieb, der ein integriertes Kommunikationssystem innerhalb des Unternehmens und mit der Außenwelt unter Einbeziehung der Datenverarbeitung schaffen will. Genau darin scheint die Herausforderung der neuen Medien zu liegen.

Ein DV-Manager muß Pioniergeist besitzen, um sich für die Möglichkeiten technischer Neuerungen zu interessieren aber nicht als erster neue Wege beschreiten, um kostspielige Experimente und Umwege zu vermeiden. Er sollte Nachrichtentechniker sein, um die unterschiedlichen Übertragungswege beurteilen zu können, sich andererseits aber nicht vom technisch Machbaren hinreißen lassen.

Sehr wichtig ist für ihn das Wissen eines DV-Fachmannes, doch darf er dabei das Rechenzentrum nicht für den Mittelpunkt der Welt halten.

Als Organisator gilt es für ihn, die Textverarbeitung am Arbeitsplatz des Sachbearbeiters in sein Konzept mit einzubeziehen, er darf aber nicht versuchen, das papierlose Büro einzuführen.

Als Experte für die Probleme des Marktes elektronischer Hilfsmittel liegt es in seinem Verantwortungsbereich, Kompatibilität, Herstellerunabhängigkeit und Zukunftssicherheit zu beurteilen und von der versprochenen Leistungsfähigkeit mindestens 50 Prozent abzuziehen. Ebenso notwendig ist aber auch Offenheit für unkonventionelle Ideen, die möglicherweise den Anforderungen besser entsprechen. Um ein ganzheitliches System planen zu können (jedes Unternehmen hat spezielle Bedürfnisse), ist eine genaue Kenntnis des Unternehmens unerläßlich, andererseits aber genug Flexibilität, um eingefahrene Abläufe umzuwerfen.

Die Durchführung einer fundierten Kosten-Nutzen-Analyse ist ohne Kenntnisse der Kostenrechnung nicht möglich, doch können ohne den erforderlichen Weitblick qualitative Aspekte in der Beurteilung nicht berücksichtigt werden.

Der DV-Manager sollte Sozialpsychologe sein, um die Auswirkungen der Bildschirmkommunikation auf den Benutzer zu erkennen. Ein weltfremder Menschheitsbeglücker, der in jeder neuen Technik nur Bedrohliches sieht, ist in dieser Position jedoch fehl am Platze. Um neue Lösungen auf ihre Tauglichkeit für den Benutzer kritisch zu überprüfen, muß auch das Verständnis für den Standpunkt des Anwenders vorhanden sein, denn damit steht und fällt die Akzeptanz der gesamten Konzeption.

Der hier skizzierte "Informations-Manager" muß also kann Supermann sein, der die angesprochenen Eigenschaften in höchster Ausprägung besitzt. Es ist völlig ausreichend, wenn er die technologischen Zusammenhänge überblickt und mit einem zukunftsweisenden System (Netzwerk) umgehen kann, dessen Realisierung in einer Abfolge von Einzelschritten unter ständiger kritischer Soll-Ist-Analyse erfolgt.

Kurz: Er ist ein ganz "normaler" Manager, Fachgebiet Information.

Dr. Norbert Thom

Organisationsseminar der Universität zu Köln; Stellv. Vorsitzender der Gesellschaft für Organisation e. V. (GfürO), Gießen

Der DV-Manager muß zusätzlich die Fähigkeit eines Kommunikationsorganisators erwerben. Die GfürO sieht in ihren berufspolitischen Überlegungen hier insbesondere die nachstehenden Qualifikationen als wünschenswert an:

In diesem Zusammenhang ist die Kenntnis des Marktangebotes in einem Umfang notwendig, der eine "Herstellergläubigkeit" vermeiden läßt und der in die Lage versetzt, problemlösungsbezogene Leistungskriterien kritisch zu prüfen (keine "Blendung" durch technische Leistungsdaten, stärkere Beachtung von Kompatibilität, organisatorischer Zweckmäßigkeit etc.).

Zur Kenntnis des internen Informationsbedarfs sind Informationsbedarfs- und Kommunikationsanalysen erforderlich. Sie gehören zum Werkzeug des betriebswirtschaftlichen Organisators.

Wenn die Entscheidung über den Einsatz der neuen Medien ohne sorgfältiges Abwägen quantitativer und qualitativer Beurteilungskriterien erfolgen sollte, besteht die Gefahr erheblicher Fehlinvestitionen.

Ebenso unerläßlich ist eine Sensibilität für die sozialen Implikationen der neuen Medien. Arbeitnehmer befürchten oft größere Belastungen und die Entwertung ihrer bisherigen Qualifikationen durch die neuen Technologien. Um diesen Befürchtungen und Widerständen entgegenwirken zu können, muß organisatorische Gestaltungsphantasie für die Gestaltung der zukünftigen Büroarbeitsplätze (Ziel: reicherer Inhalt und größere Autonomie) und verhaltenswissenschaftliches Anwendungs- Know-how aus dem Bereich der Organisationsentwicklung vorhanden sein oder erarbeitet werden. Hierzu gehört die Kenntnis von Änderungsstrategien sowie der sichere Umgang mit Befragungs-, Diskussions- und Präsentationsmethoden. Nur mit solchem sozialen Akquisitionsgeschick kann die sehr ernst zu nehmende Akzeptanzproblematik bewältigt werden.

Der DV-Manager muß erkennen, daß die DV nur eine Form (ein Medium) der Informationsverarbeitung ist. Sie steht in einer integrierten Informationsverarbeitung mit neuzeitlichen Technologien neben Text, Grafik, Bild, Sprache oder Dokumenten. Die neuen Medien "gehören" dem DV-Manager keineswegs von Amts wegen, sondern nur, wenn er zusätzlich das Anforderungsprofil des Kommunikationsorganisators erfüllt. Weiterbildung in betriebswirtschaftlichen und verhaltenswissenschaftlichen Bereichen ist neben aktuellem technischen Wissen unerläßlich.

Paul Wiemann

Leiter der Abteilung Bildungsprogramme im Bildungszentrum Führungskreis der Siemens AG, Feldafing/München

Die neuen Medien bieten eine große Chance, durch arbeitsplatzbezogene, vor allem produktivitätssteigernde Maßnahmen in den Büros einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Zukunft

zu leisten. Diese Chance kann jedoch nur dann genutzt werden, wenn alte und überholte Organisationsformen und -strukturen unbürokratisch aufgegeben und unter Einsatz moderner Hilfsmittel den jeweiligen Anforderungen angepaßt werden.

Dies setzt eine Umorientierung im Denken und Handeln vieler Führungskräfte aller Ebenen voraus. Sie müssen sich neben der Erfüllung ihrer Fachaufgabe wieder mehr ihrer Gestaltungsaufgabe zuwenden. Also dem mehr und mehr vernachlässigten Teil des Führens, der bedingt durch die Einführung von DV-Verfahren, weitgehend den DV-Abteilungen überlassen wurde.

Vor allem in den Büros wird häufig noch nach den Methoden der manuellen Einzelfertigung und damit sehr kostenintensiv gearbeitet. Die hier versteckten Möglichkeiten zur Verbesserung der Produktivität zu nutzen, erfordert Veränderungen von Arbeitsorganisationen und

-strukturen, die auch einschneidende Anpassungen und Veränderungen in der Einstellung zur eigenen Aufgabe und im Umgang mit den Mitarbeitern unumgänglich machen. Sie verlangen von den Führungskräften ein bisher nicht gekanntes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Andererseits fordern sie aber auch den Mut zum persönlichen Risiko und zu Veränderungen, die ein Infragestellen der eigenen Aufgabe, ja sogar der eigenen Person sowohl in fachlicher als auch in menschlicher Hinsicht einbeziehen können. Nicht der Spezialist, sondern der kooperationsfähige und -bereite Universalist mit dem größten Einfühlungs- und Anpassungsvermögen wird als Führungskraft im Büro der Zukunft benötigt.

Ablauforganisatorische Veränderungen lösen bei den betroffenen Mitarbeitern Mißtrauen und Akzeptanzprobleme aus. Da die Qualifikation eines Mitarbeiters jedoch nicht allein von dessen Wissen und Können abhängt, sondern ganz wesentlich von seiner inneren Einstellung zu seiner Aufgabe und zu seinem Arbeitsplatz beeinflußt wird, ist der Abbau von Mißtrauen und die Schaffung von Akzeptanz für Neuerungen eine Langzeitaufgabe aller Führungskräfte. Dazu ist ein Wandel vom Führer und Entscheider zum Moderator von Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen erforderlich. Entscheidungsprozesse nach dem Sieger-Verlierer-Prinzip führen zwangsläufig zu Akzeptanzproblemen und behindern damit die wirtschaftliche Nutzung der neuen Medien.

Die Führungskraft in einer technisierten und automatisierten Umwelt muß also Moderator und gestaltender Organisator sein. Leider ist aber bei vielen Führungskräften ein eklatanter Mangel an organisatorischen Kenntnissen zu beklagen. Ganz zu schweigen von der Fähigkeit, die Technik in ein Organisationskonzept zu integrieren. Gerade auf diesen Gebieten müssen deshalb die Schwerpunkte der Weiterbildung liegen und nicht in der Vermittlung produkt- und netzspezifischer technischer Details, die zwar den Nachrichtentechniker begeistern mögen, dem Anwender jedoch bei der Lösung seiner Probleme nur wenig, meist sogar überhaupt nicht nützen. Die Führungskraft einer Anwenderabteilung muß die Einsatzmöglichkeiten der neuen Medien kennen, sie muß Bescheid wissen über die Vor- und Nachteile des Einsatzes, die Anforderungen an den Bediener, die Form der Ein- und Ausgabe und über die Möglichkeiten der Bearbeitung, Speicherung und Weitergabe von Informationen.