Rechenzentrum unterliegt gegen Steuerberaterkammer:

Neue Kollision mit Buchführungsprivileg

02.09.1977

MÜNCHEN - Als feststand, daß das Urteil gegen ihn gefallen war, freute sich der Beklagte: "Mit der Urteilsbegründung", so der Geschäftsführer einer Münchener Rechenzentrums GmbH, "haben wir in der nächsten Instanz mehr Chancen als zuvor." Begründet hat das von der Münchner Steuerberaterkammer angerufene Landgericht München I: "Die Werbung des Beklagten ist wettbewerbswidrig." Denn, das RZ warb für EDV-Buchführungen, darunter aber wird "verstanden die Gesamtheit aller Leistungen, die der Verkehr insgesamt unter dem Wort Buchführung versteht".

Konsequenz dieser Richter-Meinung: Alles was unter dem Begriff Buchführung segelt, diene steuerlichem Zwecke und werde vom Verkehr auch so aufgefaßt. Weil aber RZ Hilfe in Steuersachen nicht leisten dürfen, dürfen sie auch für "Buchführung" nicht werben. Anwalts-Kommentar: "Die Gerichte hinken eben zirka 30 Jahre hinter der Zeit her."

Seit Jahren kollidieren die rein gewerblichen Tätigkeiten der Datenerfassung und Datenverarbeitung mit dem Buchführungsprivileg der Steuerberater, das nach Paragraph 107 a der Abgabeordnung gesichert ist. Zwar waren Spitzenreferenten der Steuerberater bereits im November 1971 der Auffassung, "daß sich das Buchführungsprivileg im Rahmen des 107 a AO nicht mehr aufrechterhalten lassen werde". Bisher ist es indes nicht gelungen, diese Pfründe auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen - und so entscheiden deutsche Gerichte (in Anlehnung an ein BGH-Urteil aus dem Jahr 1973) immer wieder pro Buchführungsprivileg der Steuerberater gegen Datenverarbeiter.

Im konkreten Münchener Fall hat das Gericht allerdings nach anwaltlicher Auffassung nicht nur "äußerst dürftig" begründet, sondern vor allem auch den Gesamtinhalt der Werbeschrift nicht gewürdigt. Abgesehen, daß bisher die "Verkehrsauffassung" nicht sachverständig analysiert worden ist, meint der RZ-Geschäftsführer keineswegs unglücklich: "Dadurch, daß die gesamte Werbeaussage als wettbewerbswidrig hingestellt wird, stiegen unsere Chancen." Bei Ordnungsgeld von 500 000 Mark ist dem Beklagten untersagt, "Werbeschriften (auch) mit dem Inhalt zu verbreiten:, Sonstige Programme und Serviceleistungen', worauf die Aufzählung folgt: EDV-Buchführung - Finanzbuchhaltungen, Lagerbuchhaltung, Betriebsbuchhaltung, Mietbuchhaltung, Vereinsbuchhaltung".

Der Anwalt des unterlegenen Rechenzentrums hat inzwischen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt. Nicht ohne Hoffnung. Denn in einer Expertise, die der Münchener Steuerberater Dipl.-Kfm. Dr. Alfred J. Brunnmeier zur "Laufende Buchführung und Buchführungstätigkeit" nach GoB erarbeitete, resümiert er: ... Bei einer laufenden Buchführungstätigkeit, die nach den GoB als eine rein dokumentationsspezifische Tätigkeit ohne steuerrechtliche Entscheidungen rechtlich zu verstehen ist, stellt sich nach Auffassung des Verfassers ernsthaft die Frage, ob der Zulassungszwang bezüglicher kontierender Buchführungstätigkeit nicht im Widerspruch steht zum Grundrecht der Berufsfreiheit (siehe Urteil rechts).

Endurteil:

I. Der Beklagten wird verboten, Werbeschriften mit folgendem Inhalt zu verbreiten:

Sonstige Programme und Serviceleistungen:

- EDV-Buchführungen

- Finanzbuchhaltungen

- Lagerbuchhaltung

- Betriebsbuchhaltung

- Mietbuchhaltung

- Vereinsbuchhaltung.

Entscheidungsgründe:

Die Werbung der Beklagten ist wettbewerbswidrig. Unter Buchführung wird verstanden, die Gesamtheit aller Leistungen, die der Verkehr insgesamt unter dem Wort Buchführung versteht. Dazu gehören sowohl rein mechanische Tätigkeiten als auch z. B. das Vorkontieren der Belege. Die Beklagte meint, sie halte sich in ihren Leistungen an ° 6 Nr. 3 Steuerberatungsgesetz (belanglos ist insoweit ob ° 6 Nr. 3 Steuerberatungsgesetz verfassungsmäßig ist und gilt, denn die Beklagte bietet andere Leistungen an, als sie wirklich leistet). Die Beklagte behauptet also, sie leiste nicht das Vorkontieren der Belege und das Erteilen von Buchungsanweisungen. Damit ist aber ihre Werbung objektiv unrichtig. Die Worte Buchhaltung können mindestens von Teilen des Verkehrs so verstanden werden, daß darunter auch das Kontieren der Belege und das Erteilen von Buchungsanweisungen verstanden wird. Allein der Hinweis, daß es sich um eine EDV-Buchführung handelt genügt dazu nicht, denn es gibt auch EDV-Buchführung mit Kontierung. Die Beklagte leistet aber wie sie selbst vorträgt eine reine Datenerfassung. Die Leistungen der Beklagten erfolgen rein mechanisch. Darauf muß die Beklagte hinweisen, denn sie erweckt damit bei Teilen des Verkehrs den Eindruck, daß sie mehr Leistungen erbringt als dies wirklich der Fall ist.