Anbietern von Billig-PCs steht ein böses Erwachen bevor:

Neue IBM-PC-Serie soll Nachbau erschweren

27.03.1987

AUSTIN/FRAMINGHAM (CW) - Zu nahe auf den Pelz und an die Marktanteile scheinen dem Branchenriesen IBM die Anbieter- von Billig-PCs gerückt zu sein. Nachdem der Marktführer im vergangenen Jahr kräftig Federn lassen mußte, holt er jetzt zum Gegenschlag aus. Für Anfang April erwarten US-amerikanische Branchenkenner die Markteinführung einer neuen Serie von PCs, die gleichzeitig einen neuen Standard setzen sollen.

Bei den neuen Mikros hat Big Blue sich jetzt auch zu 3 1/2-Zoll-Laufwerken durchgerungen und tendiert zu einer geschlossenen Architektur, verlautet aus informierten Kreisen. Das Announcement soll eine Highend-Erweiterung zur IBM-AT-Familie auf Basis des Intel-Prozessors 80286 sowie ein Low-end-System mit einem 8086-Prozessor für den Heimcomputer- und Schulmarkt umfassen. Auch verschiedene 386-PCs sind im Gespräch. Branchenkenner wollen ferner wissen, daß Microsoft demnächst die Version 3.3 des Betriebssystems MS-DOS vorstellen wird, das um einige Fehler bereinigt sein soll.

Die neue PC-Serie enthält einige IBM-spezifische Features im Hinblick auf Grafikdarstellungen und Kommunikationsfähigkeiten sowie einen nicht standardisierten Bus, erklären Insider in den USA. Diese Änderungen seien geeignet, alle Clone-Hersteller abzuschütteln und verlorengegangene Marktanteile zurückzuerobern. Beispielsweise verhindere der nicht standardisierte Bus, daß die Anwender die Add-on-Karten für ihre ATs in den neuen PCs verwenden könnten.

Trotz der genannten Änderungen könne ein Großteil der vorhandenen Software einschließlich der für den IBM Enhanced Graphics Adapter entwickelten Programme auf den neuen Maschinen eingesetzt werden, hieß es weiter. Umgekehrt würde jedoch die für die neuen Systeme geschriebene Software nicht auf den älteren Geräten laufen. IBM wird voraussichtlich die neuen PCs in SMD-Technik fertigen, um Produktionskosten zu senken. Auch sollen die Geräte beträchtlich kleiner werden.

Nach Angaben von Brancheninsidern ist mit folgenden Produkten zu rechnen:

- Ein 80286-Desktop mit 10 Megahertz Taktrate, 3 1/2-Zoll-Diskettenlaufwerken mit 15 MB Speicher, 256 KB RAM, drei horizontalen Erweiterungs-Slots, Grafikfähigkeiten auf dem Motherboard sowie Festplatten mit 40 und 70 MB Speicherkapazität. Einem Anwender zufolge, der das System gesehen haben will, ist eine Basisversion mit einem Diskettenlaufwerk und 256 KB RAM für etwa 3300 Dollar zu haben.

- Der 8086-PC soll ebenfalls mit 3 1/2-Zoll-Diskettenlaufwerken sowie eingebauten Fähigkeiten für die Darstellung von Grafiken und Videobildern ausgestattet sein. Die Leistung komme der des Original-ATs nahe, der Preis liege zwischen 1000 und 1500 Dollar.

Bei Release 3.3 von MS-DOS rechnen die Insider mit neuen Treibern, die weniger kritisch sind als die früheren DOS-Versionen im Bereich der Interrupt-Verarbeitung. Auch beherrsche DOS 3.3 die Aufteilung größerer Festplatten, allerdings liege die Grenze immer noch bei 32 MB pro Laufwerk.

Ferner kursieren Gerüchte darüber, daß IBM den Standard LU6.2 im ROM und einen Token-Ring-Chip auf der Mutterplatine integrieren wird. Ein Berater will sogar einen 386-Prototyp mit Token-Ring-Chip gesehen haben. Des weiteren häufen sich Meldungen über vier Maschinen auf Basis des Intel-Chips 80386.

Wie einige Analysten berichten, hat IBM Anteile an die Compaq Computer Corp. verloren. Compaq hatte mit den Auslieferungen des Deskpro 386 im Oktober vergangenen Jahres begonnen. Ein Mitarbeiter des in Texas ansässigen Marktforschungsunternehmens Future Computing Inc. schätzt, daß der Deskpro 386 im Monat zwischen dreieinhalb und vier

Big Blue will abtrünnige DV Leiter zurückgewinnen

Millionen US-Dollar Umsatz erwirtschaftet. Während eines sechsmonatigen Zeitraums habe sich Compaqs Renner mit 21 bis 24 Millionen Dollar bei den Verkaufszahlen niedergeschlagen. In die Taschen des texanischen Herstellers sei einiges von dem Geld geflossen, das IBM in seiner Jahresbilanz vermißt.

Obwohl bislang keine Einzelheiten über das bevorstehende Announcement bekannt sind, haben viele DV-Manager bei Großunternehmen in den Vereinigten Staaten in jüngster Zeit keine Einkäufe von Mikrocomputern getätigt. Dies ergab eine Umfrage der US-Fachzeitschrift Computerworld. Viele Entscheidungsträger wollen abwarten, womit die Armonker auf den Markt kommen. Seitdem IBM konstant Anteile am amerikanischen PC-Markt verloren habe, so die Analysten, plane der Marktführer einige radikale Schritte, um die Pläne der Clone-Anbieter zu durchkreuzen und die MIS-Manager unter seine Fittiche zurückzuholen.