Brancheninsider: Datenbankwerkzeuge dienen marktstrategischen Zwecken

Neue Ingres-Tools lassen die DBMS-Konkurrenz kalt

17.11.1989

MÜNCHEN - Als einen "möglichen Marketing-Trick, um die Preise erhöhen zu können" beurteilt Frank Sempert, Geschäftsführer der deutschen Informix GmbH in München, die neue Produktumgebung von Ingres. Auch andere Mitbewerber zeigen sich keineswegs beeindruckt.

"Knowledge-" und "Object-Manager" werden von Konkurrenz-Unternehmen als "Etikettenschwindel", "alter Hut" oder "am Bedarf vorbei entwickelt" abqualifiziert. Helmut Wilke, Ingres-Geschäftsführer der deutschen GmbH, hält dagegen: Er sieht den Nutzeffekt eines Datenbanksystems mit "intelligenten Eigenschaften" von bestätigt - seine Kunden hätten bei einer Produktvorstellung auf dem letzten User-Treffen stehend applaudiert.

Der Vorteil des Systems liege auf der Hand: "Mit Hilfe des Knowledge-Managers kann man Regeln, die früher in jeder einzelnen Anwendung programmiert werden mußten, direkt in die Datenbank hineinschreiben." Jede Anwendung könne jetzt diese einmal verfaßte Regel automatisch benutzen. "Anwendungen werden entschlackt und damit transparenter; die Wartbarkeit wird erleichtert."

Kritiker wie Informix-Chef Sempert mißtrauen dieser Methode. Durch die Regelverwaltung auf Datenbankebene werde "Inflexibilität" produziert. "Man pfropft dem Datenbanksystem etwas auf, was auf Anwenderebene eigentlich viel flexibler gestaltet werden kann".

"Alte Technologien im neuen Gewand" sehen andere Markt-Konkurrenten in den "intelligenten" Werkzeugen, die ab November diesen Jahres gemeinsam mit dem neuen Release 6.3 des Datenbankmanagement-Systems von Ingres erworben werden können (siehe CW Nr. 46 vom 10. November 1989, Seite 7: "Intelligentes DB-System soll den Negativtrend aufhaltende). "Der Object-Manager ist nichts weiter als die Möglichkeit, selbstgeschriebene C-Programme mit in den Datenbank-Kern einzubringen", so Franz Niedermaier, Geschäftsführer der deutschen Oracle GmbH. Sein Unternehmen habe ein ähnliches Verfahren getestet und sich davon distanziert, nachdem große Probleme im Bereich der Datensicherheit aufgetreten seien.

Auch für Ulf Schiewe, Geschäftsführer der deutschen Sybase GmbH in Düsseldorf, ist der Umgang mit Datenobjekten nichts Neues: "Userdefined Datatypes und entsprechende Rules, die an diese Datatypes gehängt und im Server abgelegt werden" - dieses Verfahren habe sein Unternehmen schon vor Jahren eingeführt. "Ingres zieh jetzt nach!"

In dem Produkt "Knowledge-Manager" sehen Branchenkenner nichts anderes als eine Neuauflage der Trigger- und Domänen-Technik. "Triggerfunktionen können hier über eine Regelsprache intensiver beschrieben werden" meint Harald Summa, Prokurist bei der Kölner Infodas GmbH, Vermutlich werden, so der Datenbankexperte, diese Trigger bei Ingres komplexer ausgestattet als bisher und mit einer Vielzahl von Bedingungen gekoppelt.

Ein relationales Datenbankensystem mit objektorientierter Technik zu verbinden, hält Wilke für die eigentlich sensationelle Entwicklung seines Unternehmens. Dem widerspricht Summa: "Mit objektorientierter Programmierung hat das neue Datenbanksystem von Ingres nichts zu tun." Objekte bestünden sowohl aus Daten als auch aus Programmen - hier aber werde eine zusammenhängende Menge von Daten einfach als Objekt bezeichnet.

Kunden, die mit dem Betatest beauftragt waren, wissen dagegen den Knowledge-Manager zu würdigen. Peter Hollfelder von der Nürnberger Philips Kommunikations Industrie (PKI) AG bezeichnete das Produkt auf der Ingres-Pressekonferenz als "nützlich für die Sicherung der Datenkonsistenz".

Auch der Object-Manager biete Vorteile, vor allein, wenn komplexe Strukturen der "real world" innerhalb der Datenbank abgebildet werden sollten. Mögliche Anwendungsgebiete bei PKI seien unter anderen komplexe Stücklisten mit ihren Varianten und Versionen. Doch auch die Ablage von CAD-Daten und umfangreichen Dokumentationen sei möglich.