Neue Geruechte ueber einen Plattformwechsel Im kommerziellen Unix-Umfeld pokert auch Data General mit

26.11.1993

MUENCHEN/LONDON (CW) - Die Data General Corp. (DG) machte weitere Hard- und Software-Ankuendigungen fuer ihre Aviion-Plattform, die auf Motorolas RISC-CPU 88110 basiert. Neben diversen Softwarepartnerschaften praesentierte DG ihren Hoffnungstraeger fuer geclusterte Umgebungen, den Einstiegs-Server "AV5500". Das Geruecht, DG-Anwender muessten sich ueber kurz oder lang auf einen Architekturwechsel einstellen, scheint derweil handfeste Konturen anzunehmen.

Auch anlaesslich der Verkuendung weiterer Softwarekooperationen in London wollten die Geruechte nicht verstummen. Schon Ende Juni war das DG-Management mit diesbezueglichen Fragen konfrontiert worden. Seinerzeit hatte Joel Schwartz, Vice-President der Aviion- Geschaeftseinheit, die Moeglichkeit eines Plattformwechsels in den Bereich des Denkbaren gerueckt: "Es ist fuer uns ueberhaupt kein Problem, DG/UX auf einen anderen RISC-Prozessor zu portieren."

Offiziell liess DG zwar verlautbaren, noch habe man sich nicht definitiv fuer eine Strategie entschieden. Man sehe allerdings fuer die Motorola-Architektur noch eine Lebenserwartung von etwa drei bis vier Jahren voraus.

Mittlerweile aeusserte sich Schwartz jedoch deutlicher: Er bestaetigte einmal mehr Hinweise, dass DGs Unix-Derivat DG/UX auf mehr als nur eine RISC-Plattform portiert werden koennte. Innerhalb von 15 bis 18 Monaten sei es auf anderen RISC-Systemen verfuegbar. Vor allem mit der Power-PC-CPU von IBM-Motorola scheint man dabei zu liebaeugeln, allerdings hat man bei DG anscheinend vor allem die 604- beziehungsweise 620-Versionen im Auge.

Auf diese Weise biete DG, so Schwartz, seinen Anwendern nicht nur ein Schlupfloch aus der Motorola-Welt, sondern zeige auch Wege auf zu Plattformen, auf denen Microsofts NT-Betriebssystem laufe. Fuer das eigene Unix-Derivat reklamiert DG im uebrigen, es erfuelle zu ueber 90 Prozent die vor allem von der COSE-Initiative vorangetriebene 1170-Schnittstellen-Definition von Unix-APIs.

Geschaeft mit Unix viermal groesser als das proprietaere

DG-President Ron Skates verwies derweil bei einem Pressegespraech auf den grossen Erfolg seiner Unix-Strategie: Rund 20 000 Aviion- Systeme haetten seit deren Markteinfuehrung im Jahr 1989 einen Kaeufer gefunden. Dem steht eine installierte Basis von etwa 50 000 Eclipse-, also MV-Rechnern, gegenueber. Diese verkaufen sich allerdings zunehmend schleppend. Waehrend DG mit den proprietaeren Rechnern 1989 noch 763 Millionen Dollar umsetzte, verzeichnete das Unternehmen aus Westboro, Massachusetts, fuer das Jahr 1993 nur mehr 109 Millionen Dollar Umsatz. Nach Firmenangaben setzt DG mit Aviion-Systemen mittlerweile rund 400 Millionen Dollar um. Schwartz betonte noch im Juli, dass man mit der zunehmenden Konzentration auf Unix insofern reuessiere, als man mit Aviion- Systemen zu 90 Prozent Anwender bediene, die in kommerziellen Unternehmensfeldern agieren. Damit haben die Amerikaner aus Neuengland anscheinend eine kraeftige Quelle angezapft, werden doch - nach eigenen Angaben - sieben von zehn Aviion-Vertraegen von neuen Kunden unterschrieben.

Allerdings war der DG Corp. anlaesslich einer Anwenderumfrage der First Market Research Corp. im Auftrag der COMPUTERWOCHE- Schwesterpublikation "Computerworld" ins Stammbuch geschrieben worden, fuer das DG-Unix-Derivat DG/UX seien nur wenige Programme verfuegbar, was die Attraktivitaet des Herstellers mindere. Fairerweise gilt es hinzuzufuegen, dass DG bei dieser Umfrage gegenueber den Konkurrenten IBM, HP, DEC und Sun in puncto Preis- Leistungs-Verhaeltnis, Kompatibilitaet sowie Verarbeitungsgeschwindigkeit jeweils am besten abschnitt.

Deshalb unternimmt DG nunmehr Anstrengungen, ihre Plattform durch Partnerschaftsvereinbarungen attraktiver zu gestalten. Kuerzlich erst meldete DG den Schulterschluss mit 20 Herstellern, die fuer die Erweiterung des Softwarespektrums auf Aviion-Systeme garantieren sollen. Zu ihnen gehoeren gewichtige Unternehmen wie CA, Cincom, Tivoli oder auch HP.

Schon frueher bandelte man mit 4GL-Anbieter Cognos an, der seine "Powerhouse"-Umgebung allerdings auch auf die IBM-, DEC- und Sun- Plattform portieren will. Mit der Forte Software Inc. - spezialisiert auf Motif-, Windows- und Macintosh- Entwicklungswerkzeuge fuer Client-Server-Applikationen - schloss man ebenfalls eine Kooperationsvereinbarung.

Ausserdem macht man sich das Know-how so bekannter Firmen wie Dun & Bradstreet, SAG und SAS zunutze.

Auf der Londoner Veranstaltung stellte DG auch ein Einstiegs- Servermodell vor: Mit dem AV5500-Modell baut DG sein Produktangebot an Unix-Servern am unteren Leistungsende aus.

Bereits im Sommer 1993 hatten die US-Amerikaner ihre Zwei- und Vier-Prozessor-Modelle "AV8500" sowie die mit maximal bis zu 16 CPUs auszustattenden "AV9500"-Hochleistungsmaschinen der Oeffentlichkeit vorgestellt.

Der Einstiegs-Server AV5500 wird in einer Einzel- oder Dual- Prozessor-Variante ab sofort ausgeliefert. Der mit 40 Megahertz getaktete Motorola-88110-Prozessor bringt laut DG eine Rechenleistung von 66 Transaktionen pro Sekunde. Der Anwender kann die Monoversion durch Einsatz eines sogenannten Daughterboards selbst aufruesten. Eine Grundkonfiguration inklusive 32 MB Arbeitsspeicher, einer 520-MB-Festplatte und einem CD-ROM-Laufwerk kostet knapp 38 000 Mark.

Die DG Corp., die im Geschaeftsjahr 1993 mit 60,5 Millionen Dollar einen Nettoverlust hinnehmen musste - allerdings sind hierin 25 Millionen Dollar fuer Restrukturierungsmassnahmen enthalten -, der fast so hoch war wie der des Vorjahres (62,5 Millionen Dollar), scheint an das AV5500-System insofern groessere Hoffnungen zu knuepfen, als man sich von ihm vor allem fuer das Aviion-Cluster- Konzept einiges verspricht. Dieses soll im Dezember in den Betatest gehen und im Februar 1994 ausgeliefert werden. Im Juli hatte DG eine aufpolierte Betriebssystem-Version von DG/UX 5.4 praesentiert. Eine von deren neuen Eigenschaften ist der "Distributed Lock Manager", der die gemeinsame Nutzung grosser Datenbestaende von mehreren geclusterten Systemen aus erlaubt.

Die Leute aus dem Grossraum Boston stuetzen sich zudem auf Oracles Parallel-Server-Datenbankversion. Allerdings werde man auch auf die Sybase-Software "Replication Server" zurueckgreifen, ein Modul in der Datenbanksoftware-Palette "System 10", das auf die Verwaltung grosser Datenbestaende in heterogenen Umgebungen abzielt.